Blaue Blumen

Es gibt Ideen, die sind sehr gut. Beispielsweise das "Black & Tan". Das ist Guiness mit Kilkenny vermischt. Also Bier mit anderem Bier. Dann gibt es noch Ideen, die sind nicht so clever. Zum Beispiel im Zug bei voller Geschwindigkeit die Notentriegelung der Tür betätigen. Es gibt allerdings auch Ideen, die vom Prinzip her sehr gut sind, in der Ausführung allerdings nicht ganz so durchdacht waren. Mit so einer Idee hatte ich es zu tun, als mein guter Freund Jay eines Septembers auf mich zu kam und mir einen Plan offerierte, den er zusammen mit einer gemeinsamen Freundin ausgearbeitet hat.


Der Plan war recht simpel:

Zwei Autos, acht Leute und eine Fahrt nach Belgien.

Genauer gesagt ging es nach Halle in Belgien. Noch genauer gesagt ging es in den dortigen Wald, den Hallerbos.

Natürlich gibt es auch hier genug Wälder, die man anfahren kann. Aber der Hallerbos hat eine Besonderheit: In einem Teil des Waldes wachsen haufenweise blaue Blumen. Fragt mich jetzt bloß nicht, was das für welche waren. Mein grüner Daumen beschränkt sich auf ein Erlebnis vor ein paar Jahren, bei dem ich mir versehentlich grüne Lackfarbe über die Finger gekippt habe.


Zurück zum Thema:

Bei mir machte sich Skepsis breit, weil ich es anfangs für ziemlichen Kokolores hielt, wegen Blumen nach Belgien zu fahren.

Dann zeigte mir Jay ein Foto des beblumten Waldes. Der Fotograf in mir stieß ein lautes "Holladibolla" aus und es war klar: Wir ziehen das durch, es musste nur noch ein Termin gefunden werden, am besten möglichst zeitnah.


Ein paar Wochen später war es dann so weit.

Nachdem ich meinen kleinen Koreaner (also mein Auto) fit gemacht habe für die lange Fahrt, ging es dann los. Pünktlich mit 10 Minuten Verspätung wurde dann abgedüst und die Motivation kam uns schon fast aus dem Ohren. Wir hatten richtig Bock!


Als wir die holländische Grenze überquert hatten, wusste ich wieder, warum ich dieses Land so liebe. Nicht nur wegen der wirklich freundlichen Menschen, der schönen Landschaft und des lustigen Dialektes, den die Niederländer haben, wenn sie Deutsch reden. Nein, vor allem, weil deren Autobahn wie geleckt ist! Kein Schlagloch, keine Huckel, nur flacher, perfekter Asphalt. Ein Traum aus Teer!


Blöd nur, dass man irgendwann nach Belgien kommt.

Ungelogen, ab dem Schild, das die Landesgrenze markiert kommt man auf eine Fahrbahn, die vielleicht für schwere Kettenfahrzeuge, sicherlich jedoch nicht für einen kleinen Hyundai geeignet ist. Diese Autobahn ist im Prinzip eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern und Unebenheiten, wo sich zwischendurch immer mal wieder so circa 10 Meter Straße eingemogelt haben.


Weil es auch noch kräftig geregnet hat, hat sich diese Huckelscheiße auch binnen Femptosekunden mit Wasser gefüllt und ich will nicht lügen, doch ich meine mit Tempo 130 an einem Typen vorbeigehämmert zu sein, der in einem solchen Krater gebadet hat. Vielleicht sind in Holland auch nur irgendwelche Dämpfe in das Innere meines Wagens gedrungen.

Zurück nach Belgien:

Jetzt ist die Federung meines Wagens relativ hart. Mein Hintern hat nach der kilometerlangen Autobahnfahrt weh getan, als hätte ich mich im Knast nach der Seife gebückt. Etwas später sind wir in Halle angekommen. Weil ich leider manchmal nicht ganz so intelligent bin und statt "Hallerbos" nur "Halle" ins Navi eingehackt habe, durften wir noch eine Ehrenrunde durch den Stadtkern drehen.

Dieses Nachdenken liegt mir manchmal nicht so ganz.

Irgendwie haben wir es dann doch geschafft den Wald zu erreichen und was soll ich sagen: Leck mich de Söck, das Ding ist ein Träumchen. Also Karre abstellen, Rucksack schultern und ab dafür!

