Nazi-Kram analysieren mit Christofer #1
Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von „Nazikram analysieren mit Christofer“!
Schon seit einiger Zeit beobachte ich eine zunehmende Radikalisierung des politischen Meinungsaustausches im Internet und insbesondere auf Facebook. Ungefähr genauso lange schreibe ich bereits dagegen an.
Trotzdem werden in immer größeren Dimensionen Hass und Angst verbreitet- vor allem gegen Flüchtlinge, Migranten und gegen Randgruppen allgemein. Die Methoden sind perfide, die Aussagen flach. Die Urheber der Inhalte sind sich für keinen Fake und für keine Dummheit zu schade. Menschenfeindliche Memes, gefälschte Meldungen, Videos und Fotos mit verdrehtem Kontext fluten das Netz. Oft genug sind sie offen rassistisch. Man könnte meinen, dass so etwas im 21. Jahrhundert nicht mehr funktioniert. Das Gegenteil ist der Fall. Immer mehr Idioten scheinen wie Krokusse im Frühling aus der Erde zu sprießen, lassen sich von diesem geistigen Müll manipulieren. Leider gehören immer öfter auch alte Freunde dazu.
In den Diskussionen habe ich mir bereits die Finger wund getippt. Häufig bin ich müde davon. Der Gegner scheint übermächtig. Vor allem ist er an Gegenargumenten einfach nicht interessiert. Das frustriert. Und, ganz ehrlich, ich mache mir inzwischen ernsthaft Sorgen darüber, in welche Richtung sich diese Gesellschaft entwickelt, wenn man nichts oder zu wenig dagegen unternimmt.
Ich muss also weiterhin etwas dagegen tun- etwas, das größer ist, das einen Rahmen hat, der über eine Kommentarspalte hinausreicht. Für irgendetwas muss das Geschichtsstudium ja gut gewesen sein. Sei es nur, um meinen Frust zu kompensieren. Darum habe ich mich für diese Rubrik hier entschieden. Ich werde fortan in regelmäßigen Abständen Facebook-Memes mit fragwürdigen Aussagen, Fakemeldungen und andere Inhalte auf ihren politischen Hintergrund hin anaylsieren und dekonstruieren und zwar genauso, wie ich es mit einer historischen Quelle auch machen würde… naja… vielleicht ein bisschen unterhaltsamer. Es gibt bereits einige Formate, die auf ähnliche Weise politische Arbeit leisten. Ich werde darauf achtgeben, dass ich eine eigene Nische fülle. Schließlich ist es auch für den Ottonormalbürger wichtig, Nazi-Kram zu erkennen, wenn er einem vor die Füße fällt. Nazis muss man Nazis nennen und diese Memes sind echt die Pest!
Meine Ausführungen werde ich dann hin und wieder veröffentlichen. Ich weiß nicht, wieviel oder wie viele ich damit erreichen werde. Zweifellos kann ich nicht jeden Müll im Netz auf diese Weise aufräumen, höchstens einen sehr, sehr kleinen Bruchteil. Trotzdem will ich es tun. Vielleicht lernt Irgendjemand was dabei. Zumindest kann es diejenigen, die ohnehin auf meiner Seite stehen, aber nicht wissen, wie sie sich wehren können, mit neuen Argumenten versorgen.
Wer auf Facebook über einschlägige Inhalte stolpert, aber nicht sofort weiß, was er sagen soll, darf meine Texte dann gern an entsprechender Stelle verlinken.
Ich beginne mit dem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Also los!
Gestern Abend hat mich über die Facebook-Chronik eines Freundes folgendes Meme/Bild erreicht:
Das Meme scheint zuerst von den Betreibern der Facebook-Seite „Multikulti? Nicht mit uns“, veröffentlicht worden zu sein. Weitere Informationen zu Urheberschaft oder Herkunft lassen sich zumindest nicht kurzfristig ermitteln. Veröffentlicht wurde das Meme am 26. Juni. Ich bin am Abend des 18. Oktober 2015 darauf aufmerksam geworden. Es geistert also schon seit einigen Monaten im Netz herum und ist bereits über 9000mal geteilt worden! Da das Meme auch bei „Multikulti? Nicht mit uns“ unter der Rubrik Handy-Uplouds geführt wird, sind ein noch älterer Ursprung und ein anderer Urheber sehr wahrscheinlich.
