Warum das Wort eine Waffe ist!

Ein Gastbeitrag von von Fatih Serbest

Immer dasselbe Spiel. In den Medien passiert etwas und alle reden darüber. Viele Schreiben auch darüber. Ich habe den folgenden Text in meinem Kopf schon zigmal geschrieben. In Wirklichkeit hatte ich gar keine Lust es in die Tastaturen zu tippen. Jetzt schreibe ich es doch. Nicht weil mich das folgende Thema sonderlich interessiert. Das tut es auch so. Weil ich Sprachwissenschaften studiert habe. In Wirklichkeit aber, konnte ich einfach nur nicht schlafen. Weil ich etwas krank geworden bin. Leichte Grippe. Egal. Kommen wir zur Sache.

In der Sprachwissenschaft gibt es einen Teilbereich. Der nennt sich „Pragmatik“. Darin geht es ganz grob gesagt darum, inwiefern man mit Sprache Handlungen ausüben kann. Da die meisten von euch gerne Wikipedia nutzen und ich nicht wissenschaftlich werden möchte, hier der kurze allgemeine Auszug, womit sich die Pragmatik beschäftigt. Also. Pragmatik:
„…beschäftigt sich in der Linguistik mit der Beschreibung von kontextabhängigen und nicht-wörtlichen Bedeutungen bei der Verwendung von sprachlichen Ausdrücken in jeweils konkreten Situationen und mit den Bedingungen für ihr Entstehen…“.
Nochmal anders. Als sprechender Mensch führe ich auch eine Handlung aus. Handlungen sind in der Sprache, das Äußern von Wünschen, das Vollziehen einer Aussage oder auch eine Beleidigung. In der Pragmatik versucht man diese Handlungen nicht nur aus den ausgesprochenen Worten zu filtern, sondern auch aus der Umgebung, in der eine Handlung vollzogen wird. Dabei kann alles erdenkliche eine Rolle spielen. Der Ort, die beteiligten Personen, die Zeit, das Hintergrundwissen usw. Die zu berücksichtigenden Faktoren sind tatsächlich unermesslich. Zu beachten ist, dass wir genau wissen, was gemeint ist. Wenn mein Arbeitskollege mich fragt: “Und, wie sieht es aus?“ weiß ich ganz genau, dass er wissen möchte, ob ich bei unserem monatlichen Pokerturnier das nächste Mal dabei bin. Das nur, weil ich genau weiß, was auch er weiß. Für einen Außenstehenden kann es verschiedenes bedeuten. Ein Außenstehender müsste interpretieren. Aber genug jetzt, ich möchte unsere Twittergemeinschaft nicht überstrapazieren.

Als handelnder Mensch, in diesem Fall durch das reine äußern von Worten, kann ich natürlich auch strafrechtlich verfolgt werden. Wenn ich nachweislich jemanden beleidige, kann ich bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bekommen (Strafgesetzbuch, Besonderer Teil, §§ 80 – 358, 14. Abschnitt – Beleidigung §§ 185 – 200; Quelle: https://dejure.org/gesetze/StGB/185.html).

Natürlich kann ich auch Menschen mit meinen Worten verletzen. Ich kann das sogar so machen, dass ich hinterher mich aus der Sache ganz unschuldig wirkend, rausziehen kann. Ich könnte zu meiner Ex sagen:“ Und. Hört dein Neuer auch wenn du sagst „Spring“?“ Das wäre bewusst verletzend. Hinterher könnte ich mich verteidigen, indem ich behaupte:“ Du hast mir nie den Freiraum gelassen, den ich gebraucht hab.“

Das Beispiel ist schon fast harmlos. Dennoch verletzend. Nun kann ich natürlich viel weiter gehen. Ich könnte bewusst versuchen eine Meinung zu generieren oder auch, anders ausgedrückt, zu produzieren. Eine Meinung in der Bevölkerung z.B.. Dazu bräuchte ich natürlich eine große Bandbreite an sehr vielen Lesern, die ich über ein Medium (z.B. Zeitung oder eine Internetplattform für Nachrichten) verbreite. Das passiert die ganze Zeit. Obwohl ich seit vier Jahren kein Fernsehen mehr schaue, bekomme ich vieles mit. Leider viel zu viel.

Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Thema, was mich stört. Was mich bewegt und was mich verletzt. Ich bin nicht der Einzige. Es geht um die bewusste Benennung von menschlichen Rassen und das bewusste Verbinden von Eigenschaften mit diesen Rassen. Zumindest das scheinbar „unverbindliche“ wiedergeben von Nachrichten, in denen etwas mehr steckt, als nur Worte. Als vernunftbegabte Menschen wissen wir, dass eine Rassenunterteilung der größte Schwachsinn ist. Spätestens nach der Sklaverei von Menschen mit schwarzer Hautfarbe oder dem 2. Weltkrieg.

Aktuell läuft die Debatte über die Bezeichnung „Nafri“. Hier geht es nicht um den Einsatz der Polizei. Nur um das Wort. Das Wort ist nicht nur ein Codewort für eine bestimmte Kategorie von Verbrechern. Das hätte man auch mit weniger hinkriegen können ohne das Wort „Nordafrikanisch“ mit einzubauen. VD67 hätte es auch getan. Abgesehen davon, kriegen wir nicht mit, welche Einsätze unsere Polizei tagtäglich durchführen muss. Hier ist es in den Medien ein heißes Eisen geworden. Weil eine Bevölkerungsgruppe sich angegriffen und beleidigt fühlt. Nicht die, die Verbrechen begangen haben. Die Unschuldigen sind es, die sich verletzt fühlen. Im Übrigen, sind Wörter wie „Islamist“ oder „Ausländer“ oder „Asylant“ mittlerweile in der Sprache auch dort angelangt, wo sie niemals hätten hinkommen dürfen. Zu den sprachlichen Äußerungen der Beleidigungen. Glaubt ihr nicht? Fragt mal die Leute auf der Straße, was sie bei den Worten als Erstes denken. Vielleicht seid ihr auch mutig genug um zu sehen, wohin diese sprachlichen Äußerungen noch führen könnten. Ich möchte es hier nicht aussprechen, aber ich habe als Vater von zwei Kindern, große Angst davor. Für andere ist es Alltag. Vor diesem Alltag fliehen sie. Zurecht!

So. Jetzt hoffe ich, dass ich etwas ruhiger schlafen kann und meine kurz vor dem Ausbruch stehende Krankheit etwas auskuriere.

Über den Autor:
Fatih Serbest, 36 Jahre alt; in Koblenz geb.; in Mainz seit 2002; hab Philosophie, Englische Sprachw. und Deutsche Philologie studiert; schreibe viel

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