Nach circa 10 Minuten kamen wir an ein Schild, auf dem blaue Blumen abgebildet waren. Und ein Text in belgischer Nationalsprache. Man kann davon ausgehen, dass dieses Schild uns sagen wollte, dass hier diese blauen Blumen hätten sein sollen. Da waren aber keine.


Dann fing es deutlich hörbar in meinem Kopf zu rattern an.

"Ah, Moment: Blumen wachsen im Frühling. Wir haben September. Der September ist nicht im Frühling. Das heißt, dass der Frühling vorbei ist." Und dann zog ich daraus die Schlussfolgerung, für die Columbo mich beneidet hätte: "Wenn jetzt September ist und der Frühling schon längst um ist...

Scheiße, wir sind quasi für Nöppes hier hingedüst."


Nachdem ich festgestellt hatte, dass dieses Unterfangen ziemlicher Mumpitz war und wir alle grottendämlich sind, sind wir weitergelaufen. Weil wenn man schon mal da ist, dann will man ja auch was davon haben. Wie sich erfreulicherweise herausstellte, war es ganz und gar kein Tinnef zum Hallerbos zu fahren. Der Spaziergang war richtig gut und ich bin mit reichlich Bildern auf dem Fotoknips nach Hause gekehrt. Außerdem war die reiselustige Truppe, mit der ich unterwegs war echt der Wahnsinn.


Bevor es dann aber zurück in die Heimat ging, wollten wir uns Halle noch angucken. Einige von uns kannten zwar schon ein bisschen von der Stadt (man erinnere sich an die Hinfahrt) aber das war ja nicht viel. Außerdem hatten die Mitreisenden Hunger. Also sind wir nach Halle zurückgefahren und stellten fest, dass sich dort ein Jahrmarkt niedergelassen hatte. Wir gingen ihn ab, was nicht lange dauerte, so groß war der nicht. Das erste, das mir auffiel war, dass dort sehr merkwürdige Gestalten umhermeanderten. Ich war beruhigt, dass es auch außerhalb von Deutschland sehr sonderbare Zweibeiner herumeiern.


Weil meine Reisegruppe den Wunsch nach Nahrung hegte, gingen wir die Restaurants und Bars der Innenstadt ab und studierten die Speisekarten. Ich habe zwei Thesen entwickelt: Entweder man bekommt im belgischen Halle Portionen, die man nur mit einer Mistgabel vernünftig essen kann oder die Dudes und Dudettes in Belgien haben zu viel Kohle. Beispiel: Für den Preis, den ein Lokal für ein Stück Fleisch mit etwas Kartoffelbeilage verlangte, hätte man sich in Deutschland als Landwirt selbstständig machen können. Lange Rede, gar kein Sinn, im Endeffekt lief es darauf hinaus, dass wir uns auf dem Jahrmarkt jeder eine Tüte Pommes kauften und uns in eine Kneipe setzten, die uns dort essen ließ.

Und wieder einmal stellte ich mir die Frage:

Welcher hirnlose Vollspacken ist eigentlich auf die Idee gekommen, Fritten in eine Papiertüte zu füllen und die Soßen darüberzukippen? War bestimmt ein Belgier, die haben ja drei Kompetenzen, die sie beherrschen: Bier, die Zubereitung von Pommes und Pralinen. Pommes sinnvoll zu verpacken haben die nicht so drauf.
Warum eine Papiertüte für diesen Zweck scheiße ist? Ganz einfach.


Wer mich kennt weiß, dass ich unter einer mittelgroßen Portion mit dem Essen gar nicht erst anfange. Jetzt sind diese Papiertüten vom Schnitt her unten ja eher spitz zulaufend und recht groß. Das hat den Nachteil, dass sich die Pommes dann in der Spitze der Verpackung sammeln und ich mit meinen Wurstfingern nicht drankomme. Ich höre euch schon sagen: "Aber Tobi, man kann die Tüte doch aufreißen." Das ist richtig aber weil ich mir ja immer noch literweise Soße draufkippen lasse, damits beim Schlucken nicht quietscht, sieht man nach dem Aufreißen der mit Ketchup getränkten Tüte aus, als hätte man grade mit bloßen Händen eine Blinddarmoperation durchgeführt. Genug "Mimimi", weiter im Text.


