Fragen und Antworten #1

Um hier nicht immer nur Selbstgespräche zu führen, habe ich vor kurzem ein erstes Mal Fragen gesammelt. Ich habe nach Fragen die sich mit Kunst/Kreativität beschäftigen gesucht oder auch Sorgen und Nöten zu Themen dort. Sicher erhebe ich nicht den Anspruch, dass ich jetzt "richtige" Antworten gebe. Ich glaube ehrlich gesagt, dass viele Fragen so auch gar nicht funktionieren. Ich denke schon, dass wir hier aber ein paar Impulse finden können und vielleicht könnt ihr ja zu manchen der Fragen auch noch Gedanken und Impulse dazu legen?

Zu den Fragen:

Wie wirkt sich die Umwelt und die eigene Lebenssituation auf die Produktivität im Schreiben aus?

Kreative Menschen und noch viel mehr Künstler*innen haben oft einen hohen Einlass für die Welt. Es ist Teil unserer Tätigkeit, viel wahrzunehmen, viel zu erleben, viel zu fühlen, viel zu denken, denn eine markanter Teil unserer Arbeit findet in unserem Inneren statt. Unsere Ideen entstehen in unserem Inneren, unsere Formulierungen, unsere Wünsche. Das was wir als unser Inneres erleben, ist eine wilde Mischung aus bewussten und unbewussten Erfahrungen, Eindrücken, Wahrnehmungen, Erlebnissen, Impulsen, Zitaten. Das bedeutet aber, dass es kaum möglich sein wird genau zu benennen, wie sich Umwelt und Lebenssituation konkret auswirken.

Schauen wir auf den Begriff der "Produktivität". Produktivität ist recht einfach zu messen: Wenn wir etwas machen können, dann steht sie zur Verfügung. Wenn wir nichts machen können, dann sind wir blockiert. Wenn wir sie als Mengenbegriff sehen - also mit der Frage "wieviel habe ich gemacht?" - dann wird sie in meinem Gefühl auch toxisch, zumindest in der Kunst. Denn in der Kunst ist die Frage danach wichtiger, ob ich frieden haben kann mit dem was ich mache und nicht wie viel ich mache. (Beide Fragen sind aber berechtigt und hängen manchmal zusammen) Die kunstschaffende Person, die ein Bild im Monat malt, aber mit diesem sehr glücklich ist, der würde ich nicht ihren Status als Künstler*in absprechen, weil die Produktivität "niedrig" gewertet werden könnte.

Wenn wir produktiv sind oder aber blockiert, dann wird es aber wichtig zu forschen: Was stört mich gerade? Was hält mich davon ab, meine Kunst zu machen? Und die Antworten darauf können so vielfältig sein wie unsere Biografien. Jetzt in Kürze, aber bald auch hier im Blog in größerer Ausführlichkeit mag ich da mal das Buch "make your art no matter what" von Beth Pickens empfehlen. Das beschäftigt sich in großer Ausführlichkeit mit Blockaden und Hindernissen aus allen Bereichen der Umwelt, des Lebens und eben auch aus unserem Inneren. Weil es zum Aspekt der "Umwelt" und "Lebenssituation" aber gut passt, mag ich auf zwei Überlegungen hinweisen, die mir auch geholfen haben. Denn es sind Aspekte, die wir beeinflussen können.

Zum einen ist da die "heilige Zeit". Das hat nichts mit religiöser Heiligkeit zu tun, sondern damit, wie wichtig wir sie nehmen. In ihrem Buch "How to be an artist", schreibt JoAnneh Nagler, dass wir oft unsere Kunst in Lücken im Terminplaner machen, wenn unser Leben es zulässt, aber die Kunst muss im Zweifel ausweichen fürs Leben. Die Empfehlung: Einen festen Termin mit sich selbst ausmachen, der unverschiebbar, nicht absagbar ist. Der nicht mit Freund*innen oder anderen privat Personen geteilt werden kann. Und daraus eine Übung und dann einen Standard machen. Anfangs nimmt Mensch sich ein Mal die Woche eine Stunde. Und diese Zeit ist dann heilig. Wir lassen da nichts rein, außer unserer Kunst. Und am Anfang kann das bedeuten, dass wir in der Stunde vielleicht nur Notizen und drei schlechte Reime schaffen, aber je klarer wir bewusst und unterbewusst verstehen, dass das jetzt die Zeit für Kunst ist, desto besser wird es klappen. Bei Arbeit, Sport und Terminen der Kinder z.B. geht es ja auch.
Ein Teil meines "heiligen Ortes"

Die andere Seite ist vielleicht einen "heiligen Ort" oder "happy place" zu schaffen. Letztere Bezeichnung wählt Austin Kleon, der in seinen Büchern ganz klar Werbung dafür macht sich einen Platz einzurichten für die Kunst, und vielleicht auch nur für die Kunst. Klar, das kann das klischeehafte Cafe in der Stadt sein, wo Autor*innen Romane erspinnen; das kann aber auch die Werkbank in der Garage sein. Diesen Ort pflegen und kultivieren wir so, dass es für uns einladend ist dort Kunst zu machen. Wir erlauben uns dort Zeit ohne Handy, haben eine Schublade in der alle unsere Stifte durcheinander liegen können. Da hängen Postkarten und Zitate die uns motivieren. Der Ort ist eine Art Schrein oder Tempel für unsere Kunst. Und wenn das bedeutet, dass da hohe Ordnung herrschen muss, dann ist das so. Und wenn das bedeutet, dass ich Chaos da haben können muss, weil mich das inspiriert und mir die Arbeit erleichtert, dann ist das halt so.


