Kunst und Künstler*innen trennen
Überall auf der Welt gibt es Werke von Banksy. Oder es gibt Werke, die aussehen wie Werken von Banksy und der Stil wurde kopiert und von anderen durchgeführt. Irgenwo da Draußen gibt es eine*n Banksy. Und wenn auch es eine offizielle Vertretung gibt, es möglich ist Banksy eine Email zu schreiben, es eine Art offiziellen Vergnügungspark von Banksy gibt, kaum jemand weiß, wer Banksy ist. Es ist öffentlich nicht bekannt. Es gibt Gerüchte, es gibt Verdachtsmomente und Merkmale die sich einkreisen lassen, aber nichts ist sicher. Banksy könnte neben dir in der Straßenbahn sitzen, dich beim Rewe abkassieren. Banksy könnte eine oder einhundert Personen sein. Selbst das ist nicht klar.
Was klar ist, dass Banksy Kunst gemacht hat. Street Art, im öffentlichen Raum, den Inhalten nach als Protest Kunst gegen bestimmte Bewegungen und Lebensweisen in der Gesellschaft. Manche Werke sind weniger politisch und verändern nur den Raum, wie zum Beispiel die Halteverbotslinie am Bordstein, die zu einer Blume an die Hauswand verlängert wurde. Andere sind sehr deutlich in ihrer Kritik an Polizei und Überwachung. Niemand weiß wer Banksy ist. Sehr viele kennen Werke der Kunstfigur Banksy.
In der Psychologie und Philosophie gibt es viele bekannte und weniger bekannte Betrachtungen des so genannten Egos. Viele moderne Sichtweisen, auch in der Selbsthilfe-Bubble, sagen, dass das Ego der Teil unserer Gesamtheit ist, der damit beauftragt ist unser Überleben zu sichern. Es ist ein Andenken an unsere ursprünglichen Wurzeln, wo das Ego der Antrieb dafür war, dass wir Essen suchen, dass wir ins Warme gehen, dass wir Unterschlupft suchen, dass wir in Gruppen kooperieren, weil wir nicht alles alleine und selbst schaffen können. Das Ego sichert unsere Grundbedürfnisse ab. Nur durch die Modernisierung von Gesellschaft hat sich die Erfüllung der Grundbedürfnisse verändert, in vielen Teilen auch verleichtert, so dass es zu Störungen kommt. Denn während früher sehr klar war wer unsere Gemeinschaft ist, weil wir mit ihnen zusammen gelebt haben, sind wir jetzt an Orten mit Tausenden Einwohner*innen und haben trotzdem nicht immer sicher mit wem wir wie verbunden sind. Die Folge daraus ist, dass unser Ego und wir als Menschen insgesamt häufig die "Bedrohung" durch die Welt falsch einschätzen und unsere Bedürfnisse falsch einschätzen. Wenn wir zum Beispiel glauben übermäßigen Reichtum anhäufen zu müssen, obwohl wir schon lange satt sind und alle anderen Bedürfnisse eigentlich auch erfüllt sind, dann ist das was in der Ansteuerung des Egos unter Umständen durcheinander. Vorallem, wenn es zu Lasten der Gemeinschaften um uns herum geht, auch wenn wir uns von denen inzwischen recht separiert sehen.
Eines der veränderten Bedürfnisse ist eben diese soziale Sicherheit. Denn in Urzeiten hat der Verlust der Gruppe auch den sehr sicheren Tod bedeutet. In einigen Feldern wird daher auch von der "Angst vor dem sozialen Tod" gesprochen. Die Angst keiner Gruppe mehr anzugehören oder nicht mehr als wichtig empfunden zu werden, als entbehrlich. Und dieses Loch versuchen einige Menschen durch Ruhm zu füllen. Denn wer berühmt ist, wen viele kennen, der*die kann ja eigentlich nicht unwichtig sein, wir erkannt in der Öffentlichkeit, wir angesprochen uns ist verbunden. Ich kann hier Namen hinschreiben, bei denen viele sofort wissen würden um wen es geht, selbst wenn wir deren Kunst oder die Dinge mit denen sie berühmt geworden sind gar nicht mögen. Aber das Ego kann der Antrieb dafür sein zu sagen: Ich muss sehr berühmt werden, ich muss sehr bekannt werden, denn dann bin ich sozial abgesichert. Ich kann nicht sozial sterben, wenn alle meinen Namen kennen. Den Vergessen werden, unsichtbar sein, das ist der soziale Tod. In manchen Warhnehmungen und Egos.
