Über das (gute) Erzählen einer Geschichte

In der letzten Zeit frage ich mich immer wieder selbst:
Wie erzählst du Geschichten? Ist es gut wie du sie erzählst?

Bevor ich angefangen habe Geschichten zu schreiben, waren diese Fragen mit Schuld daran dass ich nie anfangen konnte. Die Angst niemand würde die Geschichten hören wollen, hatte mich quasi gelähmt. Wie erlange ich die Aufmerksamkeit eines Lesers, eines Fremden oder auch eines Freundes?
Im meinem Kopf fanden die Geschichten statt und ihre Figuren "bevölkerten" mich. Oft erwischte ich mich dabei, wie ich mich gefragt habe "Was würde er hier tun? Würde er sich wohl fühlen?". Ich indentifizierte mich zunehmend mit meinen Figuren, oder vielleicht begann ich auch, sie mit mir zu identifizieren. Was meine Ängste eine Geschichte zu erzählen nur verstärkte.

Die erste Regel zum Erzählen einer Geschichte:

Tu es!
Wer eine Geschichte im Kopf hat und schon alleine darüber nachdenkt sie zu erzählen, hat damit genug Handwerkszeug und Willen es zu tun. Nur die eigenen Zweifel bremsen dich aus. Und die werden dir beim Erzählen (und auch beim Leben) noch oft genug in die Quere kommen.
Aber man muss sich auf der anderen Seite fragen: Wenn ich nicht von den Figuren erzähle, den Landschaften und den Bildern die meine Emotionen malen, welchen Wert haben sie dann? Und wenn ich dann mal sterbe, haben sie überhaupt jemals exisitiert?

Die letzte Frage ist hochgradig philosophisch, aber darauf lasse ich mich jetzt nicht weiter ein. Die muss man vielleicht auch erstmal für sich selbst beantworten oder eine Idee davon entwickeln.


Die zweite Regel zum Erzählen einer Geschichte:
Es mag abgedroschen oder auch albern klingen aber meine Erfahrung sagt es ist wahr:
Es gibt keine Regeln!

Na gut, ganz so ist es nicht, aber man sollte sich folgendes vor Augen halten: Auf dem Papier, in meinen Worten, in dem Bild welches ich male etc. kann ALLES passieren was ich mir vorstellen kann. Pinguine können Medizin studieren und forschen um herauszufinden wie sie mit ihren Flügeln doch fliegen können und auch ein brutaler Krieg der Sonnenblumen und der Tulpen um die Herrschaft auf europäischen Feldern ist denkbar.
Alle sinnhaftigen und undurchdringlichen Regeln der Realität verlieren ihren Wert. Und das sollte man auch für seine Geschichte beherzen.
Wenn es die Geschichte fordert, sollte man die Regeln weg werfen, nur damit sie sich frei entfalten kann. Denn eine freie Geschichte ist in jedem Fall eine gute.

Neben physikalischen, biologischen und Wie-sie-alle-heißen-Regeln, sollte man aber auch jede Regelmäßigkeit der Literatur vergessen.

Oft wenn ich beim Schreiben einer Geschichte nicht voran gekommen bin, hab ich später festgestellt dass mein Schulwissen Schuld daran war. Daher ist Regel 3 der 2 sehr ähnlich.

Die dritte Regel zum Erzählen einer Geschichte:
Erzähle die Geschichte wie DU willst und nicht wie literarische Kategorien es erfordern.

Am besten frag dich erst gar nicht: "Was schreibe ich hier?" Schreib einfach.
Wieviele Menschen denken immer noch ein Gedicht müsste sich reimen und in Fantasybüchern müssten Elfen und Orks unterwegs sein?
Erschaffe deine eigene Kategorie. Oder lass es, es wird schon jemand kommen der deine Geschichte in eine Schublade steckt. Arbeit die du dir sparen kannst.

Ein Beispiel um zu erklären wie ich zu dieser "Regel" gekommen bin:
Ich schreibe jetzt selbst schon seit längerem an einer Geschichte. Am Anfang war ich super motiviert und alles schrieb sich von selbst. Aber als ich mich im dritten Kapitel meines Schriebs befand kam ich in Schwierigkeiten.
Mein Kopf sagte: Kapitel 1: Vorstellung der Personen, Andeutung des Problems
Kapitel 2: Höhepunkt des Problems, Andeutung der Konsequenzen
Kapitel 3: Lösung des Problems, Moral für die Personen, Ende
Aber ich merkte bald, dass Kapitel 3 alleine schon so lang war wie 1 und 2 zusammen. Und es gefiel mir gar nicht. Mit jedem weiteren Wort dachte ich: "Eigentlich ist diese Dreiteilung Mist!"
In einem Moment der Verzweiflung hab ich dann beschlossen drauf zu pfeifen und einfach ein viertes Kapitel anzufangen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie befreiend es für mich war.
Und dann folgte die Erkenntnis: Der Einzige mit der Erwartung der 3 Kapitel warst du selbst. Aber man kann seine Erwartungen ändern bis man zufrieden ist. Anstatt solche Erwartungen zu erfüllen und damit unglücklich zu sein.

Die vierte Regel zum Erzählen einer Geschichte:
Eine Geschichte verändert sich mit einem selbst.
Jetzt wird es etwas wissenschaftlich, aber es ist pur logisch:
Der Mensch kann nur Geschichten erzählen für die er Informationen aus seiner Erfahrung hat. Und da der Mensch so lange er lebt zwangsläufig mehr Erfahrungen sammelt, wird er die selbe Geschichte vermutlich nach einiger Zeit anders erzählen. Vielleicht legt er auch nur andere Schwerpunkte, oder zieht ein anderes Fazit. Vielleicht wird eine komplett neue Geschichte aus den selben Erfahrungen.
Jetzt gilt es eine Warnung auszusprechen: Nur weil man selbst sich verändert MUSS man seine Geschichten aber nicht verändern. Das gilt vor allem für Geschriebenes. Klar kann man nachträglich Feinschliff betreiben, aber man sollte auch zu seinen alten Erfahrungen stehen und den Geschichten die daraus entstanden sind.



Ich erhebe keinen Anspruch darauf, dass diese "Regeln" eine Daseins-Berechtigung haben, unumstößlich sind oder "wahr" sind. Ich will damit nur reflektieren wie ich Geschichten erzähle und vielleicht auch Anreize geben, über seine eigenen Geschichten nach zu denken.
Diese Regeln sollte man auch nicht beim Erzählen zwanghaft befolgen sondern vielleicht sie einfach nur im Herzen oder Kopf tragen (je nach dem von wo ihr eure Geschichten erzählt).

Ich habe nur festgestellt, wann immer ich entsprechend der Regeln vorgegangen bin, hat man mir gesagt ich wäre ein guter Erzähler.

Kommentare

  1. Dann freue ich mich schon mal auf das erste Exemplar von:

    "Krieg im Sonnenblumenfeld oder wie ich lernte, eine Tulpe zu lieben" ^^

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  2. Hervorrangender Titel für ein Buch oder eine Kurzgeschichte.

    Aber hießt der Film nicht:
    Dr. Strangelove, wie ich lernte die Bombe zu lieben?

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  3. "Eine Geschichte verändert sich mit einem selbst."

    Wie wahr, wie wahr. Man man man, ich verlink dich mal bei mir, du schreibst wirklich genau das, was ich mir auch denke :)

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