An der äußeren Form ist neben dem rot-schwarzen Hintergrund vor allem die Schriftart hervorzuheben. Die weißen Lettern des Textes sind in Fraktur gehalten. Möglicherweise ist dies bereits ein bewusst gewählter formaler Bezug auf die guten, althergebrachten, deutschen(?) Werte. Ferner bemerkenswert ist die Abwesenheit von Rechtschreibfehlern. Der Satzbau ist schlicht. Die Aussage sollte wohl möglichst eingängig sein. Dafür spricht auch die exzessive Verwendung von Satzzeichen…
Wenden wir uns nun dem Inhalt zu. Der Text beginnt mit der vermeintlichen Feststellung, dass „Deutschland das Land der Deutschen“ sei, was ja dem philosophisch interessierten Leser sofort eine Frage abnötigt: Was ist das denn jetzt eigentlich - ein Deutscher?
Da diese Frage weder historisch noch biologisch widerspruchsfrei zu klären ist und auch im Meme selbst kein neuer Definitionsvorschlag unterbreitet wird, müssen wir vorerst annehmen, dass damit alle Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland gemeint sind. Die weitere Textanalyse, soviel schon vorab, wird uns aber auch diese Annahme für unangebracht halten lassen.
Schon im nächsten Satz wird es brenzlig. „Opa ist im Krieg gefallen.“ mag ja für sich allein eine völlig wertfreie Tatsachenbeschreibung darstellen. Schließlich sind im zweiten Weltkrieg (der ist hier sehr wahrscheinlich gemeint) eine Menge Großväter gefallen.
Im Gesamtkontext des Memes, in dem es um die Verteidigung oder um die Weigerung „unser Land kampflos auf[zu]geben“ geht, drängt sich allerdings eine weitere Frage auf. Diese Frage ist für die Beurteilung des Memes insgesamt eminent wichtig.
Vertritt der Urheber die Meinung, dass Opa in diesem Krieg lediglich die Heimat verteidigt hat, und - wenn ja- bestreitet der Urheber damit indirekt, dass dieser Krieg die Errichtung einer national-sozialistischen Herrschaft über ganz Europa zum Ziel hatte? Leider drängt sich hier in beiden Fällen die Antwort Ja auf.
Wir wollen es der Vorsicht halber hier auch noch einmal erwähnen. Der zweite Weltkrieg war ein Angriffskrieg, der vom deutschen Reich mit dem Ziel der Landnahme und der Unterwerfung beziehungsweise der Auslöschung anderer Völker geführt wurde. Wer dies zu leugnen versucht, ignoriert die Existenz von Millionen historischer Quellen, die eben dieses eindeutig belegen, und macht sich darüber hinaus nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland strafbar.
Völlig unabhängig von der Frage, wie viele Opas unfreiwillig im zweiten Weltkrieg mitkämpften oder wie sie jeweils zu dessen Zielen standen, ist das Meme mit diesem Satz bereits ganz nah dran - an der Geschichtsklitterung und damit auch am Faschismus.
Der nächste Halbsatz „Oma hat es wieder mit aufgebaut“ ist weitaus weniger verfänglich. Gleichwohl handelt es sich auch hier um die Anspielung auf einen Mythos, der als überholt gilt. Näheres dazu kann man in der unten genannten Abhandlung von Leonie Treber nachlesen. Tatsächlich haben die sogenannten Trümmerfrauen nur einen Bruchteil der Aufräumarbeiten geleistet, die man ihnen in der jüngeren populären Geschichtskultur zugeschrieben hat.[1]
Kommen wir nun zu den letzten drei Zeilen, die für die Gesamtbeurteilung des Memes sicherlich die wichtigsten sind! „…und nun sollen wir unser Land kampflos aufgeben?? Niemals!!!“
Fast noch bemerkenswerter als die Ankündigung, dass man „unser Land“ nicht „kampflos aufgeben“ werde, ist die indirekte Unterstellung, die mit dem Satz vorgenommen wird. Es wird gleichsam behauptet, dass sich „unser Land“, also Deutschland, in großer Gefahr befinde beziehungsweise dass es bedroht werde. Jetzt fragt sich der geneigte Leser, welche Bedrohung damit gemeint ist, wo doch die Bundesrepublik Deutschland geographisch ausnahmslos von Verbündeten umgeben ist. Vermutlich, soweit dürfen wir uns wohl aus dem Fenster lehnen, spielt das Meme auf die hohe Zahl von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Südosteuropa an, die derzeit nach Deutschland einreisen und um Asyl bitten. Zugegeben sei an dieser Stelle, dass die schiere Menge der Flüchtlinge für die deutschen Behörden zumindest kurzfristig eine ernstzunehmende logistische Herausforderung darstellt. Ja, das stimmt.
