Paradoxon "Qualitätsjournalismus"

Bild: Bokehemia
Ihr kotzt mich einfach nur so dermaßen an, ihr, die ihr Belangloses mit eurer Scheiße zudeckt. Ja genau, Nachrichtenseiten sind mittlerweile zu einem riesigen Haufen Scheiße geworden. Das liegt gar nicht an den Inhalten der Journalisten, sondern vielmehr an den unzähligen Kommentatoren, die meinen, jeden noch so quersitzenden Gehirnfurz niederschreiben zu müssen.

Da gehen Menschen tatsächlich hin, und mokieren sich ausgiebig über Texte von Journalisten, die einmal nicht die Weltkrise umschreiben, sondern einfach, wirklich einfach mal nur eine Rezension zu einer kleinen netten TV-Sendung schreiben. Und was verfassen diese Menschen dann in ihrem Kommentar: Nur herablassende Worte, dass so etwas ja nur "Dünnpfiff" sei, fragen, wer sowas brauche und noch viele weitere Belanglosigkeiten. Dann frage ich mich immer, ob diese Menschen merken, dass sie hier die verachtete mindere Qualität mit eigenen, sogar noch viel unnötigeren Aussagen zu bekämpfen versuchen. Wunderbar paradox ist das, nicht wahr?

Aber es wäre zu kurz gegriffen, wenn man nun allein die Frage entgegnen würde: "Warum liest du den Artikel dann überhaupt, wenn er doch so unnütz ist und dich auch noch dazu 'herablässt', diesen gar zu kommentieren?" Nein, vielmehr geht es hier doch um die Forderung nach "Qualitätsjournalismus". Schenkt man unzähligen Kommentaren Glauben, dürften auf einschlägigen Nachrichtenseiten, die sich Journalismus auf die Fahne geschrieben haben (hier epische Fanfare abspielen), nur Berichte tummeln, die uns stets von der Misere der Welt erzählen, uns Politik näherbringen, uns den Werteverlust unseres Geldes schildern - kurz, die Leserschaft nur mit "harten, wichtigen (und das nun fünffach unterstrichen) bedeutenden News" versorgen.

Und genau das kotzt mich so an, ihr dummen Wichser da draußen, die ihr Nachrichtenseiten mit eurem Gesabbel so verschandelt. Genau diese geforderten Nachrichten gibt es eben auch, sind die Schlagzeilen, die Artikel mit den größten Bildern auf den Hauptseiten. Vor lauter Livetickern zu irgendwelchen weltweit bedeutenden (da haben wir es wieder) Entwicklungen findet man den Sportticker ja schon nicht mehr.

Aber klar, wer seine Nachrichten nur über den Facebookstream oder Twitter bezieht, der wird seltener mit den relevanten Themen maltretiert. Um Gottes Willen, man könnte ja auf die Vermutung kommen, dass die Postings tatsächlich ein wenig auf ein bestimmtes Publikum abzielen.

Ja, auch ich beziehe Nachrichten mittlerweile vermehrt aus meinem Stream, habe Facebook zu einer Nachrichtenzentrale gemacht, in dem ich entsprechende Seiten geliked habe. Und dennoch, Schande über mein Haupt, besuche ich die Webseiten noch so "richtig", schaue mir die Schlagzeilen an, klicke mich durch Artikel.

Und habt ihr mal darüber nachgedacht, dass es auch so etwas wie eine persönliche Relevanz von Themen gibt? Ich interessiere mich beispielsweise für die Fernsehlandschaft. In letzter Zeit gibt es dort mit Second Screen und Streamingangeboten einige extrem interessante und einscheidende Entwicklungen. Und dazwischen gehört dann auch mal ein Artikel, der sich mit Castingsshows beschäftigt, aber nicht das übliche "Hau auf den Bohlen und die Klum drauf"- Gelaber ist, sondern sich konstruktiv mit der Thematik auseinandersetzt und sogar Positivbeispiele dieser Art von Fernsehsendung vor Augen führt. Skandal, wer da denken könnte, der Artikel sei sogar recherchiert worden.

Bei dem Überangebot an Informationen, die der Menschheit heutzutage zur Verfügung stehen, ist Selektion geradezu notwendig, um den Überblick zu behalten, aber auch, um den eigenen Interessen zu folgen und die eben erwähnte persönliche Relevanz von Themen zu wahren. Für den einen gehören da eben mehr News der Autobild zu als die Leitartikel der FAZ, andere verfolgen den Börsenticker interessierter als die Zwischenstände der deutschen Fußball Bundesliga.

Ja um Himmels Willen, darum gehts doch: Aus dem umfassenden Angebot für sich die Informationen herauszuziehen, die ich haben möchte. Das Schlimme ist, dass ich dann plötzlich doch wieder bei der Frage lande: "Warum liest du den Artikel dann überhaupt, wenn er doch so unnütz ist und dich auch noch dazu 'herablässt', diesen gar zu kommentieren?"Da muss ich ja fast glauben, dass diese Menschen bewusst nur nach den "dünnen" Artikeln suchen, die keine geistigen Höhenflüge sind - auch wenn sie zuweilen sprachlich immer noch weit über den Ausformulierungen der Kommentare liegen - um dagegen zu ätzen.

Das ist nicht konstruktiv, hilft weder dem Autor noch dem Leser. Und das nervt, Freunde. Haltet doch einfach mal die Goschen, lest eure Weltschmerz- und Untergangsszenarien und verteilt dort eure Exkremente. Denn wir wissen ja, dass ihr auch mit diesem hohen Qualitätsjournalismus nie zufrieden sein werdet, weil er nicht eure Meinung vertritt, irgendwas falsch dargestellt wurde, oder, und das ist der anscheinend schlimmste Fauxpas von allen, ein Rechtschreibfehler im Artikel zu finden ist. Da wird gleich der Untergang der westlichen Zivilisation ausgerufen, irgendwo versteckt zwischen den ganzen Hasstiraden von dauermeckernden Vollpfosten.

Wo sind die Diskussionen hin, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, zum Meinungsaustausch einladen, den Artikel erweitern oder auch mal widerlegen? Sie sind durchaus da - irgendwo zwischen dem ganzen Haufen Scheiße der vielen Kommentatoren. Man muss nur tief genug buddeln, dann findet man auch in diesem riesigen Haufen Mist so manches Goldstück. Ist die Frage, wie viel Freude es noch bereitet, danach zu suchen, wenn die Ausscheidungen der meisten immer dünner werden und alles andere wegschwemmen. Da könnte man fasst behaupten, dass sei alles überflüssig.

Ihr kotzt mich einfach nur so dermaßen an, ihr, die ihr Alles mit eurer Scheiße zudeckt.

Kommentare

  1. Guter Artikel! Ich stimm dir zu, viele Kommentare sind Mist, deswegen lese ich beispielsweise auf FAZ keine mehr. Vielen scheint nicht klar zu sein, dass nicht jeder jede information konsumieren muss. Leider hilft da auch keine konstruktiv gemeinte Kritik, sondern nur Ignoranz.

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  2. Danke! Ich finde es einfach immer total schade, dass die wirklich guten, konstruktiven Kommentare, die es ja durchaus gibt, in der Masse belanglosen und oftmals auch unnötigen und beleidigenden Gebrabbels Vieler so untergehen. Daher bin auch ich dazu übergegangen, die Kommentare zu ignorieren, als mich jedes Mal darüber zu ärgern.

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