Kurzgeschichten: Die Hölle

Die Geschäfte liefen nicht gut. Er wollte es ungern zugeben, aber das es die Konkurenz mit abnehmenden Konsumenten und Abonennten zu kämpfen hatte, schadete auch seinen Plänen. Der Teufel rieb sich die Müdigkeit aus den Augen über die Stirn in die Hörner. Er war resigniert. Es war ja nicht mal so, als gäbe es einen greifbaren Feind. Da war es früher einfacher: Gott dachte sich extra ein paar ordentliche Spielregeln aus und brauchte nur seine Leute in den Außendienst schicken, diese Regeln dann nach allen Regeln zu brechen. Heute konnte er selbst nicht mal mehr über diesen Wortwitz schmunzeln. Heute glauben die Menschen nicht mal mehr so wirklich an Gott. Konnte ja aber auch keiner ahnen, dass diese verfluchten Menschen die Aufklärung und liberales Denken entwickeln. Damals dachte der Teufel, dass ihm das in die Karten spielt. Verflixtes Potential der Menschen, haben sie selbst die Zerstörung des Himmelreiches herbei geführt.

Das Kerngeschäft, die Sünde, funktionierte halt nur so, wenn sie als solche angesehen wurde. Aber wenn auf einmal die schlechten Methoden in der Moral als gute Methoden der freien Marktwirtschaft angesehen wurden, erkannt der Teufel selbst, dass sein eigene Erfindung ihn überholt hatte. Damals war er so stolz. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung präsentierte ihm vor weit mehr als 1000 Jahren ihre neuste Entwicklung. "Wir nennen es den Kapitalismus. Er wird den Menschen den Eindruck geben, Macht zu haben, aber in Wirklichkeit geht es hauptsächlich um Gier und Völlerei." Es war so ein einfaches Konzept. So genial. Teuflisch, so zu sagen.

Um seinen Kopf frei zu kriegen, beschloss der Teufel, durch seine Hallen zu wandern und mit seinen Untertanen in Kontakt zu kommen. Er verließ sein Büro, ging den kalten Gang entlang. Zu erst war es die Aufklärung, die Menschen fanden neue Möglichkeiten, Alternativen zum Glauben. Heute waren die Feinde diffuse Subkulturen, die ihm entgegen arbeiteten. Hipster, die nachhaltig bedacht und sparsam, bescheiden und begeistert Dinge selbst herstellten, sich mit ihrer Umwelt auseinander setzten. Ganz schreckliche Leute.

Als er die Tür zu seinem Festsaal aufstieß, ereilte ihn eine kleine Erleichterung. Auch wenn das Kerngeschäft nicht gut lief, hierauf konnte er sich verlassen. Die Symphonie der hassenden und wütenden Qualen, ein Streicherkonzert, gespielt auf weinenden Kindern. Die Gleichgültigkeit erwärmte dem Teufel das Herz. Selbst seine Handlanger ergaben sich dem Totentanz, waren frei von jeglicher Ambition, stumpfe Routinen hatten die Plätze eingenommen, an denen früher einmal bewegte Seelen lebten. Es war die Vollendung seines Werkes, es war das vollkommenste aller Fegefeuer und es hatte eine der schrecklichsten Eigenschaften, um die Menschen zu verführen: Es war subtil.

Eine Lidl-Filiale am Hauptbahnhof, die am Wochenende und an Feiertagen geöffnet hat. Jeder wusste, dass es nicht klug ist, dort hin zu gehen, trotzdem waren die Gänge immer voll. Die Verlockung besiegte die Vernunft. Die Menschen erkannten die Sünde am Eingangsschild, aber trotzdem kamen sie hier her. Ein wenig musste der Teufel lächeln. Er war auf seine eigene Idee hereingefallen. Durch seine viele Kundschaft, verlor er seine Gefolgschaft. Wo einst in ihm ein bewegter Seelenräuber lebte, nahmen Geschäftsbilanzen und Babykotze in Gang drei den Platz.

Kommentare

  1. Anonym15.7.17

    Ja,zu diesem ergreifenden Text, hat bisher auch niemand seinen Kommentar abgegeben,wer setzt sich denn auch gerne mit dem Teufel und seinem Höllenwerk auseinander,vorallem, wer kann sich lange mit diesem Text befassen,lieber ganz schnell verschwinden,ist ja im Leben immer das Einfachste, wegzuschaun, und nicht immer alles wahrzunehmen, ist ja auch leichter, die angenehmeren Texte zu lesen,wer will schon in sich gehen und sich ernsthaft Gedanken machen,wieweit man selbst schon einmal Bekanntschaft mit dem Teufel gemacht hat,ob uns der Teufel nicht auch verführt, ob wir uns nicht auch gerne vom Teufel verführen lassen,wollen wir das ueberhauot noch wissen, oder sehen wir das Werk, die Sünden,womit uns der Teufel lockt, als Normalitaet an,kann nicht irgendetwas was rein ist auch rein bleiben, steht der Mensch nicht dann auf einem viel hoeheren Podest,wir sind doch eigentlich in der Lage,jeden Tag neu zu entscheiden, ja wir erhalten jeden Tag eine neue Chance, unser Leben so zu führen, dass wir vor uns selbst bestehen können, dann machen wir dem Teufel sein Tagesgeschäft auch kaputt,dann frisst er keine Seelen mehr auf,das liegt doch an uns Menschen, wie wir uns entscheiden, Tag für Tag, musste solange dieser Text hier stehn, bis ich ueberhaupt mak was dazuschrieb, daran sieht man der Teufel macht Angst Nachdenkliche Grüsse A1

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    1. Hey A1!
      Ich glaube das Ausbleiben von Kommentaren bedeutet gar nicht so viel. Die wenigsten hinterlassen noch ihre Spuren und Gedanken in Kommentaren im Blog, was wir auch sehr schade finden. Deshalb sind wir für jeden Impuls von Dir/Ihnen besonders dankbar!

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