In welcher Weise man diesen Umstand als Bedrohung ansehen müsste, bleibt unklar: Die Supermarktregale sind zum Bersten gefüllt, Sozialleistungen werden nach wie vor ausbezahlt. In deutschen Innenstädten kann man sich weiterhin sicher bewegen. Verkehrsunfälle stellen statistisch eine größere Bedrohung dar als gewalttätige Kriminelle. Die Steuereinnahmen sind so hoch wie selten. Die politischen Entscheidungsträger sehen endlich ein, dass sie diese Mittel verstärkt in sozialen Wohnungsbau und in Lehrer investieren müssen…vielleicht...
Ich schweife ab. Nur dies eine: Flüchtlinge sind keine ernstzunehmende Bedrohung und es gibt auch sonst keine ernstzunehmende Bedrohung.
Nachdem wir das geklärt haben, bleibt nur noch die Formulierung übrig: „…kampflos […] Niemals!!!“ Aufgrund der überschaubaren Textmenge ist es hier natürlich nicht so einfach eine eher metaphorische Verwendung des Wortfeldes „Kampf“ auszuschließen. Mit Rückbezug auf den im Krieg gefallenen Opa ist es jedoch naheliegend, dass mit einem solchen Kampf tatsächlich nicht nur die politische Auseinandersetzung nach gesetzlich vorgesehenen Spielregeln gemeint ist, sondern im Endeffekt auch die Ausübung von Gewalt.
Zusammenfassung
Der Urheber des oben aufgeführten Memes offenbart eine zweifelhafte Einstellung zur Geschichte des Nationalsozialismus, verbreitet schmalzige und unwahre Deutungen zur Nachkriegsgeschichte und ruft zumindest indirekt zur Gewalt gegen Menschen auf, die in Deutschland leben, seiner eigenen Ansicht nach aber keine Deutschen sind. Darum bewegt sich der Text seiner Unterschwelligkeit zum Trotz zumindest an der Grenze zum Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB[2].
Sowohl der Urheber als auch all jene Personen, die dieses Meme kommentarlos weiterverbreiten und damit ihre Zustimmung äußern, setzen sich dem Verdacht einer nationalistischen Gesinnung aus.
Dieses Meme als Nazi-Kram zu bezeichnen ist demnach nicht etwa das unbegründete Schwingen der vielbeschworenen „Nazikeule“, mit der man etwa „unbescholtenen“ Menschen den Mund verbieten wollte, sondern eine schlichte Tatsachenbeschreibung.
Nazis muss man Nazis nennen!
[1] Mythos Trümmerfrauen: Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes, Essen 2014.
[2] http://dejure.org/gesetze/StGB/130.html
Schon seit einiger Zeit beobachte ich eine zunehmende Radikalisierung des politischen Meinungsaustausches im Internet und insbesondere auf Facebook. Ungefähr genauso lange schreibe ich bereits dagegen an.
Trotzdem werden in immer größeren Dimensionen Hass und Angst verbreitet- vor allem gegen Flüchtlinge, Migranten und gegen Randgruppen allgemein. Die Methoden sind perfide, die Aussagen flach. Die Urheber der Inhalte sind sich für keinen Fake und für keine Dummheit zu schade. Menschenfeindliche Memes, gefälschte Meldungen, Videos und Fotos mit verdrehtem Kontext fluten das Netz. Oft genug sind sie offen rassistisch. Man könnte meinen, dass so etwas im 21. Jahrhundert nicht mehr funktioniert. Das Gegenteil ist der Fall. Immer mehr Idioten scheinen wie Krokusse im Frühling aus der Erde zu sprießen, lassen sich von diesem geistigen Müll manipulieren. Leider gehören immer öfter auch alte Freunde dazu.
