Gastbeitrag: Das Paarungsverhalten der Ähms und Öhms

Jeder kennt Sie, die Ähms und Öhms. Sie sind Teil des deutschen Sprachgebrauchs und jeder greift dazu sofern er längere Monologe oder schwer zu formulierende Sätze herausbringen möchte. Diese Verzögerungslaute vermitteln dem Gesprächspartner, dass der Redner einen Satz noch nicht zu Ende gebracht hat.

In vielen Redner-Regeln findet man ständig den Hinweis, dass man diese Wörter vermeiden soll, denn Sie vermitteln eine Unsicherheit beim Vortragenden. Meine Erdkundelehrerin der Realschule war ein Paradebeispiel: in einer 45 Minuten Unterrichtseinheit, in der Sie nicht alleine gesprochen hat, brachte Sie es auf 96(!) dieser Verzögerungslaute. Wir Schüler hatten nach mehreren dieser Stunden die Gewissheit, dass Sie ohne ihr Lehrbuch vollkommen aufgeschmissen war. Ein Praxistest hat dieses auch prompt bewiesen, aber natürlich erinnere ich mich heute nicht mehr, wer ihr Lehrbuch kurzzeitig entwendet hat.


Kommen wir aber nun zum Paarungsverhalten dieser Wörter. Fängt einer der Gesprächspartner erst einmal damit an, dann wird allen anderen Rednern quasi das Signal gegeben, dass Sie sich nun auch mehr Zeit beim Sprechen nehmen können. Das ganze passiert unterbewusst und meist nur ein bis zwei Sätze später hat bereits der nächste Sprecher ein Ähm herausgehauen. Das ganze steigert sich, denn je mehr Ähms wir hören, desto mehr Öhms produzieren wir selbst. Ein geschulter und aufmerksamer Redner kann sich selbst noch während des Sprechens kontrollieren und wird versuchen sich selbst dazu zu zwingen keine Fortpflanzung der Öhms bei sich selbst zu zulassen, allerdings ist dies recht schwierig.

Wenn du in ein Gespräch gehst, kannst du häufig Themen oder Antworten vorbereiten und damit sicher gehen zumindest thematisch sicher zu sein. Spontane Fragen oder Zwischenrufe, die einen aus dem Konzept bringen, wird es immer geben – aber es ist ja auch noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ich rufe dazu auf die hemmungslose Fortpflanzung der Ähms und Öhms einzudämmen! In diesem Sinne: frohes Kommunizieren.


Daniel Buth ist Experte für Microexpressions und Emotionserkennung. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich bereits mit dem Thema Mensch - Konditionierung, Reflexe, Reflextraining, Psychologie, Verhaltensweisen, Emotionen, Körpersprache u.v.m.. Seine Spezialität sind jedoch die menschlichen Gesichter und Lügenerkennung. Mehr zu Ihm und seinen Fähigkeiten erfahrt Ihr unter: www.readingyourface.de
Daniel lebt mit seiner Familie im beschaulichen Celle und verbringt seine freie Zeit gerne mit seiner Frau und den beiden Hunden. Er ist regelmäßiger Kinogänger und genießt gerne das Leben bei einem heißen Kaffee und tiefsinnigen Gesprächen.

Kommentare

  1. 96 in 45 Minuten sind aus eigener Erfahrung noch mittlere Kompetenzkategorie, da geht wesentlich mehr.

    Vorbereitung zur Vermeidung von Ähms und Öhms ist gut, leider sind sie bei vielen Debatten trotzdem nicht unvermeidbar, insbesondere wenn die Debattanten vom eigentlichen Thema abschweifen und immer generalisierender über ein Thema diskutiert bis schwadroniert wird. Man kann schliesslich nicht mehr alles wissen!

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    1. Vielen Dank für den Kommentar!
      Natürlich lassen sich nicht alle Themenstellungen vorbereiten, aber ich hatte ja erwähnt, dass geübte Redner sich selbst korrigieren können. Auch hier gilt: üben, üben,üben.
      Fängt man natürlich an über Themenstellungen zu schwadronieren an kommt dies ja eher einer konstruktiven, kollektiven Denkarbeit gleich, weniger einem Gespräch. Aber schon richtig: auch hier paaren sich Ähms und Öhms!

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