Meine Grabrede

Liebe Trauergemeinde,
Jan wäre nicht glücklich. Da lädt er zu seiner letzten großen Veranstaltung ein und darf sie nicht mal selbst moderieren! Dafür werden wir dann aber heute pünktlich fertig, dieses Begräbnis hat keine Überlänge.
Jan war immer ein Mann, nein, ein Mensch der Wörter. Egal ob in einer seiner vielen Reden, die er gerne geschwungen hat, seinen Bühnentexten oder auch seinen unzähligen Beiträgen auf seiner Internetseite. Vieles konnte ihm vergehen, aber sicher niemals die Worte. Er konnte so vieles Schwieriges in deutlichen klaren Worten erklären, aber einfache Fragen oft nicht klar und deutlich beantworten.

Ja, Jan war immer ein Mensch, der gerne polarisierte. So wurde er nur zu oft ernst, wenn er es hätte leicht nehmen sollen, scherzte aber, wenn es gerade bitterer nicht hätte sein können. Noch in seiner Jungend wurde ihm laufend gesagt "Lach doch mal!", aber Jan ging sparsam mit seinem Lachen um.

Das bedeutet aber nicht, dass er wenig Freude am Leben hatte. Gerne hat er eingeladen und seine Freunde an einem Tisch vereint. Sei es zum Spielen, zum Reden, um Musik zu hören oder gemeinsam kreativ zu werden: Jan hat sein Haus und seine Ambitionen gerne mit anderen geteilt. Auch seine Freundeskreise hat er gerne geteilt, in dem er oft versuchte, seine verschiedenen Gruppen zu mischen und zu einem großen Topf zusammen zu bringen.

Das zeigte sich in seiner langjährigen Arbeit an seiner Internetseite, auf der jeder gerne mitmachen konnte, der nur etwas Lust hatte sich auszuprobieren. Seine Internetseite war Mittelpunkt seines Kosmos, alle seine Aktivitäten liefen dort zusammen und für uns Freunde war sie das offene Tagebuch zum Mitlesen, während er dagegen bei persönlichen Treffen nur ungern wirklich etwas über sich preisgab.

Leider war er ein Mensch, der sich oft seiner Traurigkeit hingegeben hat und auch wenn er sich immer darum bemüht hat, es fiel ihm schwer, seine Lasten mit anderen zu teilen. Die Lasten anderer trug er aber gerne mit und so war er ein zuverlässiger Helfer und Retter für viele von uns, in vielen schweren Zeiten. Wenn er könnte, dann würde er uns jetzt auch helfen, seinen Verlust zu verstehen und zu verkraften.

Ihm ging es immer um andere Menschen. Aber er sagte, dass er nicht selbstlos sei. Seine Hilfe sollte ihm die Anerkennung und den Respekt geben, den er sich immer wünschte. Heute, nicht zum letzten Mal, wollen wir ihn wertschätzen. Für seine Tatkraft, für seine Fertigkeit zur Analyse und dass er immer für Wachstum gestrebt hat. Für seine Mitmenschen, für sich, hat er sich dafür aufgerieben, dass sie sich weiterentwickeln können. Nicht nur beruflich war er ein Erzieher.

Bei seiner Arbeit mit Menschen hatte er immer Sorge, seine verkopfte Art würde ihn als kalt und berechnend erscheinen lassen. Daher hat er sich lange darum bemüht, herzlicher zu werden. Heute können wir sagen, dass seine Handlungen gezeigt haben, dass da ein liebendes Herz in seiner Brust war. Eines, das Menschen tolerant und energisch liebte.

Mit Jan verlässt uns ein Idealist, der oft verbissen und engstirnig wirkte, aber einfach vollends und ohne Zweifel überzeugt war, dass eine bessere Welt möglich ist. Allein sein langjähriges Engagement für die Weststadtstory, eine Kulturveranstaltung bei freiem Eintritt, zeigte das. Es sollte jeder kommen können und einen guten Abend haben können, unabhängig von seinem persönlichen Geldbeutel.

Wir werden Jan vermissen, der Vorbild, Ideengeber, Spinner, Coach, Freund und ein guter Mensch war. Er hat lange gebraucht seine Zweifel zu überwinden, aber die Scherze auf seine eigenen Kosten trotzdem nie abgelegt. Er selbst hat einmal gesagt, dass auf seinem Grabstein wie auf einem Zeugnis stehen würde, "Er war stets bemüht", aber wir wollen ihm eingravieren: "Er hat mit großem Erfolg am Leben teilgenommen."


Als vor einiger Zeit Tobi und Stephan zum Blog dazu gekommen sind, quasi die erste Generation unserer Truppe, habe ich vorgeschlagen, dass jeder von uns seine eigene Grabrede schreibt. Entgegen dem damaligen Veto meiner geschätzten Freunde, habe ich jetzt doch beschlossen, meine Grabrede zu schreiben. Nicht, weil ich einen fiesen Humor habe oder Menschen vorschreiben will, was sie denken sollen wenn ich gestorben bin, sondern weil es eine Methode zur Selbstreflexion ist. Die Frage, was wir möchten, dass es am Ende unseres Lebens über uns gesagt wird, ist eine schwierige, aber auch eine, die hilft, die Ziele für die Zeit dazwischen zu definieren. Natürlich sind diese nicht in (Grab-)Stein gemeißelt, aber es macht die eigene Entwicklung messbarer, die Sache greifbarer. Es ist mindestens ein Andenken, an eine ältere Version eines selbst.

Es ist eine seltsame Reise, an das Ende des eigenen Lebens, aber eine, die mit der gebührenden Ernsthaftigkeit aufschlussreich sein kann.

Kommentare

  1. Uh. Ich steh auf die Idee eine Grabrede zunformulieren. Starker Text. Hast du mal mit jemandem der dich wirklich gut kennt über seine Wahrnehnung von dir gesprochen? Deckt sich das? :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich arbeite irgendwie immer an mir und versuche mich auch über Wahrnehmungen von anderen zu reflektieren, aber es ist schwierig neutrales zu bekommen.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: