Leere S-Bahn

Die stahleisernen Hammerbolzen stehen unbeeindruckt in morschem Holz.
Gleise oxidiert und so wunderschön, dass sie nur nach jeglicher Entgleisung schreien.
Die Weichen so hart eingerostet, dass jeder Gedanke an Umstellung sie brechen, bröseln und vom Wind davon tragen lässt.

Leere S-Bahn in der Nacht
In der nie einer lacht
In der nie einer weint
Leere S-Bahn in der Nacht
Wo sie so viel dunkler scheint

Lange wurde hier keine Person noch Persönlichkeit transportiert und schon ewig nicht mehr gut noch Güter.
Hier gibt es weder An- noch In-
Diese Strecke hat keinen Halt.
Hier gibt es nichts zu strecken
Vor allem aber kein Netz

Leere S-Bahn in der Nacht
In der nie einer lacht
In der nie einer weint
Leere S-Bahn in der Nacht
Wo sie so viel dunkler scheint

Leere S-Bahn, Nacht
Ein Geisterzug
Keiner lacht
Denn wo keiner sitzt ist keiner klug
Nacht, leere S-Bahn
Du Vagabund
Auf einer Reise ohne Ziel
Hält an keinem Bahnhof und das ohne Grund

Kein Strom auf keiner Leitung
Und da ist auch nirgends Bremssand auf geschienten Schienen
in denen selbst der Lochfraß löchrig ist
Und zwischen Holzbalken die sich nicht ein mal mehr selbst für Holz halten
Liegen stumpfe Steine mit so viel Moos bedeckt, dass sie nicht wie Steine scheinen

Leere S-Bahn in der Nacht
In der nie einer lacht
In der nie einer weint
Leere S-Bahn in der Nacht
Wo sie so viel dunkler scheint

Wo die Nacht viel dunkler scheint
Weil nicht mal einer weint
Weil hier keiner niemals lacht
Wo niemals keine Durchsage erklingt
Was haben wir nicht durchgemacht
Wo niemand betrunken falsche Lieder singt
Wo kein Schaffner nach keinen Karten sinnt
Wo kein einziger Mülleimer nach Asche stinkt
Wo kein niemand zwischen die Sitze kotzt
Von Außen keiner einer an die Scheiben rotzt
Wo kein jemand neben die Toilette pisst
Wo alles zweite Klasse ist
Denn das Licht ist aus
Und das Abteil ist Tod
Keine Eisenbahnromantik im Abendrot
Keine Miniaturen im Hobbyraum
Die S-Bahn fährt leer
Ohne Fahrkarte durch den Schattenschaum

Leere S-Bahn in der Nacht
In der nie einer lacht
In der nie einer weint
Leere S-Bahn in der Nacht
Wo sie so viel dunkler scheint

Leere S-Bahn in der Nacht
Dich verpassen ärgert nicht
Leere S-Bahn in der Nacht
Denn Ich will hier weg
und
Du bist ich

Kommentare

  1. Anonym29.8.10

    Den Text musst du unbedingt auf deiner nächsten Lesung vortragen.

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  2. Das "Du bist ich" kommt 'n biiiisschen komisch rüber wenn man bedenkt, dass du vorher noch von vollgekotzt, angerotzt, bepisst, Aschegestank etc schreibst...

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  3. An Meadow: Manchmal fühlt man sich aber auch einfach so. Da ist es in einem drin echt nicht schön.

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  4. Anonym30.8.10

    Ich fahr selber oft mit der S-Bahn und finde de Text echt gut.
    Vor allem das Ende regt total zum Denken an.
    Mach weiter so! :)

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