Papiertiger


Mein Kopf ist so leer,
wie vor mir das Stück Papier.
Komm großer Papiertiger,
komm und stärk’ ihn mir!

Und ich starre und warte,
dass er wittert die Fährte,
dass sich die Blockade im Kopfe,
jetzt nicht auch noch verhärte.

Und es beginnt tigerig zu riechen
Und es rascheln papierene Klauen.
Er kommt tatsächlich zu mir,
was mich aufhält verhauen.

Und ich drehe mich nicht um.
Lass ihn friedlich anrücken,
habe keine Angst vor ihm.
Tatzen die auf Augen drücken.

Sanft wiegt er mein Gesicht
und beginnt sein Werk:
Spricht mit entschlossenen Worten:
"STÄRK! STÄRK! STÄRK!"



Und langsam spüre ich die Poesie,
wie die Worte in meinen Kopfe steigen,
ich nehme den Stift in die Hand
und beginne zu schreiben:

"An einem kalten Herbstentag,
da spreche ich zu dir ganz leise"
Doch der Papiertiger unterbricht:
"Zwei Zeilen und schon Scheiße?

Herbstentage?
Was soll das sein?
Es heißt Herbsttag,
da kommt kein "e-n" hinein.

Und da spreche ich zu dir ganz leise?
Wispere, hauche, säusele in das Ohr
Und ich garantiere dir,
Sie ist nach zwei Zeilen an dich verlor'n!"

Ich kräusele meine Stirn,
Aber vermutlich hat der Papiertiger recht.
Ich wollte seine Hilfe haben
Und er ist auch schon ewig im Geschäft.

Ich streiche die beiden Zeilen,
Suche einem neuen Verlauf,
Und nach kurzem Überlegen,
nehme ich den Stift wieder auf:

"An einem Herbsttag säusele ich zu dir,
aus tiefster Liebe,
dass mir das Herz auf ging,
wenn sie für immer bliebe."

"Bist du Chirurg oder was?
Oder warum geht das Herz auf?
Das ist vollkommen widerlich,
Da kommt mir nur die Kotze rauf!

Und was soll das "wenn"?
Das ist doch konditional,
heißt es wenn die Liebe nicht bleibt,
ist es auch egal?"

So unterbricht mich der Tiger,
schon wieder.
Gerade wäre mir die Ruhe,
dann doch etwas lieber.

Aber ich streiche wieder die Zeilen
und versuche es erneut,
vielleicht zeigt sich der Tiger,
ja jetzt endlich erfreut:

"Ein Tag im Herbst,
an dem du mich umgibst.
Da säuselt mein warmer Hauch
wie sehr ich doch verliebt."

Ich treffe des Tigers Augen
Hoffe dass er nickt
und tatsächlich nickt er sagend:
"Dir hat ordentlich einer das Gehirn ge-"

"NEIN. Hat man nicht.",
denke ich aber nur
balle meine Geduld
und verfolge des Tigers Spur:

"Der Reim ist schief,
der Ausdruck auch,
Und verdächtig nach Furz,
klingt dein warmer Hauch.

Halte es doch kurz und einfach
Du kannst doch zu den Fakt stehen
Du findest die Frau gut
Und willst sie möglichst nackig sehen."

Meine Hände zittern,
in der Poetenehre angegriffen,
Natürlich liegt er falsch
er hat mich einfach nicht begriffen.

Ich halte es nicht mehr aus,
was soll das mit dem Tiger noch:
"Ich habe dich zwar gerufen,
aber verzieh dich, Arschloch!"

Und der Tiger grinst mich an
und der Tiger geht nicht:
"Ich bleibe, mein Freund.
Los, schreib ein besseres Gedicht."

"Warum sollte ich?
Es würde dir eh nicht schmecken,
Würdest deine scharfe Krallen
wieder in meine Lyrik stecken.

Mich peinigen, verlachen,
wirfst mit deinen Worten meine um
Egal was ich schreibe,
du findest es nur dumm.

Ich meine, was soll ich tun
Wie soll ein gutes Gedicht aussehen,
Wenn alle meine Worte,
einzig aus Fakten bestehen?"

Erzürnt reiße ich den Stift,
Schlage auf das Papier ein:
Wedel vor seiner Nase
Sollte das nun gute Poesie sein:

"Es ist Herbst,
Ich hab dich lieb'
und auch deinen Hintern:
Schön, dass es euch gibt."

Der Tiger schüttelt den Kopf
Hebt gerade den Finger:
"Dass ist gar nicht schlecht,
aber vergiss nicht ihre Ding-"

Da platz mir der Kragen,
mir reißt am Hut die Schnur,
Ich setze ihn vor die Tür
was dachte ich mir nur.

Was für ein Unsinn,
Der redet auch nur Mist,
Was denkt dieser Tiger,
wer er eigentlich ist?

Wandert durch die Welt,
Hilft Poeten überall,
in tiefster Verzweiflung,
jedem noch so schlimmen Fall.

Und dann vergeht mir die Wut,
irgendwie fühle ich mich matt,
natürlich hat er von alldem genug,
Er ist erschöpft und einfach nur platt.

Ein Leben voller Hektik,
er rennt von Termin zu Termin
und eh ich mich versah,
hatte ich ihm auch schon verziehen.

Verzogen hatte er sich dann,
weil man ihn woanders hingebeten,
Bestimmt war er jetzt noch erledigter.
Ich habe ihn verbal zusammen getreten.

Als Wiedergutmachung,
Wenn auch nur ein schwacher Dank,
habe ich seine Ratschläge,
jetzt doch final angewandt

Und präsentiere in reinstem,
knappen Faktenstil
Das Papiertigergedicht,
nur für ihn aufgespielt:

"Es ist Herbst.
Die Blätter fallen.
Draußen ist es kalt,
Komm wir gehen rein und

Ende.



Kommentare

  1. ... und backen Kekse. Denn das macht man doch im Herbst, oder? ^^

    Ein süßes Tierlein hast du da erfunden.
    Stilistisch bist du wie immer sehr gemischt und sprunghaft, nicht unpassend, wie gewohnt und ohne konditional.

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