Warum vergessen Chaos verursacht und Energie kostet - Der maxwellsche Dämon

Wer würde in einem fairen Kampf á la Fight Club gewinnen? Der maxwellsche Dämon oder Schrödingers Katze? Was meint ihr? Eine Katze die gleichzeitig tot und lebendig sein kann, oder ein Dämon, der... ja, was eigentlich? Was ist die Superkraft vom maxwellschen Dämon?

 

Was ist überhaupt der maxwellsche Dämon?

Der maxwellsche Dämon ist ein Gedankenexperiment von James Clerk Maxwell, mit dem er versucht hat das zweite Gesetz der Thermodynamik zu widerlegen.

Stellen wir uns unser Gefäß vom ersten Teil mit mittelwarmen Wasser vor. Dieses Gefäß hat eine hohe Entropie, da Moleküle mit hoher Energie, also sich schnell bewegende Teilchen vermischt sind mit Molekülen mit niedriger Energie, die sich langsam bewegen.

Wenn wir jetzt einen Trennwand mit einer kleiner Tür in die Mitte dieses Gefäßes einbauen, haben wir den perfekten Lebensraum für den kleinen maxwellschen Dämon erschaffen. Der maxwellsche Dämon hat einen analen Nazi-Charakter und liebt es Dinge zu sortieren. Sobald er es sich in unserem Biotop bequem gemacht hat, wird er anfangen die kleine Tür in der Trennwand immer dann zu öffnen, wenn zufällig ein schnelles Molekül von links nach rechts fliegt oder ein langsames Molekül von rechts nach links fliegt.
Wenn der Dämon also eine gewisse Zeit seiner analen Neigung nachkommt, entstehen aus dem
mittelwarmen Wasser in unserem Gefäß, zwei getrennte Bereiche. Ein kalter mit langsamen Molekülen und ein warmer mit schnellen Molekülen.
Das Problem ist, entsteht aus einem unsortiertem System ein sortiertes haben wir Entropie zerstört und das würde dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik widersprechen. Also hat der maxwellsche Dämon neben seinem analen Nazi-Charakter auch einen Hang zum Rebellsein und Regeln brechen. Wahrscheinlich raucht er und spielt Gitarre in einer Punk-Rock Band.


Perpetuum-was?

Der aufmerksame Leser könnte jetzt sagen: "Klar, die Entropie innerhalb des Gefäßes nimmt ab, aber der Dämon muss ja eine Tür öffnen und schließen. Dafür muss er Kraft aufwenden und etwas Essen und er gibt dadurch Entropie an die Umwelt ab. Das Ganze ist aber nur ein Gedankenexperiment und wir gehen daher davon aus, dass der Dämon in der Lage ist das ganze zu bewerkstelligen ohne Energie aufzuwenden. Das bedeutet er muss nichts essen und erzeugt keine Entropie bei diesem Vorgang. Deswegen heißt er ja auch maxwellscher Dämon und nicht maxwellscher Mensch. Das kann man jetzt blöd finden, aber wie gesagt das ganze dient ja nur der Anschaulichkeit. Wer das Problem nicht lösen kann, weil er ständig über diese Lösung nachdenkt, dem gebe ich folgende Lösung an die Hand. Stellen wir uns vor, die Trennwand in der Mitte besteht aus einem Material das nur schnelle Moleküle von links nach rechts durchlässig ist und alle anderen Moleküle prallen ab.
Es gibt in der Technik das sogenannte Wirbelrohr, das tatsächlich in der Lage ist ohne die Aufwendung von Kraft heiße und kalte Luft zu separieren. Dafür ist Druck nötig, der an anderer Stelle erzeugt werden muss, klar, aber prinzipiell ist eine Trennung ohne Energieaufwand möglich. 

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik erklärt damit zwar weiterhin noch, warum sich kaltes und heißes Wasser in der Natur vermischen, gibt aber keine Erklärung warum ein solcher Prozess nicht mit geschicktem Einsatz technischer Mittel auch in umgekehrter Richtung erzwungen werden könnte.

Ich möchte einmal die Tragweite dieser Überlegung demonstrieren. Viele Maschinen, vor allem zu Zeiten Maxwells arbeiten, indem Gas erhitzt wurde. Heißes Gas dehnt sich aus und kann beispielsweise ein Gewicht anheben. Dabei wird es abgekühlt. Mithilfe des maxwellschen Dämons könnten wir dieses abgekühlte Gas jetzt wieder in warmes Gas und kaltes Gas unterteilen und das warme Gas könnte wieder ein Gewicht anheben. Wir hätten ein sogenanntes Perpetuum Mobile gebaut. Ein Gerät, das ohne weitere Energiezufuhr ständig Arbeit verrichtet. Wir würden damit Energie produzieren
Und das würde dem ersten Gesetz der Thermodynamik widersprechen. Dem Gesetz der Energieerhaltung. Energie kann weder erzeugt, noch zerstört werden. Dieser kleine Motherfucker bricht also gleich zwei Gesetze auf einmal.


Den Dämon widerlegen-Eine Reduktion

Dieses Gedankenexperiment hat Physiker über 100 Jahre den Schlaf geraubt, weil dieser kleine Dämon sich einfach nicht den Gesetzen der Thermodynamik beugen wollte. Letztendlich konnten kluge Köpfe das Problem irgendwann doch lösen.
Wir Naturwissenschaftler lieben es Sachen auf das (scheinbar) Wesentliche zu reduzieren. Diese Reduktion führt zugegebenermaßen gelegentlich auch dazu, das wir sehr engstirnig und realitätsfremd denken, führt erstaunlich oft aber auch zu guten Lösungsansätzen.

