Rezension: Der spazierende Mann


Comics bringen Action und Bewegung in Bilder, wenn man so will auch in Bilderbücher. Sie präsentieren uns einzelne Abschnitte einer Handlung und überlassen den Schwung und das Tempo unserer Fantasie. Über all die Jahre hinweg stecken Action und Tempo tief in den Bildern und machen uns gierig nach dem nächsten Bild. Selbst wenn Dagobert Duck mit seinen Neffen Schätzen nach jagt, dann jagen wir in hohem Tempo über die Seiten. Genau wie unsere Welt sind Comics rasendschnell geworden. Zeit, das jemand die Bremse anzieht.


 Jiro Taniguchi, ein japanischer Mangaka erzählt in "Der spazierende Mann" keine wirkliche Geschichte, eher bietet er kleinere Episoden eines Menschen, der viel mehr sieht und weniger übersieht.
Der Protagonist, ein japanischer Bildungsbürger, bleibt dabei namenslos und äußerst blass. Zwar erfährt man, dass er relativ frisch umgezogen ist und mit seiner Partnerin zusammenlebt, sonst allerdings kann man nicht sonderlich viel erfahren.
Und das ist auch gar nicht notwendig. Es geht viel weniger um die großen Geschichten des Lebens in diesem Buch, sondern um die Geschichten, die so klein sind, dass nur der Moment sie einfangen kann.
Deshalb findet man sich immer wieder im Kopf des spazierenden Mannes wieder, um mit eigenen Augen sehen zu können, wenn er mit einem Fremden Vögel beobachtet oder Schneeflocken auf seiner Brille landen. 
Durchgehender Faden der Episoden ist Taniguchis Zeichenkunst, die sauber und unaufgeregt ist. So zeichnet er Bäume, Vögel und Gebäude zwar im äußersten Detail, doch niemals zu aufdringlich. Dass, entgegen dem Einband, die gesamte Graphic Novelle uncoloriert ist verstärkt den Effekt der tollen Bilder nur.
Taniguchi gelingt dabei mit diesem Band den Leser tatsächlich zu entschleunigen. Einzelne Bilder bringen zum Staunen, andere zum Erinnern: An Orte die man selbst gerne besucht oder auch Erlebnisse eigener Spaziergänge. Die Bilder bedienen dabei aber nicht nur die einfache Vorstellung es wäre nur im Ländlichen schön, nein, Taniguchis Charakter hat einen starker Entdeckersinn und ringt so auch immer wieder der Stadt zauberhafte Orte und unerklärte Details ab.
Die meisten Charaktere bleiben sehr ruhig und still, mit einfachen Strichen gezeichnet, ohne irgendwelche emotionalen Darstellungen, wie man sie aus japanischen Comics kennt (Keine Tropfen, Schatten oder Wölkchen zum Ausdrücken von Emotionen).

Es ist schwer "Der spazierende Mann" und auch das besondere Gefühl beim Lesen in einer Rezension einzufangen, daher empfehle ich einen Kauf jedem, der ein Auge für die Umwelt hat, oder dringend eine Pause braucht. Der Preis von 14 Euro ist für eine Graphic Novelle nicht nur angemessen, sogar auch günstig.
Den "Wiederlese"-Wert des Buches kann man ganz verschieden bewerten, aber ich persönlich werfe immer wieder einen Blick ins Buch, vor allem, wenn das deutsche Wetter einen echten Spaziergang nicht erlaubt.

Kommentare

  1. Sehr schöne Rezension, Jay. Du hast dein Ziel erreicht; mein Interesse ist geweckt.

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  2. Ein interessanter Ansatz vom Autor und eine gute Rezension von dir - zum Kauf reizt mich das Werk nun gar nicht, dafür klingt das Darüberreden noch spannender.

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  3. Danke für diese Vorstellung! Ich steh auf außergewöhnliche Bücher (außer Fantasy) und dies ist definitiv eines!

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  4. Danke sehr.

    An Citara:
    Man muss ja auch nicht alles kaufen. In unserer Stadtbibliothek kann man es zum Beispiel auch ausleihen.

    An Me:
    Bitte sehr, sehr gerne.

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  5. Da beneide ich dich um eure StaBi.

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  6. Wow, interessantes Buch. Danke für den Tipp!

    lg, Cara

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  7. An Cara:
    Gerne. Fände eine Rezension durch dich auch sehr spannend. ;)

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