Die Koch-Blog-Reihe - 5. Kultur am Esstisch

Es war Sommer 2017 – Einladungen zum gemeinsamen Grillen fliegen so ins Haus. Mittlerweile gehe ich zu so etwas mit geteilten Gefühlen. Sicherlich schätze ich das gemütliche Beisammensein mit Freunden und Bekannten, sowie die guten Gespräche. Aber spätestens sobald es darum geht sein Essen auf den Grill zu legen beginnt eine kleine Tortur. Da packe ich meine 2 Alufolienpäckchen auf das Rost und meine zum Zuständigen Grillmeister: „dauert so 15- 20 Minuten etwa“. Und schon geht der schiefe Blick zu mir. Vorwurfsvoll als wolle er sagen „Was? Du legst Gemüse auf meinen heiligen Weber?“ oder „20 Minuten soll das Ding jetzt dem Fleisch nun den Platz wegnehmen?“. Da er aber nichts sagt ziehe ich einfach von Dannen zu meinem Bier.

Am Esstisch verzehre ich meinen selbstgemachten Grillkäse – war nämlich gar kein Gemüse. Entweder es wird bemerkt und ich werde darauf angesprochen oder sobald es dem Fleischteller ans Ende geht kommt der Satz: „Hier ist noch eine Wurst – wer will die? Daniel, du siehst noch hungrig aus!“ und wenn ich nicht schnell genug bin wird sie mir schon auf den Teller geworfen.

Aber das Spielchen geht weiter. Sollte man bis zu diesem Zeitpunkt unbemerkt durchgekommen sein und erst nach dem Essen erstaunt festgestellt wird, dass man kein Fleisch ist kommt dann auch mal ein Satz wie „Bist du immer noch auf dem Trip?“ – nein. Es war eine Ernährungsumstellung. Danke. Hat nix mit Trip zu tun.

„Woran erkennt man einen Veganer? Er wird es dir erzählen.“ Den gleichen Witz gab es früher für Vegetarier. Wann immer ich es kann erzähle ich niemandem davon, weil ich eben a) keine Lust auf dumme Sprüche habe und b) niemanden missionieren will. Mit dem Missionieren ist das tatsächlich eine lustige Sache. Kaum sitzt ein Vegetarier am Tisch bekommen sehr häufig Omnivoren (Allesfresser, nicht abwertend gemeint) ein schlechtes Gewissen. Der Vegetarier braucht kein Wort zu sagen – nur weil er da ist und kein Fleisch isst, wird er schon als moralisch/ethische Spaßbremse oder Mahnmal angesehen. Ich selbst wurde nicht missioniert – ich war mit einer Vegetarierin in einer Beziehung und sie hat es toleriert, dass ich Fleisch esse. So halte ich es auch: wer sein Fleisch essen möchte, möge es tun. Ich werde ihm keinen Vorwurf draus machen. Achtung: solange man mich nicht wegen meiner Ernährung anfängt zu diskriminieren. Ich habe einen guten Sinn für Humor und kann über mich selbst lachen, aber man erlebt schon viele Anfeindungen und echt unreif dumme Sprüche.

So finde ich die Frage: „Warum gibt es vegetarisches Hack?“ immer wieder interessant. Gerade ich als „Umsteiger“ orientiere mich leichter an vegetarischem Äquivalent – vegetarisches Hack, Bratwürste, Schnitzel. Soweit so gut. Kommt dann der übliche Folgesatz: „Warum macht man sowas? Ich baue mir ja auch keinen Salat aus Dönerfleisch.“ – das ist dann wieder unreif in meinen Augen. Denn…wie nennst du ein vegetarisches Schnitzel? Unter Schnitzel kann sich jeder etwas vorstellen: Geschmack, Konsistenz, Form, Farbe….alles exakt gleich, nur eben aus Soja. Was soll denn stattdessen auf der Packung stehen? Eine chemische Formel? Goldbraunes, in Form gepresstes, mit Rapsöl angereichertes Soja-Ei-Gemisch?

Wie wehrt man sich denn nun? Ich habe zwei Varianten für mich entwickelt. Erstens, Klappe halten, weiter essen und sich seinen Teil denken – wer sich von meinen Bekannten nun erwischt fühlt…sorry, aber wenn ich keine Chance sehe fair und auf Augenhöhe zu kommunizieren, dann lasse ich es. Und glaubt mir, dass ist die nettere Variante gewesen. Zweitens, hier ein praktisches Beispiel: „Iss du mal dein Gemüse.“ Oder „du frisst meinem Essen das Futter weg“ etc. – da habe ich einfach mal den Fleischteller rüber gereicht, auf die einzelnen Steaks und Bratwürste gezeigt und gefragt: „Möchtest du noch etwas Emma? Oder Irma? Vielleicht doch lieber Else? Die hat vor der Schlachtung noch so liebreizend geschaut.“. Die Dame hat dann abgelehnt und wurde etwas weiß im Gesicht. Ja, ich kann sarkastisch fies sein. Gerngeschehen.

