Insomnia - IV
Autor: Jay
Verfasst: Februar 2010
Verfasst: Februar 2010
Insomnia - Teil 4
Neunzehntausendachthundertundsiebzehn,
Neunzahntausendachthundertundachtzehn,
der Wecker klingelt.
Schafe zählen hat einfach überhaupt gar nichts genutzt. Ich geh mich erst gar nicht duschen und rasieren. Ich werde auf der Arbeit anrufen. So bald jemand da ist, melde mich dann krank.
Meine Stirn brennt und meine Nervenbahnen wirken entzündet. Wann immer ein Gedanke aus meinem Kreativzentrum hinaus schießt, reibt er sich rostig über die Nervenbahnen. Die Funken fliegen dann wild durch mein Hirn. Sie setzen kleine Brände und machen, dass meine Augen flackern.
Der Körper in dem ich mich bewege erscheint mir fremd oder deutlich gealtert. Mein Haut ist heller als sonst, ich bin langsamer und trage keine einzige Spur Geschicklichkeit in mir. Heute fällt mir ein Glas runter. Ich beginne zu brüllen und als ich in meiner Wut in die Scherben trete fang ich an zu weinen. Die Wand hinunter rutschend sitze ich eine halbe Stunde in einer Wolke der Verzweiflung, erst dann schaffe ich es wieder mich ein zu sammeln.
Nach Versorgung der Wunden schaffe ich mich in schönster Zombiegangart zum Arzt.
Er fragt mich nach meinem Problem und ich antworte "Schlafmangel".
Er fragt mich nach meiner Ernährung und ich antworte "ausgeglichen".
Er fragt mich nach meinem Privatleben und ich antworte "schnell aber übersichtlich".
Er will mir Tabletten verschreiben, aber vor denen habe ich mehr Angst als vor einer weiteren schlaflosen Nacht. Also schreibt er mich für ein paar Tage krank und empfiehlt mir dringend, mal richtig abzuschalten, oder Vollgas zu geben. Er „verschreibt“ mir einen Abend in einer verrauchten Kneipe und empfiehlt mir zur weiteren Behandlung das Gespräch mit Freunden, Psychologen oder befreundeten Psychologen.
Während alle meine wahrnehmenden Eigenschaften sich dividieren, multipliziert sich die Intensität all meiner Gefühle. Nach dem ich mich mit meinen kaputten Füßen das Treppenhaus hoch gekämpft habe, da gebe ich mich im Wohnungsflur direkt auf. Ich versinke in tiefer Melancholie und bemühe mich ganz dringend nicht nach den Ursachen der Schlaflosigkeit zu suchen. Ich darf mich jetzt nicht stressen, ich muss jetzt einfach mal los lassen.
Inzwischen liege ich mit dem Gesicht auf dem kalten Parkett und beobachte Staubkörner. Wenn hier wenigstens Polartag wäre, dann hätte ich eine sinnvolle Erklärung, aber so ist es nicht. Ich bin beschäftigt, manchmal rennt mein Herz, oftmals bin ich einfach nicht müde. Die Gründe um nicht schlafen zu können, sie sind selten wirklich gute, sie kommen fast nie von Außen, aber gerne von Innen. Angst, Spannung und Zweifel klemmen sich gerne in die Augenlieder. Nervosität, Sehnsucht und Flucht werfen sich in die Muskeln. Denkend dreht man sich; Rasend rollt man sich. Je mehr der Schlaf ausbleibt, desto härter wünscht man ihn sich, scheucht ihn aber wohlmöglich auf.
Gute Nacht, sage ich zu mir selbst, als ich merke, wie man mich im Flur zu deckt. Der Körper erschlägt sich einfach und der Mitbewohner ergibt sich dem Mitleid über die ohnmächtige Lage. Ich werde von nichts träumen in diesem Schlaf, denn wenn ich wach werde, dann stehe ich neu auf.
Insomnia ist kein Gegenspieler, kein Feind. Es steht dir nicht gegenüber und fordert dich heraus. Insomnia, das ist Erosion im Kopf und Korrosion am Körper.
Insomnia ist keine Geschichte. Es nimmt dir das Bilderbuch der Nacht und stiehlt dir deinen Spannungsbogen. Insomnia, das macht deinen Kopf nur zum Alogismus und deinen Körper zur Allusion.
Insomnia, wenn ich über dich nachdenke, raubt es mir den Schlaf.
Anmerkung:
Aus meiner Sicht findet "Insomnia" hier seinen Abschluß. Ich möchte mich noch einmal für alle Kommentare bisher bedanken, damit konnte ich viel über die Wahrnehmung eines Textes und seines Subtextes beim Leser lernen.
Neunzahntausendachthundertundachtzehn,
der Wecker klingelt.
Schafe zählen hat einfach überhaupt gar nichts genutzt. Ich geh mich erst gar nicht duschen und rasieren. Ich werde auf der Arbeit anrufen. So bald jemand da ist, melde mich dann krank.
Meine Stirn brennt und meine Nervenbahnen wirken entzündet. Wann immer ein Gedanke aus meinem Kreativzentrum hinaus schießt, reibt er sich rostig über die Nervenbahnen. Die Funken fliegen dann wild durch mein Hirn. Sie setzen kleine Brände und machen, dass meine Augen flackern.
Der Körper in dem ich mich bewege erscheint mir fremd oder deutlich gealtert. Mein Haut ist heller als sonst, ich bin langsamer und trage keine einzige Spur Geschicklichkeit in mir. Heute fällt mir ein Glas runter. Ich beginne zu brüllen und als ich in meiner Wut in die Scherben trete fang ich an zu weinen. Die Wand hinunter rutschend sitze ich eine halbe Stunde in einer Wolke der Verzweiflung, erst dann schaffe ich es wieder mich ein zu sammeln.
