Kurzgeschichte: Als ich mal abnehmen wollte

Es ist ja kein Geheimnis:
Ich bin dick. Das ist mir eigentlich relativ egal, doch vor einiger Zeit stellte ich mich morgens nach dem Aufstehen auf die Waage. Als mich dann eine dreistellige Zahl diabolisch angrinste, musste ich erstmal tief durchatmen. Ich redete mir ein, dass das nicht sein kann und dass ich mich aufgrund meines vor Schlaf noch völlig verquollenen Gesichts bestimmt verlesen habe.
Also stellte ich mich, nachdem ich das Aufstehen so einigermaßen verarbeitet hatte, nochmals auf das Messinstrument.

Es war vollkommen klar, dass das Ding irgendwie kaputt sein musste.
Also schaffte ich mir eine neue Waage an. Doch auch die schien nicht ordnungsgemäß zu funktionieren. Ich tauschte sie um und bekam ein Ersatzgerät. Allerdings stimmte auch hiermit etwas nicht.
Also wieder zurück ins Fachgeschäft, wo ich so langsam aber sicher für bescheuert erklärt wurde. Ich erklärte dem Mann hinter dem Kundenschalter, warum ich das Gerät umtauschen wollte.

Er musterte mich, schaute mehrfach an mir hoch und runter und sagte: "Die Waage ist in Ordnung. Sie sind einfach nur fett."
Unverschämtheit! Was erlaubt sich dieser Hampelmann, so mit mir zu reden? "Ich mag zwar dick sein aber Du bist ein kolossaler Vollarsch!" dachte ich. Ich musste mich beherrschen es nicht laut zu sagen.
Ich diskutierte noch etwas mit ihm, bis er völlig entnervt zustimmte und die offensichtlich defekte Waage entgegen nahm und ich mir für die Gutschrift eine Neue mitnehmen durfte.
Wieder zu Hause angekommen, wurde das Gerät direkt getestet.

Kurz darauf stellte ich folgende Hypothesen auf, was sein konnte:
Entweder sind alle Waagen auf diesem Erdenrund defekt oder der Kackspast im Elektromarkt hatte recht und ich bin tatsächlich damals lachend mit einem Döner in der Hand an meinem Idealgewicht vorbei gelaufen.
Ich ging zu meinem Hausarzt, er würde es ja wohl am Besten wissen. Nach den üblichen Höflichkeitsfloskeln fragte er mich, was mir fehle.
Ich entgegnete: "Sagen Sie mal: Bin ich zu dick?"
"Kommt drauf an. Tragen Sie unter Ihrem T- Shirt eine Schwimmweste?"
"Ähm... Nein?"
"Dann sind Sie zu dick."
Scheiße... Ich hätte es wissen müssen. Gravitation ist ein Arschloch! Wäre sie es nicht, hätte ich mein Idealgewicht sogar unterschritten!
"Also komm ich um eine Diät nicht rum?" fragte ich den Mediziner.
"So lange Sie keine Karriere als Hüpfburg machen wollen, sollten Sie eine Diät machen."
Seit wann glauben Ärzte eigentlich, dass sie lustig sind?
Ich schaute den Medizinmann an uns sagte energisch: "Pass mal auf, du bescheurter  Regionaldruide! Wenn ich lachen will, geh ich in den Zirkus oder guck mir Videos von dicken Kindern an, deren Eis auf den Boden fällt! Aber von so einem Lelleck wie dir, lass ich mir das nicht sagen!"
Wutentbrannt stürmte ich aus der Praxis.

Zu Hause dachte ich über die Worte des Arztes nach.
"Naja, er wird schon Recht haben" dachte ich, gefolgt von der kausalen Schlussfolgerung: "Scheiße, dann muss ich ja abnehmen!"
Ich nahm mir vor, 10 Kilo abzunehmen. Ich dachte, dass das im Rahmen des Möglichen sein müsste. Einen Monat später verriet ein Blick auf die Waage, dass ich noch 15 Kilo von meinem Ziel entfernt war.
Also musste ich mich am Riemen reißen. Beim Frühstück überlegte ich mir, wie man den Fettanteil in dieser Mahlzeit reduzieren könnte. Statt Weißbrot aß ich seitdem Körnerbrötchen, den Kaffee trank ich schwarz, lediglich auf die Margarine konnte ich nicht verzichten, schließlich darf es beim Schlucken nicht quietschen.
So ging ich dann bei jeder Mahlzeit vor. Ich strich hier und da was weg. Irgendwann bestand mein Mittagessen nur noch aus einem Salatblatt und abends gabs... Luft. Ich setzte mich hin und atmete minutenlang nur noch ein. Ich konnte nicht einmal Staub essen, selbst der setzt sich ganz ungut auf meinen Hüften ab.

Und ich hielt es durch! Also zwei Tage aber da war ich schon mächtig stolz auf mich.
Doch danach ging es nicht mehr. Zwar war ich völlig geschwächt, doch nach wie vor prankte dieses Feinkostgeschwür in meinem peripheren Blickfeld.
Ich war frustriert. FDH (also "Friss die Hälfte) und Ernährungsumstellung funktionierten nicht. Also musste ich zu radikaleren Mitteln greifen.
Ich kündigte meinen Handy- und Festnetzvertrag, damit ich nicht in Versuchung kam bei
Lieferdiensten anzurufen, ließ in jedem Geschäft im Umkreis Fotos von mir mit der Aufschrift "Diesem Mann nur Wasser und Roggenkekse verkaufen" aufhängen und verschenkte jegliche Süßigkeiten aus meinem Vorratsschrank an Bedürftige, sprich an den Ortsverband von Weight Watchers.
Doch selbst mit dieser Methode habe ich unerklärlicher Weise noch Gewicht zugelegt. Vielleicht weil ich noch Vorräte in meinem Bart gesammelt hatte, die ich für schlechte Zeiten dort aufbewahre.

Ich entschied mich noch radikaler vorzugehen. Also machte ich die Jesus- Diät. Ebenso wie der langhaarige Mann in den weiten Klamotten und den Löchern in den Händen zog ich mich für drei Tage in eine Höhle zurück und ließ von einem Baggerfahrer einen massiven Felsbrocken vor den einzigen Ausgang der Grotte legen. Ein Entkommen war für mich also unmöglich.

Das Einzige, was ich in die Höhle mitnahm, war was zu lesen und meinen alten Gameboy mit Super Mario.
Nach zwei Tagen fiel mir schlagartig ein: Ich hatte dem Baggermenschen nicht gesagt, wann er mich hier wieder rauslassen soll.
Scheiße. Und hab Super Mario schon durchgespielt...

Kommentare

  1. Beste Strategie. Aus aktueller Erfahrung kann ich auch empfehlen, eine Woche oder so in einer Kita zu arbeiten. Die Ansammlung all der Bakterien, die nur noch Kinder kennen, schaff gemeinsam einen waffenfähigen Stoff, der dein Immunsystem und damit auch deine Reserven hart angreift. ;)

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    1. Ich komm da eventuell mal drauf zurück :D

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  2. Super :D

    Ab Regionaldruide konnte ich nicht mehr. Selbst beim Schreiben des Wortes muss ich wieder lachen.

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  3. Anonym21.4.16

    Lachend mit einem Döner an meinem Idealgdwicht vorbeiglaufen, Wau,wie weit ich doch früher laufen konnte! Toller Text!

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