Im Rahmen von Künstler*innen die tatsächlich in Teilen der Gesellschaft in Ungnade gefallen sind, gibt es diese Diskusion: Gehören die Kunst, das Werk und der*die Künstler*in zusammen? Wenn sich jemand neben der Bühne problematisch verhalten hat, darf ich dann die Musik, die Comedy, die Performance noch mögen? Auf diese Frage habe ich auch keine eindeutige Antwort. Ich weiß wie ich mich sehr häufig in diesen Momenten entscheide. Ich weiß dass für mich auch eine Rolle spielt, bei wem die Person in Ungnade gefallen ist. Denn machen wir uns nichts vor, was Banksy da macht ist zum Beispiel eigentlich immer Sachbeschädigung, aber das ist mir in meiner Haltung zu Street Art meist egal. Farbe an einer Hauswand verletzt niemanden, inhaltlich tritt Banksy in Richtung der Mächtigen. Das kann ich gut akzeptieren. Es gibt aber Verhalten und Situationen, die sind deutlich schwerer zu bewerten. Und da schaue ich von Fall zu Fall, aber auch wie sich die Geschichte entwickelt und wie sich Künstler*innen äußern.
Einen wichtigen Aspekt bei der Frage wie sich Kunst und Künstler*in trennen lassen ist aber eben auch, wie sehr bemüht sich eigentlich die Person hinter der Kunst, das Beides verknüpft ist? Banksy schenkt die Kunst der Allgemeinheit, wird dafür nicht bezahlt und weiß nur still und heimlich für sich, ob und welche Wirkung die Kunst hatte. Kein Applaus, keine Autogramme, nur die Kunst und ihre Wirkung. Ein Ego hat Banksy sicher auch, aber es kommt viel weniger in Kontakt mit der Kunst. Ob Banksy privat eine wirklich schlimme Person ist, das wissen wir gar nicht. Rapper wie Cro und Sido, beide nicht unter bürgerlichem Namen aufgetreten, bei mit einer Maske voran, statt ihrem eigenen Gesicht, haben auch einen kleinen Keil zwischen ihr Werk und die privat Person gepackt. Mexikanische Luchadores und Luchadoras schaffen sich einen Abstand zwischen ihrer Wrestlingpersona und ihrer privaten Person. Der Allgemeinheit bieten sie durch ihre Kunst alle etwas an. Und trotz Internetzeitalter und (Boulevard-)Medien die solche Trennungen oft nicht gut aushalten können, gibt es eben einige Leute die ihre Person gut schützen. Beim Schreiben dieses Artikels fallen mir immer mehr Künstler*innen ein, die ein "Alter Ego" haben, eine Verkleidung, eine Maske oder nie in der Öffentlichkeit als sie selbst zu sehen waren. Sie trennen selbst ihre Kunst von ihrer privaten Person.
Ich kann nicht sagen, ob Künstler*innen und Kunst wirklich getrennt werden können. Ich glaube es wird gesellschaftlich überschätzt, was die Kunst einer Person über sie selbst aussagt. Was sie fühlt, was sie denkt, woran sie leidet, das lässt sich eben nicht sicher aus der Kunst ableiten. Ich kann aber sagen, dass wenn Künstler*innen sich selbst darum bemühen, dass ihre private Person und ihre Kunst verbunden sind, wir das mit wahrnehmen sollten. Wenn Künstler*innen ihre Kunst machen, um private Ziele zu erreichen, dann sollten wir das mit warhnehmen. Davon ist ja auch nicht alles automatisch schlecht, nur weil dann mal das Ego einwirkt in die Kunst. Wer zum Beispiel Poetry Slam und Comedy oder Musik macht, um seine Leute und Freundschaften zu finden, folgt da vielleicht mehr dem Ego als dem Wunsch Kunst zu machen, wenn darüber aber Klarheit besteht, dann ist das gar kein größeres Problem. Dann muss nur akzeptiert werden, dass nicht alle anderen die da sind, die selben Ziele haben. Und das sie eben vielleicht gerade nicht "privat" da sind.
Wie nah lassen wir unser Ego und unsere Kunst beieinander wohnen?
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