Gastbeitrag: The Cat Lady
...oder: Wie ein dummer Satz ein ganzes Spiel ruiniert!
Stellt euch vor, ihr spielt ein Spiel, welches euch komplett fesselt. Die Atmosphäre hat euch sofort, das behandelte Thema begeistert euch... und dann kommt eine Situation, die euch nicht mehr loslassen will und bis zum Ende einen faden Beigeschmack verursacht.
Genau so ist es mir zuletzt ergangen, als ich innerhalb von zwei Tagen Harvester Games' „The Cat Lady“ durchgespielt habe. Hierbei handelt es sich um ein äußerst morbides, spieltechnisch sehr simpel gehaltenes 2D-Adventure. Ihr spielt Susan Ashworth, die direkt zu Beginn durch eine Überdosis Schlaftabletten Suizid begehen will und dadurch in einer Art Limbus, einem Ort zwischen Leben und Tod landet. Hier trifft sie auf die dubiose „Queen of Maggots“, die Susan Unsterblichkeit verleiht, sie ins Leben zurück befördert, dabei aber verlangt, dass Susan nun als eine Art Rache-Engel Mörder*innen zur Strecke bringt.
Die gesamte Spieldauer wird dabei Susans Depression fokussiert und thematisiert. Das Spiel versucht, darzustellen, wie eine manifestierte Depression aussehen könnte, was mit einem Menschen geschieht, der dieser Krankheit am Ende unterliegt. Dabei führt Susan einige äußerst gut geschriebene, innere Monologe, die zusammen mit der Gestaltung ihrer Welt in schwarz, weiß und grau sehr beklemmend, aber auch ergreifend wirken. Einzelne Gegenstände wie Blumen oder Blut erstrahlen immer wieder in grellen Farben und je länger das Spiel dauert, umso mehr Farbe kommt auch wieder in Susans Umwelt, was euch ihre Entwicklung fast schon mit dem Holzhammer präsentiert.
Die Prämisse ist also äußerst interessant, die Thematik gut umgesetzt und hat mich, wie bereits erwähnt, nicht mehr losgelassen, bis ich die Geschichte zu einem Ende bringen konnte. Natürlich stellt sich die Frage, wieso Susan plötzlich innerhalb kürzester Zeit auf so viele Psychopathen trifft, die von ihr zur Strecke gebracht werden sollen, darüber blicke ich aber gerne weg, da diese Aufeinandertreffen trotz der äußerst simplen Spielmechanik, sich nur nach links und rechts bewegen und nur mit begrenzten Objekten interagieren zu können, unfassbar nervenzerreißend inszeniert sind. Hinzu kommen noch ein paar nette Gore-Elemente und ich würde glatt sagen, dass The Cat Lady sowohl als Spiel als auch als Abhandlung einer sehr ernst zu nehmenden Krankheit wunderbar funktioniert.
Wäre da nicht diese eine Stelle, dieser eine Dialog in der Mitte des Spiels. Im Laufe des Spiels bekommt Susan eine neue Mitbewohnerin, Mitzi, welche ebenfalls i die kleine Wohnung einzieht. Nun liegt unsere Hauptakteurin irgendwann in der Badewanne, ihre neue Begleiterin möchte ebenfalls in das Zimmer, um mit ihr zu sprechen. Das Problem, dass sich hier nun auftut, ist, dass Susan dies nur erlaubt, wenn Mitzi nicht lesbisch sei. Susan habe kein Problem mit Homosexualität, aber dass eine lesbische Person auf ihre Brüste starren könne, wäre ihr doch zu viel. Brechen wir die Aussage stumpf herunter, haben wir hier ein „Ich habe nichts gegen Homosexuelle, solang sie nicht in meiner Nähe sind!“
Nun steht es jedem Entwickler*innen-Team frei, ihre Charaktere mit Macken zu zeichnen, homophobe Charaktere in ihre Spiele einzubauen, diese selbst als Hauptfigur zu nutzen. Problematisch wird es aber vor allem dann, wenn diese Macken nicht als solche erkennbar sind. Sie könnten Charakterzüge sein, die Einfluss auf die Geschichte nehmen, indem es sie zu überwinden gilt oder die jeweilige Figur eben „das gemeine Arschloch“ oder „der Feigling/Schwächling“ oder was auch immer ist. The Cat Lady führt diesen Charakterzug allerdings in dieser einen Situation ein und greift nie wieder darauf zurück. Susans Ansichten werden nicht als problematisch dargestellt, sondern sind vielmehr verpackt wie ein dummer Gag in einem ansonsten fast ausschließlich düsteren Spiel. Auch Mitzis Reaktion darauf zeugt eher davon, dass solche Ansichten im „Cat Lady-Universum“ absolut normal zu sein scheinen.
