Getestet: Bouldern

Bildquelle:Wikicommons
Andere werden euch antworten, dass Bouldern freies Klettern ohne Sicherung ist, an niedrigen künstlichen Kletterwänden. Häufig mit Schaumstoffmatten gesichert, kann mensch sich aus jeder Höhe fallen lassen.
Wieder andere werden euch sagen, dass es die Lieblingssportart von Surfer-Boy-Optik-Studenten ist, die Sport und Globetrotter auf Lehramt studieren. Das mag Beides richtig sein.

Ich behaupte, dass es beim Bouldern darum geht eine Wand voller Rätsel zu lösen, wie sie auch in einem Professor Layton-Spiel oder auch einer Folge Sherlock vorkommen könnten. Nur mit dem Unterschied, dass es keine finalen Lösungen gibt. Die Rätsel beim Bouldern sind die Routen, die vom Startpunkt bis zum Ziel geklettert werden müssen. Dabei geht es nicht nur darum, zu verstehen, was da jemand anderes in die Wand geschraubt hat.

Worum es beim Bouldern geht, habe ich erahnen können, als ich in einer (kontrollierten) Extremsituation war. Wir waren in der Boulderbar von Neoliet in Wattenscheid. Da gibt es an einer Wand einen Überhang, der mich im Griff hatte, weil ich keinen Griff hatte -Haha, Kletterwortwitz. Ich kam gut voran, aber plötzlich sperrte mein Kopf. Mir fehlte das Wissen, wie ich den nächsten Griff schaffen soll. Ich hatte das Gefühl mich aber auch nicht mehr fallenlassen zu können und ganz ehrlich: Ich wollte auch nicht. Mir fehlten zwei Griffe bis zur Spitze der Route, die mit beiden Händen berührt werden muss, damit es zählt. Das kontrolliert niemand, außer einem selbst, aber das reicht auch schon als Druck. Ich wollte das schaffen, merkte aber auch, dass ich nicht mehr zurück konnte. Ich machte eine schnelle Bewegung mit dem Arm zum nächsten Griff, verlor aber den Halt und prallte kurz gegen die Wand. Während ich stolz war, dass ich noch oben an der Wand hing, sagte mein Kopf mir, dass das so ganz schöner Mist war. Ich brach ab und freute mich über einen leicht aufgeschlagenden Ellbogen.

Was geschrieben deutlich spektakulärer klingt, als es aussah, war an der Wand ein Thriller. Und geil. Nervenkitzel in einem kontrollierten Umfeld. Unterhalb der Wände sind weiche Matten, sich fallenlassen macht teilweise sogar Spaß. Ich hatte diese Route nicht durchgespielt. Ich schaute mir an, wie meine Boulderbegleitung die Route löste. Schon bei den ersten Griffen sah ich den Unterschied, aber auch, dass mir das gar nichts nutzt. Ihr Körper war ganz anders als meiner, ihre Bewegungen anders angelegt. Trotzdem sah ich Techniken, die mir helfen konnten. Ich lernte mit meinem Rätsel weiter zu kommen. Beim Bouldern geht es ums Lernen.

Worum es auch geht: Solidarität. Alle sind zum Rätseln und Puzzlen da. Als ich eine andere Route konzentriert anschaute, sprach mich ein netter Mensch an, worüber ich grübelte. Ich sagte ihm, dass ich nicht genau wusste, was die Route von mir wollte, weil ich an einer Stelle sicher war, zu klein zu sein. Er gab mir einen entscheidenen Tipp, der mir bei der Lösung half. Nicht nur für diese Route, sondern auch für meine vorherige Nahtoderfahrung. Es dauerte nicht lange, bis ich bei Fremden beobachtete, mitfieberte und überlegte, wie sie mit ihren Vorraussetzungen die Rätsel lösen konnten. Denn jeder musste für seinen Körper und seine Denkweise eine eigene Lösung finden, konnte mit seinen/ihren Erkenntnissen aber wieder anderen helfen. Vielleicht lag es auch an mir, dass Bouldern so spirituelle kognitive Momente hatte. Schnell unterhält mensch sich mit Fremden beim Bouldern, um ihnen zu helfen, um Informationen zu gewinnen. Irgendwie geht es auch darum, kennenzulernen. Sich, die Wand, Leute, Körper.

Was für mich eine fast schon esotherisch-romantische Aktivität ist, ist aber auch einfach eine wirklich gute sportliche Herausforderung. Bouldern geht in die Arme, die Beine und fordert Geschicklichtkeit. Durch die verschiedenen Schwierigkeitsgrade und Elemente ist es aber für jeden sehr einfach möglich, seinen Einstieg zu finden. In Abhängigkeit davon, wo der Körperschwerpunkt liegt, werden andere Körperregionen trainiert.

Ich empfehle dringend Bouldern erstmal zu testen, denn längerfristige Mitgliedschaften bei den Einrichtungen sind durchaus kostspielig (im Raum Essen), allerdings gemessen an den Leistungen nicht unberechtigt. Immerhin werden in den Einrichtungen hier regelmäßig die Routen verändert, so dass immer wieder neue Rätsel entstehen.

Getestet habe ich die Boulderbar in Bochum, welche sehr groß ist. Sie liegt direkt an der A40 und auch in der Nähe des Bf Wattenscheid. Dort ist es nachmittags recht betriebsam gewesen, aber nie so, dass es mir zu voll vorgekommen wäre. Außerdem bieten verschiedene Flächen auch Ausweichmöglichkeiten. Krafttrainingsgeräte stehen dort auch zur Verfügung.
City Monkey in Essen-Haarzopf kam deutlich persönlicher daher, da die Halle auch deutlich kleiner ist. Die Halle ist per 145er Busverbindung gut zu erreichen und erschien sehr ruhig. In der Qualität der Routen war für mich kein Unterschied zu erkennen, aber ich bin auch Anfänger.

Freund*Innen, wenn ihr aus dem Pott seit, könnt ihr euch gerne mal bei mir melden, ich werde noch häufiger bouldern gehen. Es passt perfekt zu meiner Sportbegeisterung und ist eine gelungene Abwechslung. Und ich mag Rätsel.


Kommentare

  1. Im Neoliet habe ich mal gearbeitet. Ich war ne Zeit lang sehr häufig bouldern. Das ist aber auch wieder ne Zeit her. Das wieder regelmässig zu machen steht auf meiner to-do-Liste (seit einem Jahr). Vielleicht können wir das ja gemeinsam in Angriff nehmen? :)

    Übrigens beschreibst du sehr genau das “Boulder-feeling“. Es ist tatsächlich viel rätseln ubd überlegen. Und ja, das angenehme quatschen ist in der “Szene“ auch üblich, soweit ich das beurteilen kann:)

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    1. Super gerne! Ich habe Spaß am Bouldern und auch wenn es nicht mein Hauptsport werden wird, zwischendurch geht das immer mal.

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