Aber…und jetzt ein großes ABER, es gibt auch nette Reaktionen, man muss sich ggf. gar nicht wehren! Es gibt tatsächlich offene Menschen, die dann hinterfragen was man isst und was nicht, wie man dazu kam etc. – auch da halte ich das Thema meist flach, weil es früher oder später irgendwen nervt, aber wenn ich gefragt werde, dann antworte ich auch. Aber was mir dabei wichtig ist: nicht wertend. Ein Fleischesser ist menschlich nicht weniger Wert als ein Vegetarier oder Veganer. Und ich möchte diesem Menschen auch freundlich in die Augen sehen können, wenn wir mit dem Essen fertig sind. Wäre dem nicht so, dann müsste ich ja 90% der Weltbevölkerung hassen.

Ein Kunde bei dem ich neulich war hatte uns Mittags Brötchen bestellt. Es kam eine Platte mit 20 Brötchen. 4 davon mit Käse, der Rest irgendwelche Sorten Wurst. Als ich mein zweites Käsebrötchen nahm fragte der Projektleiter des Kunden freundlich und mit einem Lächeln: „Sind Sie Vegetarier?“ und ich fühlte mich wohl bei der Frage und von ihm aufrecht akzeptiert.

Die Härte traf mich allerdings echt aus Reihen, aus denen ich einen Angriff nicht erwartet hätte. Von einer Veganerin. Eigentlich dachte ich immer Veganer sind den Vegetariern eher freundlich gesinnt, weil diese ja immerhin schon auf Fleisch und Fisch verzichten. Aber da hat es mich echt böse erwischt: „Ihhh, wahrscheinlich mit Kuhmilch!“. Ich bin immer noch platt. A) „wahrscheinlich“ – sie war sich also nicht mal sicher und b) „ihhh“ – ist ein Ausdruck von Ekel, in dem Kontext aber nicht klar, ob sie nur das Essen ekelig fand oder die Tatsache, dass ich ggf. Kuhmilch verwende oder gar mich als Person aufgrund meiner Einstellung. Wie sich später klärte wohl aufgrund meiner Einstellung. Ich dachte immer Veganer und Vegetarier ziehen zumindest annähernd an ein und dem selben Strang. Aber auch da gibt es wohl feine Unterschiede.

Was ich mir aber wünschen würde ist einfach Toleranz. Lasst mich doch auf Fleisch verzichten, genauso wie ich veganer hoch schätze für ihre Ernährung. Genauso freue ich mich, wenn mein Chef oder Schwager von seinen tollen Ergebnissen ihrer kulinarischen Fleischexperimente am heimischen High-Tech-Grill erzählen. Ich freue mich mit ihnen, dass sie was tolles erlebt haben und blende das dafür gestorbene Tier mal aus. Daher: lasst doch jeden essen was und wie er will. Man muss dazu keine bewertende Meinung haben. Hört auf mit blöden Sprüchen, wenn ihr euch nicht ernsthaft mit dem Thema auseinander gesetzt habt. Minderheiten zu beleidigen ist einfach, aber es muss nicht sein. Wir leben in so tollen Zeiten, dass jeder irgendwie ständig Essen hat. Lasst es gut sein und das gemeinsame Essen einfach genießen – egal was auf dem Teller liegt oder aus welcher Überzeugung dies stammt.

Kommentare

  1. Anonym12.2.18

    Hast Du ein Rezept für den Grillkäse? Bin zwar Allesfresser, aber einem guten Käse nicht abgeneigt. Und die vegetarische Bolognese in der Mensa war eh viel geiler als das Fleisch Äquivalent.

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    1. Schau mal anonym! Unter diesem Link findet du Teil #4 von Daniels Kochreihe, in der auch das gesamte Rezept vorkommt!

      http://jaynightwind.blogspot.de/2018/01/die-koch-blog-reihe-4-grillkase.html

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    2. Wenn du die vegetarische Bolognese schon besser fandest...dann probier vielleicht mal einen vegetarischen Döner (wenn du einen findest). Hatte einen auf dem Wacken Festival und der war umwerfend. Das "Fleisch" war saftiger und das Ding hat wahnsinnig lange satt gemacht.

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