Vergessen wir die 6x 1023 Moleküle aus dem Gefäß. Betrachten wir ein Molekül. Nur ein einziges. Wenn wir diesen kleinen maxwellschen Bastard mit diesem einen Molekül widerlegen können, funktioniert das auch bei  6x 1023 Molekülen.

In diesem Szenario ist das Molekül sehr schnell und bewegt sich in unserem Gefäß hin und her. Der kleine Dämon setzt die Trennwand und schaut nach in welcher Hälfte das Molekül sich befindet. Links oder rechts. Je nachdem, wo das Molekül ist, hängt der Dämon ein Gewicht an die eine oder andere Seite der Trennwand. Wenn das Molekül gegen die Trennwand prallt, dann wird diese ein wenig verschoben und hebt dabei das Gewicht an.

Quelle:K. Maruyama, F. Nori, V. Vedral “Colloquium: The physics of Maxwell’s demon and information” Rev. Mod.Phys.8
 
Jetzt stellt euch vor der Dämon steht an der nächsten Straßenkreuzung mit 4 solcher Behältnisse. Er bietet euch an 5€ zu setzen und 150€ zu gewinnen, solltet ihr mehr Energie produzieren als er.
Aber Dämonen sind fürchterliche Wesen und natürlich versucht er uns auszunehmen.
Da wir nicht wissen, wo die Moleküle sind, können wir aus den Kästen keine Energie gewinnen.
Wir müssten raten, auf welche Seite wir unser Gewicht hängen. Statistisch gesehen ist unser Gewicht bei der Hälfte der Fälle auf der falschen Seite, so dass wir insgesamt bei 0 heraus kommen.

Der Dämon hat allerdings die Information auf welcher Seite sich das Molekül befindet und kann uns locker schlagen. Diese Information musste der Dämon aber speichern. Für den nächsten ahnungslosen Trottel muss der Dämon diese Information wieder löschen.
Und genau da konnten Landauer und Bennett diesen kleinen Möchtegern-Dämon an den Eiern packen. Stellen wir uns vor, das sein Speicher so ausgesehen hat als er uns 5 € abgeluchst hat:

LRLR

Für den nächsten ahnungslosen Trottel muss der Dämon seinen Speicher auf den Ursprungszustand zurücksetzen:

LLLL

Um nach der Messung die neuen Informationen wieder abspeichern zu können.

Der Fehler des Dämons- Informationen und Entropie

Und genau da, hat der Dämon seinen Fehler gemacht. Er hat Informationen gelöscht. Er hat aus seinem geordnetem Speicher einen ungeordeten gemacht.
Informationen können nur gespeichert werden, wenn sie geordnet sind, also eine kleine Entropie haben. Ungeordnet, also hohe Entropie bedeutet automatisch weniger Information.
Mein System mit 17 Zeichen (einschließlich Leer- und Satzzeichen) kann geordnet sein:

Fick dich, Dämon!

oder aber ungeordnet sein:

mndf, i!icä kdoch

Der Dämon hat also die Informationen aus dem ersten Spiel vergessen und damit Entropie erzeugt. Diese Schlussfolgerung wurde schließlich experimentell untersucht. Man konnte herausfinden das beim Löschen von Information Energie in Form von Wärme frei wird. 
Das ist heute als Landauer Prinzip bekannt.

Nach fast hundert Jahren konnte man den maxwellschen Dämon also endlich als kleinkriminellen Schwindler entlarven.
Was bleibt, ist die Erkenntnis.


Vergessen kostet Energie.


Kommentare

  1. Anonym6.11.16

    Super Artikel! Tolle Erklärung des maxwellschen Dämons! Ich würde mich über mehr Artikel zu physikalischen Phänomenen freuen, vielleicht zur Unschärferelation oder so. Das Lesen hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht. Diesen Artikel werde ich so schnell nicht vergessen :D

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  2. Vielen Dank für dein Lob. Es ist wirklich schön zu hören, dass es ein paar Leute gibt, die wirklich mögen was ich schreibe. Das motiviert und spornt an.
    Damit tust du eigentlich was physikalisch verbotenes. Du wandelst meine Axergie in Exergie um!
    Danke.

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  3. Anonym10.3.17

    Also... der Dämon sortiert also aber er vergisst das Molekül wieder wenn er es sortiert hat?

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    1. Genau. Er sortiert und muss sich merken, wo er was hingetan hat.
      Anders gesagt er setzt die Trennwand und muss sich merken ist das Molekül jetzt links oder rechts. Durch dieses Wissen, kann er aus dem Szenario Energie schöpfen.
      Im nächsten Schritt wird das Ganze wiederholt. Ein Molekül bringt ja nur minimal Energie. Wir stellen uns das ganze als infinitesimal kleine Schritte vor.
      Anders gesagt der Betrag an Energie die frei wird ist fast 0 in jedem Schritt, aber tatsächlich auch nur fast. Bei unendlich vielen Schritten wird unendlich viel Energie frei.
      Aber für jeden Schritt nach dem ersten (mathematisch ausgedrückt n+1) muss der Dämon vergessen, was er sich im Schritt vorher gemerkt hat. Er muss seinen Speicher sozusagne überspeichern.
      ist das verständlich? :)

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