Prosa-Häppchen: Utopie

Wir sind unter grauem Himmel geboren: Mit unserem ersten Atemzug haben wir graue Luft eingesogen und unser erster Blick galt grauem Licht. Wir sind zwischen grauen Trümmern aufgewachsen, umgeben von grauem Wald, grauen Bergen, grauem Meer. Wir spielten auf grauen Straßen, zwischen grauen Häusern, die in graue Wolken ragen.

Unsere bloßen Füße sind nie sauber, immer klebt ein Teil unserer grauen Welt an ihnen und aus unserer Kleidung klopfen wir täglich den grauen Staub, der uns auf die Schultern fällt. Mit grauem Wasser waschen wir uns den grauen Schweiß von der Haut, und werden doch nie sauber, bleiben grau.

Wir fühlen uns grau an und so riechen wir auch. Unsere Küsse schmecken grau und wir vergießen graue Tränen. Unser Lachen klingt grau, genau wie unser Weinen. Wir tragen graue Narben auf grauer Haut und grauem Herz. Wir tragen graue Gefühle, in grauen Seelen - graue Liebe, graue Freude, graue Lust, graue Wut, grauer Schmerz. Wir sind graue Menschen mit grauen Träumen, grauen Sehnsüchten und grauer Hoffnung. Wir denken graue Gedanken, sprechen graue Worte und wir schweigen auch grau.

Wir sehen wie graue Nächte zu grauen Tagen, zu grauen Nächten zu grauen Tagen, zu grauen Nächten zu grauen Tagen werden. Grau verinnt unsere Zeit, grau ist unser Leben.

Doch unsere Welt kennt unendlich viele Farben - Aschegrau, Mausgrau, Betongrau, Rauchgrau, Regenwolkengrau, Staubgrau, Kieselgrau, Grafitgrau, Asphaltgrau, Gewittergrau, Silbergrau, Wolfsgrau, Schiefergrau, Elefantengrau, Himmelgrau...

Unsere Welt kennt unendlich viele Farben. Nur Schwarz-Weiß - das kennt sie nicht.


Ob unterwegs auf dem Weg zur Arbeit, in der Raucherpause oder auf dem Klo. Unsere Häppchen sind kurze Texte für den kleinen Lese-Hunger zwischendurch - quasi das fast food unter unseren Blogtexten.

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