Wir saßen nun also in Belgien in einer Kneipe und knusperten genüsslich die Fritten. Ein Blick auf die Karte ließ meine Augen sehr groß werden, denn natürlich gab es dort Leffe Blond. Leffe Blond ist ein belgisches Klosterbier, das mit feinen Vanille- und Nelkennoten zu überzeugen weiß. Oder ums kurz zu machen: Für dieses Gebräu würde ich meine Oma verkaufen! Jetzt gabs nur einen Haken: Ich war ja der Fahrer. Also kein Bier für den dicken Onkel. Allerdings saß mir Jay gegenüber. Und Carmen daneben. Und beide bestellten sich ein Leffe Blond. Ich bin ja eigentlich jemand, der nicht schnell piesepampig wird aber in diesem Moment habe ich puren Hass empfunden. Und Neid. Aber vor allem... Bierdurst. Ich musste mich mit Kohlensäure versetztem Eistee zufriedengeben, was genauso widerwärtig war, wie es klingt.


Kurz bevor wir losdüsen wollten, ging jeder noch mal die sanitäre Rumpelkammer aufsuchen. Nicht zuletzt, weil meine Ansage war, dass wenn wir anhalten müssen, weil jemand Lulu machen muss, wir den- oder diejenige an der Raststätte zurücklassen.Auf dem Weg zur sanitären Abteilung musste man durch eine Tür, hinter der ein schmaler Gang war. Direkt rechts führte eine Treppe hoch zur Damentoilette, wohingegen am Ende des Ganges hinter einem Türrahmen die Herrenabteilung zu sehen war. Ich schritt den Gang entlang und fühlte mich ob der urigen Einrichtung ein bisschen in die Mitte des 20. Jahrhunderts versetzt. Nach erreichen des Türrahmens, der die Grenze zwischen Kundentoilette und Gang abzeichnete, schaute ich mich erst mal um. Es gab ein Waschbecken, einen Lokus in einem Séparée und zwei Stehkeramiken, die rechts an der Wand montiert waren. Es gab allerdings eine Sache, die ich schmerzlichst vermissten: Eine Tür, die den Gang vom Ort des Geschehens blickdicht abriegelt.

Das Fehlen eben dieser Tür hieß nämlich, dass jede Person, die diesen Gang betritt, sei es ein Kerl, der dann geradewegs auf einen zukommt, oder eine Dame, die nur die Stiegen hinaufkraxeln will, sofort nach Betreten des Ganges einem volles Brett auf den Bolzen glotzen kann. Und es gibt Dinge, die nicht unbedingt jeder sehen muss. Zumindest meiner Meinung nach. Nachdem getan wurde, was getan werden musste, ging es dann auch wieder in die Heimat zurück.


Auf der Autobahn fiel mir auf, dass ich so langsam mal ans Tanken denken sollte. "Ah komm, machste in Holland", sagte ich zu mir. Bis Holland war es nicht mehr weit und ich hatte mich grade wieder an die Krater in der Straße gewöhnt. In den Niederlanden angekommen wurde mir klar, dass diese Idee so unfassbar scheiße war, weil ich nicht wusste, dass die Holländer ihren Sprit scheinbar vergolden. Anders kann ich mir die Preise nicht erklären. An der ersten Tankstelle bin ich noch vorbeigefahren, weil ich wissen wollte, was die ungefähr für einen Liter haben wollten.

Beim Passieren dachte ich noch: "Die Tankstelle hat bestimmt einen Fehler im System".

Bei der Zweiten wurde ich dann misstrauisch und bei der dritten Station war klar: Die Holländer müssen dringend mit dem Kiffen aufhören. Durchschnittlicher Preis für den Liter Super an dem Tag: 1,56!


Also war klar: Wir tanken erst in good old Germany. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob das gut gehen würde. Nach passieren der niederländisch- deutschen Grenze war es schon kritisch mit der Tankfüllung. Aber zum Glück zeigte ein Schild im Fahrbahnrand an: Noch 7 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle. "Gott sei Dank" dachte ich, gefolgt von "FUCK!", als mein Navi mir sagte, dass ich in fünf Kilometern die Autobahn wechseln sollte. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Auf Risiko spielen und dem Navi folgen oder auf Nummer sicher gehen und bis zur nächsten Tanke düsen.

Ich entschied mich für die Risikovariante und folgte dem Navi. Nach 10 Kilometern kam zum Glück die nächste Raststätte. Liter Super: 1,36. Alles unter 1,56 hat sich meiner Ansicht nach gelohnt.


Der Rest der Rückfahrt war dann wieder sehr unspektakulär und ich war schon ein wenig froh, als ich nach Hause kam und mich einfach in mein Bett fallen lassen konnte.


(Die Fotos aus Belgien findet ihr übrigens hier)

Kommentare

Vielleicht auch spannend: