Katja bewirbt sich

Neulich hat mir eine Arbeitskollegin, Katja, erzählt, wie ihre Bewerbungen für eine Anschlussbeschäftigung laufen, da sie ihr Unternehmen dieses Jahr noch verlassen wird. Wir haben uns über Firmen ausgetauscht, die möglicherweise für sie interessant sein könnten. Während wir uns also unterhalten haben, hat sie aber auch eine Email an eine Abendschule geschrieben, bei der sie zur Zeit eine Fortbildung macht. Sie hatte da einige Fragen zu ihrem Zugriff auf die Internetseite und hat sich damit dann also an den, wie es so schön neudeutsch heißt, "Support" der Internetseite gewandt.
Einige Minuten später, maximal eine halbe Stunde, beschwert sie sich plötzlich, dass ihre Email ja immer noch nicht beantwortet wurde. Ich versuchte Katja zu beschwichtigen, immer hin war sie bestimmt nicht die Einzige die Emails an die Abendschule schickte und zudem war es auch eine gute Uhrzeit, um noch in der Mittagspause zu sein. Katja, ließ das alles aber nicht gelten. Zum einen, machten Mittagspausen an der Abendschule ja gar keinen Sinn, zum anderen war aber ein Support, der nicht supportet ja nicht besonders supportive.
Während ich noch versuchte ihr Vernunft ein zu reden, ratterte schon wieder ihre Tastatur. "Was machst du da jetzt?", fragte ich Katja und sie gab nur an, dass sie "denen" jetzt mal klar mache, woran es denen gehörig fehlte. Mit einem nötigen Grad an Skepsis ging ich zu ihr, um mir auf dem Bildschirm anzuschauen, was sie den armen Leuten an der Abendschule so an den Kopf schmeißen wollte und dann das:


"Sehr geehrte Damen und Herren der Abendschule,

da es Ihnen im Bereich des Supports Ihrer Internetseite ganz offensichtlich an der richtigen Prioritätenverteilung mangelt, bleibt mir keine andere Wahl, als ihnen folgendes zu übermitteln:

Bewerbung als Prioritätenmanagerin im Bereich des Onlinesupport

Hiermit bewerbe ich mich als Prioritätenmanagerin im Bereich....."

Ich war mir ziemlich sicher, dass sie das nicht ernst meint, aber als ich gerade fragen wollte, hatte sie den Lebenslauf schon an die Email angehangen und auf "senden" gedrückt. So eine ungewöhnliche Art der Beschwerde haben die bestimmt noch nicht bekommen, dachte ich mir und Katja hatte einen ziemlich triumphierenden Blick aufgesetzt. Damit war die Sache für mich gegessen.

Ein paar Tage später meldet sich Katja bei mir und erzählt mir, dass sie eine Email vom Leiter der Abendschule bekommen hat, als Antwort auf ihre Bewerbung. "Eine Ablehnung hat er mir geschickt. Meine Qualifikationen wären nicht ausreichend." Ich wollte Katja eigentlich sagen, dass mich das wenig überrascht, aber bevor ich dazu kam, erklärte Katja voller Triumph: "Ich habe denen also noch eine Bewerbung geschickt?" - "WAS?", fragte ich, nicht glaubend, dass sie das ernst meinte, doch sie verstand das ganz anders: "Hör mal, das habe ich geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren der Abendschule,

da es Ihnen im Bereich der Leitung Ihrer Abendschule ganz offensichtlich an den nötigen Kompetenzen mangelt, zum Beispiel beim Erkennen von guten Bewerbungen, bleibt mir keine andere Wahl, als ihnen folgendes zu übermitteln:

Bewerbung als Leiterin der Abendschule

Hiermit bewerbe ich mich als Leiterin der Abendschule...." 
-  "Katja, du bist verrückt. Du kannst dich doch nicht einfach als Chef bewerben! Was soll denn das bringen?" - " 'Nen Job.", antwortete Katja ziemlich abgeklärt. Ich konnte nur den Kopf schütteln, doch Katja war sich vollkommen sicher, dass sie dieses Mal Glück haben sollte. Das sie von ihrem Weg, eine Antwort auf ihre Supportfragen zu bekommen dezent abgekommen war, entging uns Beiden ein wenig. Ich sagte ihr, diese Bewerbung wäre vollkommener Unsinn und sie sagte mir, ich solle nicht immer so pessimistisch sein. Das ich realistisch wäre, schob ich nicht nach, trotzdem war dann zwischen uns erstmal Sendepause. War aber auch nicht schlimm, denn damit war für mich die Sache gegessen.

