Buchbesprechung: The Artist's Way - Julia Cameron

Künstler*in ist grundsätzlich erstmal kein Ausbildungsberuf. Und welche Kunst mensch machen möchte, liegt tief in der eigenen Seele. Und auch wenn nicht jeder mensch in sich den Wunsch hat, Kunst zu machen, so haben wir ja doch alle einen Zugang zu Kreativität. Und egal was von Beidem es ist, kann es bei uns allen zu Blockaden kommen. 

Gerade Künstler*innen hängt ja auch der Ruf an, dass sie häufig eine schwierige Biografie haben oder viel Herausforderndes erlebt haben. Und auch wenn das zu Teilen Klischee, Wahrheit, Wahrnehmung oder Marketing ist, kann es halt wirklich immer sein, dass uns etwas Leben in den Weg kommt um kreativ oder künstlerisch zu werden.

Julia Cameron hat "The Artist's Way" schon vor Jahrzehnten - in einer ersten Version - geschrieben. Viele berühmte Künstler*innen und auch andere prominente Menschen beziehen sich auf dieses Buch. Auch ich habe es gekauft, aus Neugierde, weil es in verschiedenen Podcasts und anderen Büchern als Referenz genannt wurde oder sich darauf bezogen wurde. Scheinbar hat Julia Cameron einen guten Zugang dazu gefunden, Blockaden in der Kreativität zu lösen. Wobei sie selbst dabei immer wieder vom "blockierten Künstler" und eben nicht einer Blockade in der Kreativität spricht.

"The Artist's Way" ist eigentlich ein Programm, das immer wieder wiederholt werden kann und Zwölf Wochen dauert. Darin werden diverse Aufgaben gegeben, die bei genauer Durchsicht überraschend wenig kreative Anleitung geben. Selten wird etwas künstlerisches geschöpft. Denn der Versuch des Buches ist es eben nicht, zu erklären, was Kreativität ist oder wie mensch sich dahin optimieren kann. Sondern es geht darum, Menschen zu befreien. Das klingt esotherisch und gemessen daran, wie oft das Wort "Gott" in dem Buch vorkommt - allerdings als Platzhalter für eine übergeordnete kreative Energie - ist es das auch. Daher aber auch der Untertitel des Buches "A spiritual Path to higher Creativity". In unsere Kultur, die vorgibt besonders den Intellekt schätzen zu wissen, wirkt das vielleicht erstmal abschreckend.

Aber gerade dann ist das Buch mit seiner Methode einen Versuch und die Neugierde wert. Denn die Skepsis wohnt ja nunmal oft im Intellekt. Würde sich Kunst komplett über Hirn und Intellekt erklären lassen, dann könnte es wohl eben doch ein Ausbildungsberuf sein. Ist es aber nicht. Und wir könnten besser im vorraus berechnen, was beliebte, ästhetische und erfolgreiche Kunst wird. Ja, vielleicht wären wir uns sogar einig was Kunst ist, wenn sie ausschließlich ein Prozess des Hirns wäre. Aber scheinbar spielt da sowas wie die Seele auch noch mit.

Die Methoden und Aufgaben in dem Buch, beschäftigen sich sehr mit der Erforschung der eigenen Ängste, der eigenen Hürden, der Biografie, der Wünsche und Sehnsüchte. Sowohl die kleinen Methoden, als auch die sich durchziehenden Aufgaben wie die "Morning Pages" und der "Artist's Dates" haben nicht zum Ziel, etwas zu produzieren und zu erschaffen, sondern ein Bewusstsein und Zugang zu sich selbst und dem eigenen Denken zu finden.

Die Morning Pages sind etwas, was Julia Cameron als "Meditation for Westeners" bezeichnet. Es ist die Aufgabe jeden Tag, jeden Morgen, noch bevor irgendetwas anderes passiert ist, drei Seiten zu schreiben. Dieses Schreiben soll sich um das eigene Denken und die eigenen Zweifel drehen Es geht nicht darum etwas kreatives zu erschaffen. Kein Gedicht, keine Kurzgeschichte, keine Konzepte. Nur Gedanken. Und was sich anfangs noch nicht effektiv anfühlt, zwischenzeitlich auch nervt und ziellos wirkt, hat auch bei mir nach einer Eingewöhnung Veränderungen bewirkt.

Ich glaube ein Teil des Geheimnisses der Methode ist, dass mensch sie als erstes am Tag macht, noch bevor wir etwas gemacht haben. Denn auch wenn Tagebuchschreiben zum Reflektieren und Ablassen eine gute Methode ist, kommen wir an andere Gedanken in unserem Bewusstsein, wenn wir noch nichts erlebt haben. Und die Morning Pages sind keine Reflektion. Sie sind keine Reaktion. Es ist aktives Denken auf dem Blatt. So ist auch ein anderer Aspekt der Methode, dass diese Seiten nicht wieder gelesen und auch nicht geteilt werden. Wir dürfen über die Erkenntnisse daraus reden, aber nicht daraus vorlesen und sie niemandem zeigen. Habe ich gespürt, dass sich Blockaden in mir lösen durch diese Methode? Ja. Und ich werde es auch über die Zwölf Wochen des Kurses hinaus fortsetzen. Es ist eine Angewohnheit, die ich behalten möchte. Es hat für mich meinen Zugang zu mir selbst im ganzen Tag verändert. Und dadurch auch meinen Zugang dazu, wann wie und wo ich Kunst machen kann und mit welchem Bewusstsein.

Bedeutet das, dass alle diese Methode anwenden sollten? Nicht unbedingt. Es sind ja auch nicht alle blockiert. Und nie ist eine Methode auch sinnvoll für alle Menschen. Manchmal muss mensch sie sich dann auch anpassen, bis sie funktionieren. Aber das Gute ist, dass dieses Buch viele Methoden anbieten, für und gegen die Mensch sich entscheiden kann. Darüber hinaus gibt es viele tolle Impulse zu Fragen die wir uns als Menschen stellen könnten, egal ob wir Kunst machen oder nicht. Wie soll ich mit Neid umgehen? Wie mit Ruhm? Was ist Erfolg für mich? Was hält mich auf zu tun, was ich tun möchte? Wie kann ich mir selbst besser vertrauen? Für all diese Fragen und noch viele mehr gibt es kluge Denkanstöße.

Trotzdem bleibt "The Artist's Way" am Ende ein Buch für die Praktiker*innen. Es aktiviert Dinge zu tun und nicht nur zu Grübeln. Es bietet wenig Wissenschaft und viel Expertise an. Und was der Unterschied dazwischen ist, ist vielleicht mal ein Thema für einen anderen Blogbeitrag. Ich kann dieses Buch und die Zeit die es fordert sehr empfehlen. Auch wenn ihr euch selbst vielleicht nicht als blockiert wahrnehmt. Es gibt nämlich durchaus Momente in dem Buch die einen so herausfordern, dass einem die eigene Blockaden dann doch sichtbar werden.

Wollt ihr weitere Buchtipps? Habt ihr welche für mich zum Thema Kreativität oder zum Kunstmachen? Wollt ihr ergänzende Fragen stellen? Schreibt mir gerne einen Kommentar oder eine Email. Ich antworte so bald ich kann und Zeit habe.


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