Jay träumt - "Fombieapokalypse"

Augenaufschlag.
Ich sitze an meinem Schreibtisch und arbeite an einem Text. Die Musik ist aus und auch draußen ist es unwahrscheinlich ruhig. Wenn ich mich darauf konzentrieren würde, wäre es vermutlich sogar unheimlich ruhig.
Die Schreie aus den Nebenstraßen drängen gar nicht bis an mein Ohr, denn ich bin so tief im Text, dass man mich schon am Arm vom Stuhl ziehen müsste, damit ich wieder in die Realität komme. So höre ich auch nicht, wie es an meiner Wohnungstür klopft und auch nicht, wie diese dann aufgebrochen wird. Plötzlich zieht mich jemand am Arm vom Stuhl.
Jay: „Hass? Was machst du denn hier?“
Hass: „Junge, gut dass sie dich noch nicht erwischt haben.“
Jay: „Wer? Was? Wie?“
Hass: „Hast du mal aus dem Fenster geguckt, Junge? Wir haben Zombieapokalypse.“
Hunderte Seelenlose Körper schlurfen durch meine friedliche Straße auf der Suche nach lebendem Fleisch und wenn die Filme, Comics und Bücher recht haben sollten, dann auch nach Gehirnen.
Jay: „Aber wie bist du hier denn hin gekommen? Du wohnst doch gar nicht in Essen?“
Hass: „Als ich gesehen habe was los ist, habe ich mir eine Waffe geschnappt und bin los gezogen zu retten, was ich retten kann.“
Da der Hass ohne andere Überlebende auftaucht stelle ich mir seinen Erfolg äußerst schmal vor. Als ich auf seine „Waffe“ schaue, da stelle ich auch direkt eine These auf, woran es liegt.
Jay: „Ein Buch? Du hast dein Leben mit einem Buch verteidigt?“
Hass: „Na sicher. Womit denn sonst, Junge? Meinst du ich habe ne Kettensäge oder eine Schrotflinte?“
Ich wünsche kürz es wäre so, aber trotzdem scheint mir ein Buch nicht die beste Waffe zu sein.
Hass: „Außerdem scheint ein fester Schlag mit einem Buch auf den Kopf das einzige zu sein, das wirklich hilft sie...“
Jay: „...endgültig um zu bringen?“
Der Hass schüttelt nur den Kopf.
Hass: „Junge, du hast wirklich gar nichts mitbekommen, was? Die sind nicht wirklich hinüber. Hör doch mal, was die alle ächzen.“
Ich geh noch mal an das Fenster, schau runter auf die Straße und höre genau hin. Dann weiche ich schockiert zurück.
Jay: „Das...das kann nicht....Das ist ja schlimmer als ich befürchtet hatte.“
Hass: „Ja mein Freund, die wollen keine Gehirne, die wollen Fernsehen.“
Jay: „Ürgs. Und das auch noch freiwillig bei dem Programm?“
Hass: „Sieht ganz so aus.“
Jay: „Na, dann könnten die mit Gehirnen aber auch vermutlich gar nicht so viel anfangen.“
Der Hass sah mich genervt an. War scheinbar nicht die Zeit für Galgenhumor.
Jay: „Und was machen wir jetzt?“
Der Hass warf einen erwartungsfrohen Blick in mein Bücherregal und dann zum Fenster hinaus.
Hass: „Zombiejagd, Junge. Zombiejagd.“
Bei der Auswahl meiner Waffe fange ich an mich über mich selbst zu ärgern. Ich bin zwar nicht unbelesen, aber irgendwie habe ich es immer wieder geschafft mich vor dem Kauf von Büchern zu drücken. So ist also meine erste Wahl für eine Hauptwaffe der gute alte „Dierke Weltatlas“, der berühmte Schulatlas. Alles was ich sonst da habe, eignet höchstens zum „Wurfbuch“. Also packe ich mir noch ein paar „Kindom Hearts“ Comics und Reclamhefte in die Taschen meiner Cargohose.
Jay: „Wo wollen wir denn als nächstes hin?“
Hass: „Ich habe eine Route erstellt, bei der wir versuchen können unsere Freunde zu retten und uns im besten Fall bis Berlin in die Zentralbibliothek durch kämpfen. Das beste Arsenal für die Fernsehzombieapokalypse.“
Jay: „Warum schickt denn die Regierung nicht Truppen aus um uns zu retten?“
Hass: „Hehehe. Meinst du nicht ernst, oder Junge?“
Stille.
Hass: „Wen sollen die denn schicken? Die deutschen Bücherwurm Brigaden? Nee Junge, wir sind auf uns gestellt.“
