Wie die Straßen von Rom

Vor kurzem noch, ich wurde dafür gelobt Menschen in meinem Umfeld immer aufbauen zu können, immer ein Lob parat zu haben, eine positive Wendung, da wurde mir nach gesagt, ich hätte "das Herz eines Poeten". Ich habe mich darüber gefreut, war stolz, was für ein toller Titel, was für eine Auszeichnung. Gäbe es einen militärischen oder staatlichen Orden für Schreiber, wäre es garantiert "Das Herz des Poeten am goldenen Band". Selten hat man mir einen schöneren Beititel gegeben und glaubt mir, davon hatte ich schon reichlich. Spitznamen, die von "Spidey" über "Igor" bis hin zu meinem aktuellen Favoriten: "Der Diplomat" waren viele Sachen dabei, aber "das Herz eines Poeten"? Wundervoll.
Und so falsch. Anatomisch vollkommen unkorrekt. Selten habe ich mich verkopfter gefühlt, als wenn ich schreibe oder es zu mindest versuche. Dies hier ist alleine der achte Versuch etwas zum heutigen Wort zu schreiben. Woran ist es vorher gescheitert? Am Kopf.
Erst wollte ich etwas über mich schreiben, eine Ansammlung willkürlicher Fakten, die euch helfen sollten für euch eine Person zu definieren, die sich selbst kaum fassen kann, die sich als unabgeschlossen und schwammig sieht. Aber wer will das schon lesen?
Dann war da die Idee einen bekannten Songtext zu parodieren und etwas über Navigationsgeräte zu machen, also so etwas humorvolles. Aber humorvoll auf Knopfdruck kann ich nicht. Schon gar nicht Texte. Und gezwungener Humor geht einfach nicht.
So geht es auch weiter: Dünne Ideen und kein Plan zur Ausführung.
Aber wie kommt diese Schieflage in der Wahrnehmung zu stande? Wieso sehen die einen "das Herz eines Poeten" und ich aber nur Restrampe und schwache Einfälle? Dazu habe ich eine These.
Ich war vor vielen Jahren in Rom. Ich habe mir ein paar wenige Sehenswürdigkeiten angesehen, mich dann mit Freunden in den Park gesetzt, italienisches Bier getrunken, eine Pizza gefuttert und mich total darüber gefreut, wie wunderschön diese Stadt ist. Da ich Sechzehn oder Siebzehn war, war es auch vollkommen legitim davon aus zu gehen, dass ich irgendwann mal in dieser Stadt leben und sie lieben werde. Ich habe in Rom nur eines gesehen: "Das Herz eines Poeten.", der über viele Epochen hinweg Meisterwerke erschaffen hat, in jedem Winkel jeder Gasse in Architektur, Lebensweise, Farben und Gerüchen definiert hat, was ich als Rom sehe.
Vor gar nicht all zu langer Zeit, vielleicht vor einem Jahr, durfte ich mich dann aber belehren lassen, hatte ich eine Sache nämlich übersehen. Mein Lehrmeister war der Fernsehsender Arte der aus dem Leben einiger aktueller Römer berichtete. Plötzlich, da ich nicht mehr mit offenem Mund nur in den Gassen nach oben sah, sondern die Kamera den Blickwinkel bestimmte, sah ich, wie eine Stadt seit vielen Jahren im Müll versinkt, sah ich schlagartig wie romantisch naiv mein vorheriges Bild war. Warum aber sah ich es jetzt so plötzlich? Weil ich nicht mehr Rom von Außen sah, sondern von Innen.
Mit dem Schreiben ist es dann oft wie mit den Straßen von Rom:
Wer von Außen auf die Texte schaut, der sieht das Schöne, die Architektur, erfreut sich, wenn interessante Werke geschaffen werden, sieht aber nicht, wieviel Müll erst ausgekehrt werden muss, bis die Straßen wieder sauber sind für die Touristen, bis alles wieder so scheint, als würde in dieser Stadt nur "das Herz eines Poeten" schlagen und nicht eine kalte Verwaltung sich an den Infrastrukturen verausgaben.
Während ich also die schlechten Ideen zusammenfege, bleibt mir, bei all der Arbeit, aber ein Grund zu Schmunzeln:
Den Orden "Herz eines Poeten" hatte mir natürlich ein Italiener verliehen.

Kommentare

  1. Dreck zu produzieren gehört bei Ideen dazu. Die müssen erstmal aus dem Kopf, um Platz für Neues zu machen.
    (Entwurf Nr. 2)

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    1. Sehe ich auch so. Der Prozess des Müllproduzierens ist nur kein zufriedenstellender, auch wenn er notwendig ist. Vorallem nicht, wenn man den Berg vor sich wachsen sieht, aber es kaum zu recyclen weiß.

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