Was ist Blackout Poetry?
Wir gehen direkt rein: Blackout Poetry ist eine Form von so genannter Found Poetry. Found Poetry ist der Oberbegriff für Poesie, die nicht aus selbst- und neu-geschriebenen Worten besteht, sondern in schon vorhandenen Texten versucht (neue) Poesie zu finden. Dafür werden andere Textteile verändert oder beseitigt oder gemischt. Im Deutschen hilft vielleicht zum Verständnis der Unterschied zwischen den Worten "Erfunden" und "Gefunden". Denn auch da ist die Erfindung immer etwas selbst erdachtes, das Gefundene aber etwas, was eben schon da war, aber entdeckt werden musste.
"022" erstellt 2022 |
Bei der Blackout Poetry werden zum Finden der neuen Poeme dafür Teile des Textes gestrichen, häufig mit schwarzer Farbe. Dadurch verschwinden ganze Abschnitte, eine neue Lesbarkeit entsteht.
Found Poetry hat mehrere Unterkategorien, wovon Blackout Poetry je nach Blickwinkel eine ist. Andere Unterkategorien oder vielleicht auch Genres sind:
Erasure
Hier wird Text beseitigt und gelöscht. Das kann durch Wegschneiden und Zerstören der anderen Textteile entstehen.
Cento
Hier werden aus unterschiedlichen Texten Zeilen und Worte genommen und neu zusammengefügt. So entsteht eine Art Mash-Up und am Ende des Prozesses eine Art Collage.
Cut-Up
Ähnlich wie bei Cento werden hier Teile von Texten neu sortiert, aber alles Bauteile kommen aus dem selben Werk oder Text.
Emily Ramser schreibt in ihrer Forschungsarbeit über Blackoutpoetry, dass im Umfeld der Künstler*innen die Found Poetry betreiben unterschiedliche Sichtweisen darüber gibt, ob Blackout Poetry jetzt "Erasure" ist, weil es den originalen Text ja löscht und unlesbar macht oder aber ein eigenes Format ist, weil es ja die Farbe in Wirklichkeit zum Blatt ergänzt und damit etwas addiert. Zu dieser Diskussion ob es eine eigene Unterkategorie ist, mag ich aktuell nichts ergänzen. Das dürfen aktive Künstler*innen selbst entscheiden, wie sie es empfinden.
Blackout Poetry, wie alle Kunst, ist häufig auch politisch. Weil es den
Kunstschaffenden eben die Möglichkeit gibt, einen Text dem sie
widersprechen wollen in etwas zu verändern, dem sie zustimmen würden. Es
kann den Sinn von Texten verändern und damit ein scharfer Kommentar
gegen das Original sein. Oft ist die Botschaft aber auch ganz vom
Original gelöst und nur die Wort entliehen, um damit eine neue
Geschichte zu erzählen.
Found Poetry ist ein interessanter
Zugang ans Erschaffen von literarischen Texten. Es ist für einen selbst
spannend in Texten nach anderen Geschichten zu suchen. So kann es gut
sowohl als Spiel, als eben auch als Kunstform betrieben werden. Wer
selbst schreibt und gerade keinen Einfälle hat etwas neues auszudenken,
kann damit vielleicht wieder Inspiration finden. Oder wenigstens die
Übung darin, die eigenen Stücke etwas zu kürzen.
Ich bin auf Blackout Poetry durch Suse Bockspringer - bei einem gemeinsamen Gespräch - aufmerksam geworden. Nachdem sie die grobe Technik erklärt hatte, habe ich damit experimentiert und es inzwischen in mein aktuelles künstlerisches Arbeiten fest aufgenommen. Was ich aus meiner Erfahrung damit sagen kann, dass es, egal ob Löschen oder Addition, eine ungewohnte Handlung ist, ein Buch willentlich zu beschädigen um etwas neues zu schaffen. Spätestens wenn mensch etwas zu viel streicht oder sich vermalt, wird einem bewusst, dass es nur einen Versuch gibt. Eine reizvolle Erfahrung, die mich wieder ein bisschen mehr in die analoge Welt geholt hat. Weil das digitale, wo jede Sache veränderbar bleibt, kennt so eine Konsequenz nicht mehr.
Meine Recherche hat als Hauptquelle die äußerst gute Internetseite von der zuvor erwähnten Emily Ramser, die nicht nur Zusammenhänge einordnet rund um die Kunstform, sondern auch unfassbar starke Beispiele für Blackout Poetry zeigt. Die Seite ist Teil eines Projektes der Erforschung von Blackout Poetry, weshalb sie sich regelmäßig erneuert. Ich empfehle bei Interesse an Blackout Poetry einen Besuch und begeistertes Lesen auf:
www.thehistoryofblackoutpoetry.org
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