Jetzt mag manch ein Mensch sagen, dass solche Personen mit genau solchen Ansichten Realität seien und dem möchte ich auch nicht widersprechen. Es gibt genug Menschen auf der Welt, die genau so mit dem Thema Homosexualität umgehen. Jens Lehmanns Aussage, dass er sich nicht wohl dabei fühlen würde, mit einem homosexuellen Spieler im Duschraum der Kabine zu stehen, macht deutlich, dass solche Aussagen sogar einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.
Lehmann wurde dafür allerdings aufs Schärfste kritisiert und auch Susan bzw. die Menschen, welche diesen Charakter entwickelt haben, müssen sich dieser Kritik stellen. Susan Ashworth hat nämlich als Hauptcharakter des Spiels eine Position, die zur Identifikation anregen soll. Ihr trefft oftmals Entscheidungen für sie, die bereits zu Beginn Auswirkungen auf das Ende haben können. Ihr versetzt euch damit in die Rolle einer depressiven Person und setzt euch intensiv mit ihren Gedanken auseinander. Die Besonderheit dieser Rolle sorgt dafür, dass Susan in einer Position steht, in der der flapsige Umgang mit solchen Aussagen höchst problematisch ist. Homosexualität wird im Laufe des Spiels kein einziges Mal mehr thematisiert, dieser kurze Dialog im Badezimmer steht völlig isoliert und bietet keinerlei Mehrwert für die Geschichte. Diskriminierende Positionen werden völlig unreflektiert reproduziert. Er erzeugt keine Charaktertiefe oder hilft dem Erzählen der Geschichte. Der Dialog zeigt nur, dass Susan ein homophobes Arschloch ist und dass die Entwickler*innen solch eine Aussage für nicht weiter beachtenswert halten, es aber trotzdem mal loswerden wollten.
Und so kommt es leider dazu, dass ein an sich absolut empfehlenswertes Spiel nur wenige Sekunden braucht, um den Gesamteindruck heftig zu versauen. Die Grundprämisse, Depression zu behandeln und auch künstlerisch darzustellen, ist nämlich weiterhin verdammt wichtig und gut... schade!
Stellt euch vor, ihr spielt ein Spiel, welches euch komplett fesselt. Die Atmosphäre hat euch sofort, das behandelte Thema begeistert euch... und dann kommt eine Situation, die euch nicht mehr loslassen will und bis zum Ende einen faden Beigeschmack verursacht.
Genau so ist es mir zuletzt ergangen, als ich innerhalb von zwei Tagen Harvester Games' „The Cat Lady“ durchgespielt habe. Hierbei handelt es sich um ein äußerst morbides, spieltechnisch sehr simpel gehaltenes 2D-Adventure. Ihr spielt Susan Ashworth, die direkt zu Beginn durch eine Überdosis Schlaftabletten Suizid begehen will und dadurch in einer Art Limbus, einem Ort zwischen Leben und Tod landet. Hier trifft sie auf die dubiose „Queen of Maggots“, die Susan Unsterblichkeit verleiht, sie ins Leben zurück befördert, dabei aber verlangt, dass Susan nun als eine Art Rache-Engel Mörder*innen zur Strecke bringt.
Die gesamte Spieldauer wird dabei Susans Depression fokussiert und thematisiert. Das Spiel versucht, darzustellen, wie eine manifestierte Depression aussehen könnte, was mit einem Menschen geschieht, der dieser Krankheit am Ende unterliegt. Dabei führt Susan einige äußerst gut geschriebene, innere Monologe, die zusammen mit der Gestaltung ihrer Welt in schwarz, weiß und grau sehr beklemmend, aber auch ergreifend wirken. Einzelne Gegenstände wie Blumen oder Blut erstrahlen immer wieder in grellen Farben und je länger das Spiel dauert, umso mehr Farbe kommt auch wieder in Susans Umwelt, was euch ihre Entwicklung fast schon mit dem Holzhammer präsentiert.
Die Prämisse ist also äußerst interessant, die Thematik gut umgesetzt und hat mich, wie bereits erwähnt, nicht mehr losgelassen, bis ich die Geschichte zu einem Ende bringen konnte. Natürlich stellt sich die Frage, wieso Susan plötzlich innerhalb kürzester Zeit auf so viele Psychopathen trifft, die von ihr zur Strecke gebracht werden sollen, darüber blicke ich aber gerne weg, da diese Aufeinandertreffen trotz der äußerst simplen Spielmechanik, sich nur nach links und rechts bewegen und nur mit begrenzten Objekten interagieren zu können, unfassbar nervenzerreißend inszeniert sind. Hinzu kommen noch ein paar nette Gore-Elemente und ich würde glatt sagen, dass The Cat Lady sowohl als Spiel als auch als Abhandlung einer sehr ernst zu nehmenden Krankheit wunderbar funktioniert.