Nach Versorgung der Wunden schaffe ich mich in schönster Zombiegangart zum Arzt.
Er fragt mich nach meinem Problem und ich antworte "Schlafmangel".
Er fragt mich nach meiner Ernährung und ich antworte "ausgeglichen".
Er fragt mich nach meinem Privatleben und ich antworte "schnell aber übersichtlich".
Er will mir Tabletten verschreiben, aber vor denen habe ich mehr Angst als vor einer weiteren schlaflosen Nacht. Also schreibt er mich für ein paar Tage krank und empfiehlt mir dringend, mal richtig abzuschalten, oder Vollgas zu geben. Er „verschreibt“ mir einen Abend in einer verrauchten Kneipe und empfiehlt mir zur weiteren Behandlung das Gespräch mit Freunden, Psychologen oder befreundeten Psychologen.
Während alle meine wahrnehmenden Eigenschaften sich dividieren, multipliziert sich die Intensität all meiner Gefühle. Nach dem ich mich mit meinen kaputten Füßen das Treppenhaus hoch gekämpft habe, da gebe ich mich im Wohnungsflur direkt auf. Ich versinke in tiefer Melancholie und bemühe mich ganz dringend nicht nach den Ursachen der Schlaflosigkeit zu suchen. Ich darf mich jetzt nicht stressen, ich muss jetzt einfach mal los lassen.
Inzwischen liege ich mit dem Gesicht auf dem kalten Parkett und beobachte Staubkörner. Wenn hier wenigstens Polartag wäre, dann hätte ich eine sinnvolle Erklärung, aber so ist es nicht. Ich bin beschäftigt, manchmal rennt mein Herz, oftmals bin ich einfach nicht müde. Die Gründe um nicht schlafen zu können, sie sind selten wirklich gute, sie kommen fast nie von Außen, aber gerne von Innen. Angst, Spannung und Zweifel klemmen sich gerne in die Augenlieder. Nervosität, Sehnsucht und Flucht werfen sich in die Muskeln. Denkend dreht man sich; Rasend rollt man sich. Je mehr der Schlaf ausbleibt, desto härter wünscht man ihn sich, scheucht ihn aber wohlmöglich auf.
Gute Nacht, sage ich zu mir selbst, als ich merke, wie man mich im Flur zu deckt. Der Körper erschlägt sich einfach und der Mitbewohner ergibt sich dem Mitleid über die ohnmächtige Lage. Ich werde von nichts träumen in diesem Schlaf, denn wenn ich wach werde, dann stehe ich neu auf.
Insomnia ist kein Gegenspieler, kein Feind. Es steht dir nicht gegenüber und fordert dich heraus. Insomnia, das ist Erosion im Kopf und Korrosion am Körper.
Insomnia ist keine Geschichte. Es nimmt dir das Bilderbuch der Nacht und stiehlt dir deinen Spannungsbogen. Insomnia, das macht deinen Kopf nur zum Alogismus und deinen Körper zur Allusion.
Insomnia, wenn ich über dich nachdenke, raubt es mir den Schlaf.
Anmerkung:
Aus meiner Sicht findet "Insomnia" hier seinen Abschluß. Ich möchte mich noch einmal für alle Kommentare bisher bedanken, damit konnte ich viel über die Wahrnehmung eines Textes und seines Subtextes beim Leser lernen.
Naja, ich finde das Ende nicht so toll. Zum einen versteh ich nicht was du mit "Alogismus" und "Allusion" meinst. Und zum anderen endet die Geschichte mir irgendwie zu abrupt, Da sind übrigens auch noch Rechtschreibfehler drin.
AntwortenLöschen"Alogismus" und "Allusion" sind rhetorische Figuren.
AntwortenLöschenDie Geschichte endet vielleicht abrupt, aber wohlmöglich ist das auch Stilmittel.
Ich find's auch nich so gut. Jemand der dem Koma nahe auf dem Boden einpennt denkt doch nich noch solche Sachen wie "Insomnia, das macht deinen Kopf nur zum Alogismus und deinen Körper zur Allusion".
AntwortenLöschenOh, und ein Zitat das mir gerade einfällt: "Fremdwörter heißen so, weil sie den meisten Leuten fremd sind". Is übrigens aus einem deiner Lieblingsbücher.
Ich an deiner Stelle würde mich langsam mal an Erin und/oder MacGuire machen, hast du schließlich vor einem halben Jahr groß angekündigt.
Ganz unpassend ist dies der erste Insomnia Teil, den ich lese.
AntwortenLöschenZusammenhänge sind schön, aber man braucht sie nicht. Der Text kann sehr gut für sich alleine stehen und begeistert mich sehr. "Wann immer ein Gedanke aus meinem Kreativzentrum hinaus schießt, reibt er sich rostig über die Nervenbahnen." - gerade diesen Satz fand ich überaus gelungen. Aber das kann man zu dem ganzen Text sagen. Für mich persönlich ist er einer meiner Favoriten deiner Texte.
An Citara:
AntwortenLöschenVielleicht bist du damit auch sehr nah an dem, wie ich den Text gemeint haben könnte.
Danke für das Kompliment.
@ Jay
AntwortenLöschen"...wie ich den Text gemeint haben könnte."
... Irgendwann verbiete ich Konjunktive.
Vielleicht bin ich nur zu müde, aber ich konnte aus Citaras Kommentar keine Interpretation herauslesen. Sag doch einfach, wie du den Text gemeint hast.