Tagebuch: Journalistisches Schreiben


"Du hast diese Tagebuch-Sachen nicht nötig, du kannst doch journalistisch arbeiten!", sagte meine Freundin zu mir. Ihr Schwerpunkt lag sicher auf dem Kompliment in der Aussage. Was mal ein Tagebuch/Blog war, hat jetzt Recherche und Interviews und ein Team und überhaupt: Von einem journalistischen Produkt ist es kaum zu unterscheiden.

Leider habe ich diese Eigenschaft, angemeldete Ansprüche und Erwartungen von anderen Menschen ernstzunehmen. Je näher sie an mir dran stehen, desto ernster wird es. Spoiler: Meine Freundin steht mir sehr nah. Wenn sie die Qualität in mir sieht, journalistisch zu schreiben, dann möchte ich das auch erfüllen. Alles darunter wäre natürlich eine Enttäuschung.

Nachdem ich im Blog über meine Probleme beim Schreiben erzählt habe, bekam ich sehr viele nützliche Hinweise und auch tolle Tipps. Einiges beschäftigte sich mit der Definition des Prozesses des Schreibens, anderes mit Tipps, wie man mit dem Schreiben anfängt. Doch je mehr ich "Meinungen" zu lesen bekam, desto heftiger stieß ich mich daran. Diese Ansprüche machten es mir eng. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr bewegen.

Ja, ich kann journalistisch arbeiten, aber ich möchte es auch mal lassen können. Ich möchte einen kurzen kleinen Beitrag schreiben können, mit einer persönlichen Anekdote, die absolut keinen Mehrwert hat. Das befreit. Keine Pflichtkategorien, keine Aufmacher, keine Artikel, keine Quellenangaben (Weil es nichts zu bequellen gibt). Einfach mal ein Geschichtchen runternudeln und damit zufrieden sein.

Als ich in mich gegangen bin, habe ich eine alte Version von mir getroffen. Als ich das Problem vorgetragen hatte, sagte meine Erinnerung mir: "Auch ein Grund, warum wir nie Germanistik und Anglophone Studies mit Herzblut beendet haben. Der Traum Journalist zu werden war abgelöst, wir fühlten uns mit den Formaten nicht wohl." Ich verstehe, warum ein Feature, ein Sachtext, ein Kommentar aufgebaut und geschrieben werden, wie sie geschrieben werden. Ich liebe die Arbeit von Journalist*Innen, wenn sie gut gemacht ist, aber das ist nicht -mehr- meine Tanzfläche.

Im Blog kann ich tanzen wie ich will, auch wenn es nicht zur Musik passt. Da kann ich dann auch journalistisch tanzen, aber ich muss nicht. Und nicht zu müssen, dass gibt mir die Sicherheit, die ich brauche, um schreiben zu können. Gibt mir die Freiheit, zu tun was ich will.

Mit mir läuft ein Ruf um die Wette, dass ich manchmal nur des Prinzips wegen einer anderen Meinung bin. Das es meine Art ist, mir zu beweisen, dass ich klug bin. Eine Einschätzung von Außerhalb, die ich so nicht teile, aber da sind wir wieder bei den Ansprüchen von außen, die ich noch nicht so gut ablegen kann. Aber den Blog nicht zum journalistischen Produkt zu machen, ist nicht meine Art, meiner Freundin zu widersprechen, sondern ein Art, mir zu entsprechen.

Kommentare

  1. Ich muss in letzter Zeit immer häufiger an diesen Text denken
    Vielleicht ist da was dran

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