Seelengraffiti

Es ist kalt. Eiskalt. Und dunkel. Stockdunkel. Und vorallem ist es grau. Die ganze Stadt. Lagerhallen, Fabriken, Bürogebäude, Straßen, Kindergärten, Schulen und sogar die Parks. Mit der Dunkelheit und der Kälte komme ich zurecht. Sie schützen mich sogar. Aber grau, geht mal gar nicht.
Viele schalten, wenn sie ins Grüne wollen, nur noch ihren Fernseher an und gucken irgendwelche Dokumentationen. Sie meinen, sie wüssten was Freude ist, weil sie Samstagabendunterhaltung gucken. Sie beugen sich freudig dem geistigen Leerlauf und verlieren den Blick für das Besondere. Von der Flimmerkiste überfordert sind ihre Augen nur noch müde.
Es gibt nicht mehr viel zu entdecken in dieser Stadt. Kaum noch etwas zu erleben. Was abenteuerlich ist, ist verboten. Mir ist aber nach Abenteuer und Entdeckung, also tu ich auch Verbotenes. Die Anderen leben platt und angepasst. Ich will mehrdimensional sein. Mit den Mauern brechen.
Irgendwo an einer dieser toten Mauern stehe ich, mit den Dosen in der Hand. Ich bin vielleicht kein begnadeter Künstler, aber ich finde statt. Ich will die Leute schütteln und provozieren. Denn wenn sie wütend sind, dann vergessen sie kurz die stumpfen Grenzen ihrer winzigen geistigen Welt. Und diese stumpfe Welt, dieses Gerüst soll brechen unter meiner "Kunst".
Die Nacht legt schützend ihre Hände über mich. Ich drehe und wende mich. Ich setze Buchstabe für Buchstabe an die Wand. In meinem Übermut wird dieses Graffiti größer als geplant. Es läuft von alleine. Die Wand zieht die Farbe aus den Dosen.
Auch ich kann mich von dem grauen Leben nicht frei machen. Zahlen auf Plastikkarten sind überlebenswichtig. In einem grauen Büro telefoniere ich mit grauen Leuten und verkaufe ihnen Versicherungen. Für Häuser, Autos, Glasscheiben oder gegen Vandalismus. Graffitis zum Beispiel.
Als ich fertig bin und die letzte Dose leer, da merke ich, dass ich am ganzen Körper zitter. Es ist nicht die Kälte, ich bin nervös und aufgewühlt. Plötzlich fühle ich mich beobachtet. Ich schaue mich um, sehe aber nur eine Brücke in der Ferne. Steht da Jemand drauf?
Meine Lungen wollen brechen und meine Füße schmerzen. Ich spring über Zäune und bleibe im grauen Stacheldraht hängen. Meine graue Hose ist durch und graues Blut fließt mir über die Beine. Ich blicke mich immer wieder hektisch um, vermute Atem in meinem Nacken.
Ich werde wach, schweiß gebadet. Mein Wecker klingelt. Es war nur ein Traum. Als ich aufstehe und aus dem Fenster sehe da strahlt die Stadt mich freudig an. Grau. Manches ändert sich halt selbst im Traum nicht. Ich weiß aber noch was ich geschrieben habe.
"Das Leben ist schön, das Leben ist bunt"



Anmerkungen:
Dieser Text basiert auf diesem titellosen Text von Charly. Sie ist eine gute Freundin und ihre Kurzgeschichte hat mich hier zu inspiriert. Besuch ihren Blog ruhig mal. Sie wird sich bestimmt freuen.

Kommentare

  1. Interessante Sichtweise der Dinge. Ich versuche Täglich etwas Farbe in mein Leben zu bringen auch wenn der "graue" Alltag versucht mich zu verschlucken.

    DAS LEBEN IST SCHÖN, denn wenn es nicht so wär, dann hätten wir ja nix zu lachen. ;-)

    Wünsch Dir einen bunten Tag. :D

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  2. Mehr Mut zur Farbe! Man muss sich nur mal auf den Straßen umsehen. Graue, braune oder schwarze Jacken und Mäntel, unauffällige Regenschirme... Und im Kontrast dazu die bunten, blinkenden Werbetafeln, die genug Leben und Freude für die ganze Welt auszustrahlen scheinen...

    Man sollte einen "Tag der Farbe" einführen, an dem es verboten is, schwarz in irgendeiner Schattierung zu tragen :D


    In diesem Sinne: "prost"! (Nette Wortbestätigung ^^)

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  3. Mit bisschen Fantasie und Kunst kann das Leben bunt werden :)

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  4. Mir gefällt es, diesmal den "Urheber" des Grafittis kennenzulernen, auch wenn er es im Traum geschaffen hat. :)

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  5. Anonym12.2.09

    Auch dein text ist echt gut zu lesen!Da fühlt man sich ja gleich auch ein ein Sprayer!Naja jetzt weiß ich in klein bisschen wie die sich fühlen müssen!Auch an dich ein großes Lob

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  6. Anonym13.2.09

    Wunderschöner Text!

    p.s. Aber für den 2. Freitag den 13... da krisse noch ein'! *droh*

    :-)

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  7. Anonym15.2.09

    schön, was alles aus so spontanen ideen entstehen kann :)

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  8. voll schön geschrieben und ich finde es spannend die umgebung meiner Geschichte kennen zu lernen und den Retter meiner Figur.
    Ich bin auch ein bisschen stolz und es freut mich, dass dich mein Text inspiriert hat. Das finde ich schön, sehr schön.

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