Prosa-Häppchen: Sommernacht

Ich sitze auf der Fensterbank und höre der Nacht zu. Sie ist ziemlich still diese Nacht. Wasserplätschern, Autobahnrauschen, Grillenzirpen, Flugzeugbrummen.

Ich sitze auf der Fensterbank. Das Fenster geöffnet, die kühle Nachtluft umhüllt mich und lässt mich frösteln. Die Nacht riecht nach nassem Gras, nach Alkoholfahne, nach klarer kalter Luft.

Ich sitze auf der Fensterbank. Neben mir die Schachtel Zigaretten. Doch sie bleibt unberührt. Ich brauche das Glimmen zwischen den Finger nicht, mir genügt das Funkeln über meinem Kopf. Meinem Kopf, der sich vorstellt, wie du in dieselben Lichter schaust.

Etwas zu haben, dass man sich nicht wünscht, ist einfacher als sich etwas zu wünschen, dass man nicht haben kann, denke ich. Und im ersten Moment klingt das klug und weise. Aber es ist nur Gedankenwirrwarr, unverdaut ausgekotzt. Denn trotz beträchtlicher Mengen Alkohol bin nicht ich die Betrunkene, sondern mein Kopf. Und der ist voll. Voll schwankender Gedanken an dich, die zwischen Liebe, Wut, Sehnsucht und Enttäuschung hin- und hertorckeln. „Du tust mir weh", sagt mein Herz zum Kopf. „Selbst Schuld“, sagt mein Kopf. „Ich denke nur. Fürs Fühlen bist du zuständig.“

Ich sitze auf der Fensterbank. Kopf und Herz taumeln gemeinsam. Arm in Arm durch mich hindurch. Und ich sehne mich nach einer Umarmung von dir. Weil sie Halt gibt und wärmt. Und weil sie Kopf und Herz zum Stillstand bringen könnte. In dieser stillen, kalten Nacht.

Ich greife nach den Zigaretten. Tun ist soviel einfacher als Denken und Fühlen. Ich ziehe eine Zigarette aus der Packung. Stecke sie zwischen die Lippen. Lass das Feuerzeug aufglimmen. Und lege alles wieder zurück. „Was man nie hatte, kann man auch nicht vermissen“, sagt mein Kopf. Mein Herz lacht.


Ob unterwegs auf dem Weg zur Arbeit, in der Raucherpause oder auf dem Klo. Unsere Häppchen sind kurze Texte für den kleinen Lese-Hunger zwischendurch - quasi das fast food unter unseren Blogtexten.

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