SOHN - Tremors


Ja, ey, was mach ich denn jetzt? Die wollen hier von mir eine Musikrichtung haben. Und der Typ, der netterweise in der Online-Datenbank schon die Sachen eingepflegt hat, der hat kein Genre angegeben. Alle Lieder sind richtig benannt, die Tracknummern da, der Interpret, aber da steht keine Musikrichtung. Was trag ich da denn jetzt ein? Echt mal?

Tut mir leid SOHN, aber es passt einfach nicht. Du passt in keine Schublade. Selbst bei mir nicht und ich mache es mir für gewöhnlich schon leicht.

Viele Musikrichtungen gibt es in meiner Medienbibliothek nämlich nicht. Pop, Rock, House, Hiphop, Soundtracks und dann die Mash-Up-Exoten. Und jetzt kommt dieses Album um die Ecke und ich habe keine Ahnung was ich tun soll.

Wenn SOHN mit seiner zarten weichen Stimme verführt, zauberhafte und melancholische Texte singt, dann erwarte ich eine der unzähligen gequälten Singer-Songwriter-Gitarren, die ich eigentlich nicht mehr hören kann, weil jeder wuschelköpfige Hobbypoet inzwischen als Neuzeit-Barde von Kleinstadt zu Kleinstadt wandert und den Leuten ins Ohr weint. Textlich mag das oft gar nicht mal so verkehrt sein, manche von denen wurden sogar mit einer tollen Stimme beschenkt, aber auf den Gitarren wird dann immer das selbe zusammen geklampft oder eine Band, die nicht cool genug ist um Teil des Künstler(-namens) zu sein muss es musikalisch raus reißen. Nicht so bei SOHN.

Wenn dann die Musik nämlich anfängt, kommt es einem plötzlich vor, als würde da eine Schallplatte mit den schönsten Polyphonen Klingeltönen im Hintergrund abgespielt und gelegentlich stößt jemand gegen den Tisch, damit das Teil auch noch ein wenig springt. Kein Scherz. Hinter SOHNs grandiosem Gesang, der auch durchaus ein Orchester verdient hätte, läuft feinsinnige elektronisch Musik, die sich manchmal in düstere Tiefen stürzt, dann aber auch wieder verspielt, ja fast schon kindisch ist und dann, ganz heimlich, schleicht sich als Sample doch ein wenig Gitarre mit ein, aber ganz weit hinten. Versteckt. Entweder als Versuch mich wieder für die Hipster-Gedicht-Heulsusen zu sensibilisieren oder einfach, um mich nicht vergessen zu lassen, was für eine Breitensportler die Gitarre als Instrument ist.

Ja, jetzt haben wir also feinen Gesang auf elektronische Musik. Das ist also Vocal House. Nee. Irgendwie nicht. Na, dann ist es wegen der Eingänigkeit Pop. Nee. Voll nicht. Es ist....SOHN. Hunderte von Musikern geben in ihren ersten Interviews an, dass sie in keine vorhandene Schubalde passen wollen. Ich weiß nicht was SOHN in seinem ersten Interview gesagt hat, aber er dürfte diesen Titel aus meiner Sicht für sich verbuchen.
"Künstler der in keine Schublade passt"
Aber neugierig macht. Und das sehr genial. Denn auf meinem heißgeliebten Soundcloud zeigt er dann nicht nur, wie er seine Musik macht sondern auch noch die Stücke von anderen Künstlern veredelt. Es wäre jetzt so leicht hier ein Stück zu teilen, in dem er alleine unterwegs ist, aber ich möchte euch seine Arbeit mit der Sängerin Banks präsentieren, die mich ebenfalls nachhaltig beeindruckt hat. Also Sängerin UND Stück.



Tief, treibend, toll konstruiert. Ja, die Musik ist konstruiert. Definitiv. Hier schreibt kein brennender Musikliebling Noten, sondern ein Architekt baut musikalische Gebäude in unsere Ohren. Und diese, wie Gebäude nun mal so sind, sind auch funktional. So übertragen die Stücke immer eine ganz eindeutige Stimmung.

Und damit ihr nicht mit der tiefen melacholischen Stimmung von Waiting Game allein gelassen seid, gebe ich euch zum Abschied das fröhliche Stück "The Wheel" von SOHN mit. Aber lasst euch nicht täuschen, den der Text ist nicht so richtig fröhlich. Wenn auch mir seine inhaltliche Konsequenz gefällt.

So. Was mache ich denn jetzt? House? Pop? Singer-Songwriter? Ist das hier was neues? Singer-Housebuilder? Ach komm, ich lass das einfach offen, bis die Musikjournalisten sich irgendwas für SOHN haben einfallen lassen. Die kriegen den talentierten Kerl aus Wien schon in irgendeine Schubalde rein gehämmert. 

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