Poetry Slam von Innen: Sim Panse über Jens Kotalla


Einmal, als ich Jens zu einem Slam einlud, habe ich seinen Namen auf den Flyern falsch geschrieben.

So etwas passiert schon einmal; gerade wenn jemand bei Facebook einen anderen Namen nutzt, als den, den seine Eltern ihm mitgaben. Jens und ich kannten uns zum Zeitpunkt an dem ich ihn einlud zwar schon eine Weile, und auch als ich die Flyer entwarf, wusste ich sowohl wie Jens richtig hieß, als auch wie viele Haare auf seiner Brust wuchsen. Genau 71 078 Haare. Diesen Fakt habe ich mir zwar ausgedacht, aber er steht repräsentativ für viel langweiligere Fakten, die ich über Jens weiß. Und die vermutlich niemand lesen möchte. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ebenso wenig jemand über Jens Brustbehaarung lesen möchte; aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden. Hier jedenfalls wird es auch weiterhin um Brustbehaarung gehen.

 Jens jedenfalls benutzte zu der Zeit zu der ich die Flyer entwarf, den ausgefuchsten Trick Reihenfolge und Anzahl einiger Buchstaben seines Nachnamens zu vertauschen, damit seine zahlreichen Fanboys (Brustbehaarung!!!) nicht seinen persönlichen Netz-Account fänden, sondern ihm ihre Liebesbriefe nur über seinen, ausschließlich zu diesem Zwecke angelegten, Künstleraccount zukommen lassen konnten. (Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Jens diese Briefe des Nachts liest, während er sich auf erotischste Art und Weise seine Brustbehaarung krault!) Wie dem auch sei; Jens hieß bei Facebook „Kolatta“ mit Nachnamen und in einem kurzen, aber sehr dauerhaften Anfall geistiger Umnachtung tippten meine schwitzigen Wurstfinger diesen Namen auf die Flyer und bestellten sie schließlich. Als Jens meinen Fauxpaux bemerkte, entspunn sich folgender Dialog:

Jens: Diggiiiie! Du hast mich auf den Flyern falsch geschrieben!
Ich: Hö?
Jens: Ich heiß Kotalla!! KOT-ALLA! Das kann man sich doch ganz einfach merken. Kot- Allah!
Der Gott der Scheiße, Diggie! Der Gott der Scheiße!

Der Gott der Scheiße. Ja. So gerne ich lügen würde, um Jens ein wenig zu ärgern und dieser Überleitung einen Sinn zu geben; so gerne ich sagen würde, dass seine Texte seinem Namen durchaus gerecht; oder noch besser, sein Name seinen Texten gerecht wird; meine schwitzigen Wurstfinger sträuben sich diese Lüge zu Papier zu bringen.

Auch wenn Jens für meinen Geschmack in seinen Texten hin und wieder zu vulgär agiert, kann ich ihm, im Gegensatz zu sehr vielen anderen Poetry Slam Akteuren, das wohl größte Kompliment machen, dass man einem Bühnenpoeten machen kann: Jens hat einen eigenen Stil.

Während andere häufig nur kopieren und Themen behandeln, die wenn nicht Millionen, so doch zumindest 71 078 Mal (ja, genau so oft, wie Jens Brusthaare hat) tot geredet wurden, findet Jens eigene Themen und auch immer wieder neue Wege diese auf der Bühne zu präsentieren.

Dabei schafft er es nicht nur schriftstellerisch zu überzeugen, sondern schlüpft immer wieder in verschiedene Rollen. Ob als verrückte Mücke, die vor Autoscheiben knallt, als an „Asipositas“ erkrankter Wutredner oder als der Sexualpädagoge, der er tatsächlich ist: Jens begeistert nicht nur das Publikum, sondern auch mich.

Mein mit Abstand liebster Text aus Jens’ Feder jedoch ist einer der wenigen, die ohne Lacher aufkommen. Rhythmisch kalte Maschinen taktieren hier das Leben eines Menschen, der eiskalte Finger der Todes ist in jeder Zeile zu spüren: ein Gänsehauttext. Ich schreibe mit purer Absicht nicht von welchem Text ich rede.

Am besten sprecht ihr Jens einfach darauf an, wenn ihr ihm den nächsten Liebesbrief seiner Brustbehaarung wegen schreibt. Und vielleicht würdigt ihr in diesem Brief dann auch mehr als nur seine Behaarung. Der Gott der Scheiße, Jens Kotalla, ist nämlich durchaus in der Lage aus Scheiße Gold zu machen. Und selbst wenn Euch Jens Schreiberei nicht gefällt, seinen Namen werdet ihr nach diesem Text vermutlich nie wieder falsch schreiben. In meinen schwitzigen Wurstfingern jedenfalls wurde er Dank der kongenialen Eselsbrücke eingespeichert.



Geschrieben vom Neu-Bremer Sim Panse, der noch bis vor Kurzem tiefstes NRW-Material war und sich auch bei der hiesigen Meisterschaft mit um die Krone beworben hatte.

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