Wäre da nicht diese eine Stelle, dieser eine Dialog in der Mitte des Spiels. Im Laufe des Spiels bekommt Susan eine neue Mitbewohnerin, Mitzi, welche ebenfalls i die kleine Wohnung einzieht. Nun liegt unsere Hauptakteurin irgendwann in der Badewanne, ihre neue Begleiterin möchte ebenfalls in das Zimmer, um mit ihr zu sprechen. Das Problem, dass sich hier nun auftut, ist, dass Susan dies nur erlaubt, wenn Mitzi nicht lesbisch sei. Susan habe kein Problem mit Homosexualität, aber dass eine lesbische Person auf ihre Brüste starren könne, wäre ihr doch zu viel. Brechen wir die Aussage stumpf herunter, haben wir hier ein „Ich habe nichts gegen Homosexuelle, solang sie nicht in meiner Nähe sind!“
Nun steht es jedem Entwickler*innen-Team frei, ihre Charaktere mit Macken zu zeichnen, homophobe Charaktere in ihre Spiele einzubauen, diese selbst als Hauptfigur zu nutzen. Problematisch wird es aber vor allem dann, wenn diese Macken nicht als solche erkennbar sind. Sie könnten Charakterzüge sein, die Einfluss auf die Geschichte nehmen, indem es sie zu überwinden gilt oder die jeweilige Figur eben „das gemeine Arschloch“ oder „der Feigling/Schwächling“ oder was auch immer ist. The Cat Lady führt diesen Charakterzug allerdings in dieser einen Situation ein und greift nie wieder darauf zurück. Susans Ansichten werden nicht als problematisch dargestellt, sondern sind vielmehr verpackt wie ein dummer Gag in einem ansonsten fast ausschließlich düsteren Spiel. Auch Mitzis Reaktion darauf zeugt eher davon, dass solche Ansichten im „Cat Lady-Universum“ absolut normal zu sein scheinen.
Jetzt mag manch ein Mensch sagen, dass solche Personen mit genau solchen Ansichten Realität seien und dem möchte ich auch nicht widersprechen. Es gibt genug Menschen auf der Welt, die genau so mit dem Thema Homosexualität umgehen. Jens Lehmanns Aussage, dass er sich nicht wohl dabei fühlen würde, mit einem homosexuellen Spieler im Duschraum der Kabine zu stehen, macht deutlich, dass solche Aussagen sogar einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.
Lehmann wurde dafür allerdings aufs Schärfste kritisiert und auch Susan bzw. die Menschen, welche diesen Charakter entwickelt haben, müssen sich dieser Kritik stellen. Susan Ashworth hat nämlich als Hauptcharakter des Spiels eine Position, die zur Identifikation anregen soll. Ihr trefft oftmals Entscheidungen für sie, die bereits zu Beginn Auswirkungen auf das Ende haben können. Ihr versetzt euch damit in die Rolle einer depressiven Person und setzt euch intensiv mit ihren Gedanken auseinander. Die Besonderheit dieser Rolle sorgt dafür, dass Susan in einer Position steht, in der der flapsige Umgang mit solchen Aussagen höchst problematisch ist. Homosexualität wird im Laufe des Spiels kein einziges Mal mehr thematisiert, dieser kurze Dialog im Badezimmer steht völlig isoliert und bietet keinerlei Mehrwert für die Geschichte. Diskriminierende Positionen werden völlig unreflektiert reproduziert. Er erzeugt keine Charaktertiefe oder hilft dem Erzählen der Geschichte. Der Dialog zeigt nur, dass Susan ein homophobes Arschloch ist und dass die Entwickler*innen solch eine Aussage für nicht weiter beachtenswert halten, es aber trotzdem mal loswerden wollten.
Und so kommt es leider dazu, dass ein an sich absolut empfehlenswertes Spiel nur wenige Sekunden braucht, um den Gesamteindruck heftig zu versauen. Die Grundprämisse, Depression zu behandeln und auch künstlerisch darzustellen, ist nämlich weiterhin verdammt wichtig und gut... schade!
Danke für den guten Artikel. Ich spiel gern so Indie "out of the box" Spiele und dein Beitrag macht Lust, The Cat Lady mal auszuprobieren. Vor allem hatte ich da vorher nie gehört.
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