Als wir zur Haustür hinaus stürmen, da erkenne ich erst das eigentlich Ausmaß der Katastrophe. Die Fernsehzombies (im Folgenden Fombies genannt) sind alle neben ihrer äußerst blassen Haut mit Mutationen entstellt. Kleine Antennen auf dem Kopf und Monitore in den Bäuchen, auf denen das allerfeinste Intelligenzallergikerprogramm läuft. Wie Teletubbies sehen sie aus und ächzen und entwegt: „Feeeeeernnnnnseeeehennn.“ Ganz selten hört man auch den Namen einer Sendung, ich kenne diese Sendungen aber nicht mehr gut genug, um mich zu erinnern.
Hass: „Also, immer feste mit dem Buch auf die Birne und auf gar keinen Fall lange in die Monitore schauen. Sonst wirst du ruckzuck einer von denen. Auf geht es.“
Nach den ersten Paar Fombies bekomme ich sogar ein wenig Freude daran die Leute mit „Bildung“ zu verprügeln, suche aber immer Schutz in der Schneise, die der Hass durch die Fombies pflügt.
Einige Zeit kämpfen wir uns durch die Mengen und nehmen immer wieder traurig zur Kenntnis wie viele betroffen sind und freuen uns aber über jeden, den wir nicht finden können. „Bestimmt sind sie entkommen.“, sagen wir dann, tragen aber immer das mulmige Gefühl mit uns herum, uns selbst zu belügen.
Nach einer unruhigen Nacht in der Essener Stadtbibliothek beschließen wir uns an Städten mit Universitäten entlang zu hangeln auf unserem Weg nach Berlin. Unser erstes Ziel soll Münster sein.
Jay: „Auf nach Münster!“
Ich zeige in die Himmelsrichtung in der ich Münster vermute, doch der Hass geht genau in die entgegengesetzte Richtung los.
Hass: „Hier geht es lang, Junge.“
Irgendwie bekomme ich spontan Lust mir selbst mit dem Atlas vor den Kopf zu hauen. Vielleicht färbt ja ein bisschen Geografie ab. Aber in dem Moment wo ich es in Erwägung ziehe, da hören wir ein regelmäßiges lautes Brummen oder Rotieren. Ich orientiere mich zum Hass, der deutet aber nur an den Horizont über dem Hauptbahnhof. Ein Helikopter, der genau auf uns zu steuert.
Ich werde ein wenig nervös, denn eine so spannende Szene, die habe ich in der Realität noch nie gesehen. In Büchern oder im Ferns....Wir hatten beschlossen dieses Wort nicht mehr zu sagen oder gar zu denken.
Mit den Büchern schützen wir unsere Augen vor dem Wind, denn der landende Helikopter machte, doch aus dem Augenwinkel sehe ich einen alten Bekannten.
Jay: „Imperator? Du?“
In einer Uniform steht er an der Kante des Truppentransporters und winkt uns lachend und Zigarre rauchend zu.
Imperator: „Na los. Steigt ein. Das Baby hier hat kein Automatisches Büchergeschütz. Wir sind schutzlos.“
Als wir einsteigen lacht der Imperator schallend und wirft wie eine Dampflok kleine Wolken aus. Überall an seiner Uniform sind Taschenbücher angebracht und in seiner Hüfte hängt im Halfter ein dickes Naturwissenschaftslexikon.
Imperator: „Gut, dass ihr es geschafft habt. Die neue Regierung schickt uns, um die letzten Verbliebenden zu finden.“
Jay: „Die Regierung? Seit ihr etwa die deutschen Bücherwurm Brigaden?“
Der Hass und der Imperator sehen mich gleichermaßen verwirrt wie auch wütend an. Ist wohl immer noch keine gute Zeit für Humor.
Imperator: „Nein, Jay. Seit Jahren gab es Menschen in leitenden Funktionen, die befürchtet haben, dass so etwas passieren würde. Damals dachte man noch, es gäbe einen Virus, der sich über die Luft ausbreiten würde, wie eine Grippe, aber jetzt wissen wir, dass der Kampfstoff sich übers Fernsehen ausbreitet. Die Radiowellen sorgen für eine Umstrukturierung der Hirnwellen und....“
Hass: „Weshalb sind wir verschont geblieben?“
Imperator: „Vermutlich habt ihr einfach zu wenig fern gesehen. Ihr habt echt Glück, es haben wirklich nicht viele überstanden.“
Jay: „Das.....das ergibt doch alles keinen Sinn. Radiowellen? Hirnwellen? Der Imperator arbeitet für eine Regierung? Und warum kennt er sich mit so was aus? Ich dachte, du hättest was ganz anderes studiert. Und.....Ich verstehe nicht.“
Imperator und Hass: „Natürlich nicht, Junge. Weil du den ganzen Quatsch hier nur träumst.“
Augenaufschlag.