Einige Wochen später finde ich in meinem Briefkasten einen Brief der Staatsanwaltskanzlei Essen. Ich sollte doch eine Zeugenaussage machen in einem Fall, in dem es um Belästigung ginge. Angeklagt ist eine Katja.....Ich konnte es kaum glauben. Ankläger ist eine Anwaltkanzlei. Ich rief Katja an.
"Katja? Warum wirst du von einer Anwaltskanzlei verklagt?" - "Ich hatte mich bei denen beworben?" - "Was?" - "Ja, nachdem meine Bewerbung auf die Chefstelle der Abendschule durch die Personalabteilung abgelehnt wurde, habe ich mich als Personalerin beworben, da die da ja offensichtlich Defizite haben." - "Aber..." - "Und auch diese Bewerbung wurde abgelehnt, diesmal durch die Rechtsvertreter der Abendschule - der Anwaltskanzlei - mit der Anmerkung, dass sie von einer Klage nicht absehen, wenn ich die Bewerbungen nicht einstelle." - "Aber..." - "Ich habe mich dann aber bei dieser Kanzlei als Anwältin beworben, denn wenn die glauben, dass die mit so einer Klage durchkommen, dann haben die ja offensichtliche Defizite auf dieser Position." 
Ich habe aufgelegt, der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass meine Aussage nichts beitragen könnte und damit war die Sache für mich gegessen.

Einige Wochen später, von Katja hatte ich nichts mehr gehört, sah ich sie wieder. Im Fernsehen. An der Seite eines bekannten Lokalpolitikers. Er machte sich für ihre Sache stark, denn eine Frau mit so vielen Talenten musste doch eine Anstellung bekommen und die Klage fallen gelassen werden. Da versuchte also jemand mit ihrem Fall Werbung für sich zu machen und ich sah mich genötigt, mich bei ihr zu melden und sie zu warnen.
"Katja?" - "Hallo Jay, du ahnst nicht was ich bald werde." - "Verhaftet?" - "Nein, so ein Quatsch. Ich gehe in die Politik, hör dir das mal an:

Sehr geehrte Damen und Herren im Stadtrat,

da es Ihrem Mitglied Herr Meier als Vertreter des Volkes ganz offensichtlich an den passenden Kompetenzen mangelt, um eben dieses Volk medial, inhaltlich und auch einfach sinnvoll zu vertreten, bleibt mir keine andere Wahl, als ihnen folgendes zu übermitteln:

Bewerbung als Leiterin der Ratsfraktion der Partei.."
"Katja, das ist doch vollkommen irre. Du kannst dich doch nicht auf die Stelle von jedem Menschen bewerben, mit dem du in Kontakt kommst. Wie bist du überhaupt an diesen Politiker geraten?"
"Er hat sich bei mir gemeldet gehabt, unmittelbar, nachdem ich mich auf die Stelle des Richters beworben hatte, der war nämlich ganz offensichtlich nicht kompetent genug, um Recht zu sprechen."
Das war es. Ich war raus aus der Sache. Katja war einfach nur verrückt. Ich wollte mich damit nicht mehr beschäftigen oder eher: Ich will mich damit nicht mehr beschäftigen, denn seitdem habe ich nicht mehr von ihr gehört. Ich weiß nicht ob sie sich inzwischen auf den Bundeskanzlerposten oder auch auf deinen Job bewirbt, aber das ist mir auch egal, denn für mich ist die Sache gegessen.

Ich finde diese Anekdote trotzdem witzig genug um sie zu erzählen und...
Ich habe gerade eine Email von Katja bekommen:

"Sehr geehrter Herr Jay Nightwind,

da sie ganz offensichtlich nicht die notwendigen Kompetenzen und Fakten haben, um die Geschichte meiner Bewerbungen zu erzählen, sehe ich mich gezwungen ihnen folgendes zu schicken:

Bewerbung als Jay Nightwind

Hiermit sende ich Ihnen...."

Kommentare

  1. sebastianlindecke23.5.11

    klasse, so mach ichs auch demnächst.. auch ne gute methode, "das erlangen der weltherrschaft auf dem rechtsweg ist ausgeschlossen."
    :)

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den lacher zum Montag Morgen. Frechheit siegt immer, irgendwie!
    Am Anfang dachte ich echt, die Geschichte sein wahr. ^^

    AntwortenLöschen
  3. Genial. So schlecht find ich Katja Methode gar nicht... :-)

    AntwortenLöschen
  4. Hehehe, na man kanns ja mal probieren! :D Tolle Story, am besten gefällt mir, wie sie gen Ende sprachlich und inhaltlich an Fahrt gewinnt und rasant und größenwahnsinnig wird. Toll!

    AntwortenLöschen
  5. An den Imperator:
    Ist sie bis zu einer bestimmten Stelle auch. Ich sage aber nicht welche.

    An Mary:
    Danke sehr.

    AntwortenLöschen
  6. Iim tristen Bewerbungsalltag ein Text, der gute Laune verbreitet. Gut strukturiert und zugespitzt - und völlig verrückt ;)

    AntwortenLöschen
  7. An Citara:
    Danke sehr. Ich glaube, dass Katjas Reaktion auch auf der Tristesse des Bewerbungsalltags zurückzuführen ist.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: