Musik zu der ich zurückkehre: The Music

In dem Stück "Under the Influence" von den Chemical Brothers gibt es nicht viel, bis auf diese eine Stelle bei 3:17. Es ist genial. Eine besondere Nuance, wenn an der Stelle ein Scratchen zu hören ist, dann der Rücklauf einer Schallplatte und die Musik dann nur kurz rückwärts läuft. Das wiederholt sich innerhalb von ein paar Sekunden dreimal und dann geht das Stück ähnlich gleichförmig wie vorher weiter. Ich liebe dieses Stück, nur wegen dieser Stelle und höre es komplett, wenn es mir auf meinem MP3-Player begegnet, nur, weil diese paar Sekunden so genial klingen.

Manchmal kann ein einzelnes Detail im Sound mich so faszinieren, dass es mir ganze Alben verkauft. Die Chemical Brothers sind da nicht das einzige Beispiel in meiner Musiksammlung. Bei der Band die ich euch heute vorstellen möchte, war es anfangs auch nur ein Detail, das mich angefixt hat.


Es war eine meiner defekten Freitagnächte, an denen ich keine Verabredungen hatte und immer wenn ich gerade Pause vom Zocken brauchte, rüber ins Fernsehen umschaltete. Hätte ich einen Bild im Bild-Fernseher gehabt, wäre das damals vermutlich mein Heiligtum gewesen. So oder so, mein Wechsel bestand zwischen Tony Hawk's Skate Boarding und passenderweise einer Aufzeichnung der X-Games bei Eurosport.
"Hey Monday Morning
See what your missing
I can't life my live like this boy
I say, Hey little Lady
See what your missing
I can't get enough of your love "
Aus "The People"

Eurosport hatte damals so eine Art von Sendungshybrid aus Live-Reportage und Let's Play-Video, in dem ein Kommentator im Studio, der per E-Mail und Twitter angeschrieben werden konnte, die Events der X-Games in Kalifornien kommentierte und dabei aber auch als DJ fungierte, der eine Playlist mit verschiedensten Stücken abspielte. Ich bedanke mich an dieser Stelle mal an den unbekannten Helden, der in einem Segment fragte, was da denn gerade für ein geniales Stück im Hintergrund liefe.

Ein richtig treibender Gitarren-Track, darauf eine seltsame Stimme, von der ich mir sicher war, sie wäre verzehrt, mindestens aber nachträglich mit Hall verändert worden, genau wie die Gitarren, die auch einen seltsamen, weil seltsam fesselnden, Hall im Gepäck hatten. "Das ist The People von The Music", sagte der Sprecher im Fernseher und ich hatte eine Mission.

Ja, damals war das anders. Heute würde mensch das bei Google oder Amazon eingeben und warten, bis bei denen einer eben alles zur Band raussucht. Das ging früher auch, aber leider wohnte Amazon damals noch zur Untermiete in einer Abstellkammer. Alles bei Amazon kaufen, so wie heute, das ging nicht.

Ja, damals war der Einzelhandel besser auf exotische Anfragen vorbereitet, als die Internetverkaufshäuser und daher wendete ich mich an meinen Einzelhändler des Vertrauens. Was in diesem Fall keine Übertreibung ist. Wenn ich in der Musikabteilung vom Saturn in Essen früher am Info-Schalter auftauchte, brachten die Verkäufer oft einen Notizblock mit.

The Music wurde sogar für mich aus U.K. bestellt, obwohl ich die CD erstmal nur Probe hören wollte, aber die Verkäufer kannten mich dann schon gut genug, denn daran dass ich Scheiben, die ich probehöre am Ende auch kaufte, bestand eigentlich nie ein Zweifel.

Dieser Hall war nicht nur eine Sache eines einzelnen Liedes. Der Hall war das Markenzeichen von The Music. Hört nicht auf die Musikpresse von damals, die meinten, dass der Ravestil hinter den Gitarren das Besondere wäre – tatsächlich traten The Music damals auch auf Techno-Parties auf – da sie so diese trancigen Elemente des Elektros aufnehmen; hört da nicht drauf. 


 

Das Besondere ist der Hall. The Music klingen in jedem Lied auf jedem Album so, als würden sie von einem Berg herab zu dir spielen. Und zwar aller feinsten Rock. Nicht besonders hart, nicht besonders poppig, eigentlich gar nicht besonders, nur halt sehr treibend und ja, ravig. Darauf die Stimme des Sängers, der gar nicht so sehr verzerrt wurde, sondern einfach nur sehr einmalige Stimmbänder hat. Und Brite ist. Das hilft nicht unbedingt beim Singen – wobei es auch selten schadet – stattet aber im besten Fall mit einem interessanten Dialekt aus.

Erst später, immerhin spielen die hier beschriebenen Ereignisse zwischen 2002 und 2008, habe ich begriffen, das The Music noch ein wenig mehr sind, als ein Effekt aus der Hallmaschine. Neben einer fast traditionellen Rockmusikbauweise, den (mich) treffenden Texten und dem bereits erwähnten ravigen Sound – der nicht so elektrisch klingt, wie zu befürchten sein könnte – hat die Musik von The Music nämlich auch eine Sache, die immer gefällt: Explosionen.

Genau. The Music hat in fast jedem Lied mindestens eine Explosion und das ist super. Also, nicht so eine Explosion als Geräusch, sondern eine Stelle im Lied wo sich alles schlagartig ausdehnt und nochmal ein wenig heftiger wird. Nicht so stark, dass es in heutige Metal-Regionen eintaucht, aber so, dass das Bein nicht mehr stillhalten kann und mensch mitsingen möchte, auch bei vollkommener Textunkenntnis.

Daher sind die Alben von The Music für mich auch ganz große Motivationsmusik. Beim Joggen oder wenn ich die Jungs – inzwischen dann ohne Bildwechsel – beim Konsolenspiel höre, glaube ich zumindest, meine Leistung würde sich verbessern.

Wie auch schon bei Automato, ist dies hier auch ein nekromantischer Beitrag. Ich wünsche mir, dass ihr die Alben von The Music kauft und damit den inzwischen getrennten Bandmitgliedern zeigt, dass es sich lohnen kann wieder zusammen ins Studio zu gehen. Verstorbene Bands gehören wieder zu den lebenden beschworen! Bitte helft bei diesem dunklen Ritual!



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