In den Diskussionen habe ich mir bereits die Finger wund getippt. Häufig bin ich müde davon. Der Gegner scheint übermächtig. Vor allem ist er an Gegenargumenten einfach nicht interessiert. Das frustriert. Und, ganz ehrlich, ich mache mir inzwischen ernsthaft Sorgen darüber, in welche Richtung sich diese Gesellschaft entwickelt, wenn man nichts oder zu wenig dagegen unternimmt.
Ich muss also weiterhin etwas dagegen tun- etwas, das größer ist, das einen Rahmen hat, der über eine Kommentarspalte hinausreicht. Für irgendetwas muss das Geschichtsstudium ja gut gewesen sein. Sei es nur, um meinen Frust zu kompensieren. Darum habe ich mich für diese Rubrik hier entschieden. Ich werde fortan in regelmäßigen Abständen Facebook-Memes mit fragwürdigen Aussagen, Fakemeldungen und andere Inhalte auf ihren politischen Hintergrund hin anaylsieren und dekonstruieren und zwar genauso, wie ich es mit einer historischen Quelle auch machen würde… naja… vielleicht ein bisschen unterhaltsamer. Es gibt bereits einige Formate, die auf ähnliche Weise politische Arbeit leisten. Ich werde darauf achtgeben, dass ich eine eigene Nische fülle. Schließlich ist es auch für den Ottonormalbürger wichtig, Nazi-Kram zu erkennen, wenn er einem vor die Füße fällt. Nazis muss man Nazis nennen und diese Memes sind echt die Pest!
Meine Ausführungen werde ich dann hin und wieder veröffentlichen. Ich weiß nicht, wieviel oder wie viele ich damit erreichen werde. Zweifellos kann ich nicht jeden Müll im Netz auf diese Weise aufräumen, höchstens einen sehr, sehr kleinen Bruchteil. Trotzdem will ich es tun. Vielleicht lernt Irgendjemand was dabei. Zumindest kann es diejenigen, die ohnehin auf meiner Seite stehen, aber nicht wissen, wie sie sich wehren können, mit neuen Argumenten versorgen.
Wer auf Facebook über einschlägige Inhalte stolpert, aber nicht sofort weiß, was er sagen soll, darf meine Texte dann gern an entsprechender Stelle verlinken.
Ich beginne mit dem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Also los!
Gestern Abend hat mich über die Facebook-Chronik eines Freundes folgendes Meme/Bild erreicht:
Wichtig: Dieses Bild zeigen wir nur im Sinne der kritischen Analyse und distanzieren uns meilenweit vom Inhalt. |
Das Meme scheint zuerst von den Betreibern der Facebook-Seite „Multikulti? Nicht mit uns“, veröffentlicht worden zu sein. Weitere Informationen zu Urheberschaft oder Herkunft lassen sich zumindest nicht kurzfristig ermitteln. Veröffentlicht wurde das Meme am 26. Juni. Ich bin am Abend des 18. Oktober 2015 darauf aufmerksam geworden. Es geistert also schon seit einigen Monaten im Netz herum und ist bereits über 9000mal geteilt worden! Da das Meme auch bei „Multikulti? Nicht mit uns“ unter der Rubrik Handy-Uplouds geführt wird, sind ein noch älterer Ursprung und ein anderer Urheber sehr wahrscheinlich.
An der äußeren Form ist neben dem rot-schwarzen Hintergrund vor allem die Schriftart hervorzuheben. Die weißen Lettern des Textes sind in Fraktur gehalten. Möglicherweise ist dies bereits ein bewusst gewählter formaler Bezug auf die guten, althergebrachten, deutschen(?) Werte. Ferner bemerkenswert ist die Abwesenheit von Rechtschreibfehlern. Der Satzbau ist schlicht. Die Aussage sollte wohl möglichst eingängig sein. Dafür spricht auch die exzessive Verwendung von Satzzeichen…
Wenden wir uns nun dem Inhalt zu. Der Text beginnt mit der vermeintlichen Feststellung, dass „Deutschland das Land der Deutschen“ sei, was ja dem philosophisch interessierten Leser sofort eine Frage abnötigt: Was ist das denn jetzt eigentlich - ein Deutscher?
Da diese Frage weder historisch noch biologisch widerspruchsfrei zu klären ist und auch im Meme selbst kein neuer Definitionsvorschlag unterbreitet wird, müssen wir vorerst annehmen, dass damit alle Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland gemeint sind. Die weitere Textanalyse, soviel schon vorab, wird uns aber auch diese Annahme für unangebracht halten lassen.