Welches Verb gibt es für "kreativ sein"? Also gibt es da einen Begriff? Ich meine vor allem: wenn man verschiedenen Tätigkeiten (schreiben, basteln, malen zb) vereint?

Erster Gedanke: Kreieren.
Es passt dazu, dass wir eine Kreation erschaffen, egal ob wir Mode, Bastelkram oder Musik machen. Und auch in anderen Bereichen, die Kreativität erfordern, passt es gut. Ich mag aktuell auch, wenn auch es eine spirituelle Note mit sich trägt, das Wort "schöpfen" zu verwenden. Weil bildlich das was wir da machen aus unserem Inneren, wie aus einer Wasserquelle geschöpft wird und wir es in die Welt außerhalb von uns ausschütten, in Form dessen, was wir erschaffen. Erschaffen habe ich jetzt schon mehrfach in diesem Absatz verwendet. Auch das ist passend, schaut mir aber sehr auf die "Arbeit" im kreativ sein. Weil am Ende haben wir natürlich auch etwas "geschafft". Was ein spannender Aspekt von Kreativität und Kunst ist, denn wir können Momente erkennen, an denen das was wir da tun fertig und abgeschlossen ist.

Wie findet mensch heimat (nicht nur in einem Ort) und kann dort ankommen?

Heimat ist als Wort Gefühl und Ort. Das ist irritierend. Denn während ein Ort der anfassbaren physischen Welt gehört, sind Gefühle abstrakt und bewegen unsere Seele. Natürlich sind diese Beiden Ebenen des Existenz in uns verknüpft, aber eben nicht gleichbedeutend und gleichwertig. Und vorallem bedeutet es auch, dass es auch hier wieder nur unser eigenes "Richtig" geben kann. Aber es kann Fragen geben, und wo Fragen sind, da können wir neugierig sein und wo Neugierde ist, da können wir forschen und forschen, das kann dann so aussehen:

Um den Ort der Heimat zu ergründen, nehmen wir einen Notizblock und eine Kamera mit. Wir laufen los, schreiben auf wo wir lang gehen, entweder die Namen der Straßen oder die Merkmale die uns auffallen. Wir zeichnen ein Haus ab, das uns gefällt. Einen Baum der anders aussieht als die anderen. Wir fragen nach dem Weg zum nächsten Kino/Kiosk/Imbiss/Museum/was-auch-immer-uns-interessiert. Und dann gehen wir in diese Richtung. Wir nehmen uns Zeit für unsere Forschung. Wir schreiben ein Gespräch im Bus lose mit oder in einem Cafe. Wenn darin ein Ort oder eine Person genannt wird, schauen wir uns an was oder wer das ist. Wir machen Fotos von Dingen, die wir gerne anderen Menschen zeigen möchten. Die wir bemerkenswert finden. Dann zeigen wir die Fotos diesen Menschen und fragen was sie denken. Wir versuchen mehr Fragen als Antworten mit zu nehmen von unseren Ausflügen.

Um das Gefühl der Heimat zu ergründen, nehmen wir uns Zeit und nähern uns poetisch. Wir schauen was ein Zuhause für uns können muss. Sehr technisch: Was muss eine Wohnsituation können, damit ich mich dort wohlfühle? Welche Menschen sind um mich? Wie ist die Temperatur? Was sehe, fühle, wünsche ich? Und jedes Detail zählt. Und jedes Detail, welches wir nicht erwähnen, zählt auch. Wir schreiben ein Gedicht über den besten Baum, das schönste Haus, das bequemste Sofa, den schönsten Abend. Dann schauen wir, ob wir diese Sache schon kennen und es irgendwo exisitiert. Und wenn nicht, dann suchen wir weiter. Ein paar Wochen später, ohne das alte Gedicht zu sehen, schreiben wir wieder über den schönsten Baum, das leckerste Eis, den schönsten Ausblick. Natürlich können wir das auch alles zeichnen, Lieder singen, basteln. Vielleicht packen wir unsere Kartons wirklich mal aus und wenn das nicht geht, fragen wir uns warum wir hier nicht auspacken wollen. Vielleicht gehen uns irgendwann die Worte, Bilder, Aufgaben auf. Und der Wunsch zu Forschen verschwindet. Und ganz vielleicht sind wir dann in einer Heimat angekommen. Egal ob das dann ein Ort oder Gefühl ist.


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Habt ihr auch Fragen? Zum Kreativsein, zum Schaffen von Kunst? Oder auch Fragen an mich? Wollt ihr eine Anekdote oder Erfahrung zu einem Thema wissen?
Dann schreibt das gerne in die Kommentare. Entweder hier oder in meinen sozialen Medien oder schickt mir sehr gerne auch eine Email. Ich freue mich darauf mit euch ins Gespräch zu kommen. Auch auf eure Antworten zu den Fragen oder andere Impulse freue ich mich. Auch Zeichnungen von eurem schönsten Baum schaue ich mir gerne an.

Alles Liebe,
Jay

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