Schweißgebadet spring ich mit dem Kopf von der Tastatur auf. Ich schnapp meine Jacke und meine Geldbörse, schau skeptisch aus dem Fenster nach Fombies und fahre dann auf direktem Weg in die Stadt: Bücher kaufen.

Kommentare

  1. Hört sich an, als müssten wir bald einen Independent Film drehen.

    Find ich aber schon konsequent von mir mich durchs ganze Rhein- und Ruhrgebiet zu dir durchzuprügeln.

    Sehr gute Idee von dir mal verrückte Träume aufzuschreiben. Leider ist dieser Traum wohl fast Wahrheit, wenn man mal das Teletubbies Outfit weglässt.

    2 KlugscheißerAnmerkungen noch: "Seid Jahres gab es Menschen..." SeidSeit.de & "Wenn sollen die denn schicken?" Eher "Wen".

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  2. Der Imperator ist die Regierung *Jay ein Taschenbuch an den Kopf werf*

    Habe mich köstlich beim Lesen amüsiert. Leider steckt da viel Wahrheit drin. Und so lange ich nur in deinen Träumen Zigarre rauche kann ich auch damit leben ;-)
    So ich geh jetzt ein paar Fombies killen. ^^

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  3. Danke für die Korrekturhinweise.

    Erfreulicherweise träume ich sowas nicht tatsächlich. Dann wäre ich schon nach Poetmon zum Psychologen gegangen.

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  4. Anonym19.4.10

    Zum Psychologen solltest dringend gehen xD

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  5. Anonym19.4.10

    nieder mit dem fernsehen, ein hoch auf die die videospiele

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  6. An Anonym:
    Ein Hoch auf die Videospiele würde ich so pauschal auch nicht unterschreiben, aber da darf man wenigstens wirkich interagieren und die haben nicht den Anspruch (oder täsuchen ihn vor) die Realität wieder zu spiegeln.

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  7. "Irgendwie bekomme ich spontan Lust mir selbst mit dem Atlas vor den Kopf zu hauen. Vielleicht färbt ja ein bisschen Geografie ab." > Mein Lieblingsmoment!

    An ein paar Stellen kann man vielleicht noch Feilen, aber deine Ideen sind wirklich klasse!

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