Schon im nächsten Satz wird es brenzlig. „Opa ist im Krieg gefallen.“ mag ja für sich allein eine völlig wertfreie Tatsachenbeschreibung darstellen. Schließlich sind im zweiten Weltkrieg (der ist hier sehr wahrscheinlich gemeint) eine Menge Großväter gefallen.
Im Gesamtkontext des Memes, in dem es um die Verteidigung oder um die Weigerung „unser Land kampflos auf[zu]geben“ geht, drängt sich allerdings eine weitere Frage auf. Diese Frage ist für die Beurteilung des Memes insgesamt eminent wichtig.
Vertritt der Urheber die Meinung, dass Opa in diesem Krieg lediglich die Heimat verteidigt hat, und - wenn ja- bestreitet der Urheber damit indirekt, dass dieser Krieg die Errichtung einer national-sozialistischen Herrschaft über ganz Europa zum Ziel hatte? Leider drängt sich hier in beiden Fällen die Antwort Ja auf.
Wir wollen es der Vorsicht halber hier auch noch einmal erwähnen. Der zweite Weltkrieg war ein Angriffskrieg, der vom deutschen Reich mit dem Ziel der Landnahme und der Unterwerfung beziehungsweise der Auslöschung anderer Völker geführt wurde. Wer dies zu leugnen versucht, ignoriert die Existenz von Millionen historischer Quellen, die eben dieses eindeutig belegen, und macht sich darüber hinaus nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland strafbar.
Völlig unabhängig von der Frage, wie viele Opas unfreiwillig im zweiten Weltkrieg mitkämpften oder wie sie jeweils zu dessen Zielen standen, ist das Meme mit diesem Satz bereits ganz nah dran - an der Geschichtsklitterung und damit auch am Faschismus.
Der nächste Halbsatz „Oma hat es wieder mit aufgebaut“ ist weitaus weniger verfänglich. Gleichwohl handelt es sich auch hier um die Anspielung auf einen Mythos, der als überholt gilt. Näheres dazu kann man in der unten genannten Abhandlung von Leonie Treber nachlesen. Tatsächlich haben die sogenannten Trümmerfrauen nur einen Bruchteil der Aufräumarbeiten geleistet, die man ihnen in der jüngeren populären Geschichtskultur zugeschrieben hat.[1]
Kommen wir nun zu den letzten drei Zeilen, die für die Gesamtbeurteilung des Memes sicherlich die wichtigsten sind! „…und nun sollen wir unser Land kampflos aufgeben?? Niemals!!!“
Fast noch bemerkenswerter als die Ankündigung, dass man „unser Land“ nicht „kampflos aufgeben“ werde, ist die indirekte Unterstellung, die mit dem Satz vorgenommen wird. Es wird gleichsam behauptet, dass sich „unser Land“, also Deutschland, in großer Gefahr befinde beziehungsweise dass es bedroht werde. Jetzt fragt sich der geneigte Leser, welche Bedrohung damit gemeint ist, wo doch die Bundesrepublik Deutschland geographisch ausnahmslos von Verbündeten umgeben ist. Vermutlich, soweit dürfen wir uns wohl aus dem Fenster lehnen, spielt das Meme auf die hohe Zahl von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Südosteuropa an, die derzeit nach Deutschland einreisen und um Asyl bitten. Zugegeben sei an dieser Stelle, dass die schiere Menge der Flüchtlinge für die deutschen Behörden zumindest kurzfristig eine ernstzunehmende logistische Herausforderung darstellt. Ja, das stimmt.
In welcher Weise man diesen Umstand als Bedrohung ansehen müsste, bleibt unklar: Die Supermarktregale sind zum Bersten gefüllt, Sozialleistungen werden nach wie vor ausbezahlt. In deutschen Innenstädten kann man sich weiterhin sicher bewegen. Verkehrsunfälle stellen statistisch eine größere Bedrohung dar als gewalttätige Kriminelle. Die Steuereinnahmen sind so hoch wie selten. Die politischen Entscheidungsträger sehen endlich ein, dass sie diese Mittel verstärkt in sozialen Wohnungsbau und in Lehrer investieren müssen…vielleicht...
Ich schweife ab. Nur dies eine: Flüchtlinge sind keine ernstzunehmende Bedrohung und es gibt auch sonst keine ernstzunehmende Bedrohung.
Nachdem wir das geklärt haben, bleibt nur noch die Formulierung übrig: „…kampflos […] Niemals!!!“ Aufgrund der überschaubaren Textmenge ist es hier natürlich nicht so einfach eine eher metaphorische Verwendung des Wortfeldes „Kampf“ auszuschließen. Mit Rückbezug auf den im Krieg gefallenen Opa ist es jedoch naheliegend, dass mit einem solchen Kampf tatsächlich nicht nur die politische Auseinandersetzung nach gesetzlich vorgesehenen Spielregeln gemeint ist, sondern im Endeffekt auch die Ausübung von Gewalt.
Zusammenfassung
Der Urheber des oben aufgeführten Memes offenbart eine zweifelhafte Einstellung zur Geschichte des Nationalsozialismus, verbreitet schmalzige und unwahre Deutungen zur Nachkriegsgeschichte und ruft zumindest indirekt zur Gewalt gegen Menschen auf, die in Deutschland leben, seiner eigenen Ansicht nach aber keine Deutschen sind. Darum bewegt sich der Text seiner Unterschwelligkeit zum Trotz zumindest an der Grenze zum Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB[2].
Sowohl der Urheber als auch all jene Personen, die dieses Meme kommentarlos weiterverbreiten und damit ihre Zustimmung äußern, setzen sich dem Verdacht einer nationalistischen Gesinnung aus.
Dieses Meme als Nazi-Kram zu bezeichnen ist demnach nicht etwa das unbegründete Schwingen der vielbeschworenen „Nazikeule“, mit der man etwa „unbescholtenen“ Menschen den Mund verbieten wollte, sondern eine schlichte Tatsachenbeschreibung.
Nazis muss man Nazis nennen!
[1] Mythos Trümmerfrauen: Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes, Essen 2014.
[2] http://dejure.org/gesetze/StGB/130.html
Ich bin sehr dankbar für deinen Beitrag, Christofer. Jeder Inhalt, welcher der eigenen antirassistischen Haltung mehr Fundament gibt, ist heute wichtig und spannend. Denn bei mir schwingt immer die Angst mit, dass die Rechten auch mal Fakten platzieren, die wahr sind und ihre Standpunkte stärken.
AntwortenLöschenIch habe schlicht einem inneren Verlangen nachgegeben. Vor allem bin ich Dir und Euch dankbar, dass ich hier die Möglichkeit erhalte meine Ansichten in einem angemessenen Rahmen mitzuteilen!
LöschenAuf den Punkt. Wird geteilt!
AntwortenLöschenAber sowas von!!! richtig gut gemacht, und immer weiter machen! Hatte Freitag Abend eine etwas längere Diskussion zur Flüchtlingskrise und habe gegen sehr unverständige Personen argumentieren müssen. Seitdem sammle ich alles an Informationen, was geht. Und da sind solche Ausführungen echt wertvoll. Vielen Dank!
AntwortenLöschen(und, damit es nicht falsch verstanden wird: ich sehe die Flüchtlingskrise auch nicht als Bedrohung, sondern nur als Herausforderung; vielmehr liegt die Bedrohung in Herausgebern solcher Memes)
Bravo, bravo, bravo!
AntwortenLöschenIch verneige mich vor dem Text, vor der Idee und vor deiner Entschlossenheit, ebenfalls auch vor dem Blog, dass er dir eine Plattform bietet.
AntwortenLöschenWeiter so alle Menschen!
Sehr gut! Pointierte, wissenschaftliche Analyse, sehr informativ und ich bedanke mich für die guten Argumente. Mein Facebook-Feed wird derzeit auch geflutet mit irgendwelchen Neuigkeiten über gewalttätige Flüchtlinge und/oder anderer fragwürdigen Aussagen über das Verhalten von bereits angekommenen Flüchtlingen. Ich habe mich auch bereits dazu geäußert und meinte solche "News" doch mal etwas vorsichtiger zu teilen, um die ja doch nun allgemein angespannte Gefühlslage der Menschen nicht noch mehr aufzuschaukeln, aber nähert man sich solchen Post-Teilern mal kritisch, stößt man leider sehr häufig auf taube Ohren (oder in dem fall blinde Augen). Wurmt einen dann doch =/
AntwortenLöschenDeshalb begrüße ich ebenfalls solche Beiträge im Sinne eines eher positiven Memes: "Faith in humanity restored!"