Ungewohntes Reisefieber

Autor: Jay
Verfasst: Juni & Juli 2009


Ungewohntes Reisefieber

Es war ein schrecklicher Freitag im Büro. Alle waren um Eins gegangen. Ich auch, aber nachts. Zu viel war liegen geblieben, zu viele Projekte waren wichtig. Zu oft meinte ich, ich müsste alles selber machen.
Auf dem Weg zum Auto beschloss ich das ganze Wochenende nirgendwo hin zu gehen und mich mit meiner DVD-Sammlung einzuschließen. Ich machte mein Handy an. Es war sonst nie aus, aber irgendwie war mir diesesmal danach. Mal so richtig professionell sein im Büro.
Es piepte fast ununterbrochen. So viele Nachrichten hatte ich noch nie auf meinem Handy. "Julika" stand da im Display. In den Himmel schauend, auf der Suche nach Wolkenschiffen, atmete ich schwer durch. Eine Mischung aus Sorge, Sinn für die Katastrophe und keine Lust auf sie lag in meinem Atem.
Nachricht 1:"Hey, was machst du heute? Ich hätte Lust auf den Weinkeller."
Nachricht 2:"Keine Antwort? Doof. Dann komm halt nach, ich gehe und warte da auf dich."
Nachricht 3:"Ohne dich macht es keinen Spaß, deine Witze fehlen mir."
Nachricht 4:"Ohne dich ist Wein trinken nur sich betrinken. Doof."
Nachricht 5:"So lagnsam bni ich beleidigt. Wnen ic morgen Kopfschmerzen hab bist du schuld."
Nachricht 6:"Du bist doof doof doofi du Doofmann."
Die letzte Nachricht war keine Zehn Minuten alt. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, bis jetzt gearbeitet zu haben. Ich versuchte also sie anzurufen, denn ich hatte vor Augen wie sie irgendwo beleidigt rum saß und etwas schrecklich schief gegangen war. Bevor ich die "Wählen"-Taste drücken konnte, setzte ich Julika im Kopf in verschiedene kleinere bis mittelschwere Katastrophen, wobei die meisten eher meinem Amüsement dienten. Bei der Vorstellung wie sie im Weinkeller spülen musste, weil sie alleine zu viel getrunken hat, drückte ich dann auch endlich.
Es klingelte gar nicht richtig, da ging sie schon dran: "Hi. Du bist voll der fiese gemeine Doofmann. Warum bist du nicht gekommen?" - "Ich war ar..." - "Ist mir auch egal. Mir ist total kalt, alles ist voll doof. Du bist doof. Deine Dusche ist kaputt." - "Bist du bei mi...?" - "Beeile dich." - Tuut tuut tuut.
Julika ist kein Mensch. Manchmal ist sie eine Naturgewalt. Eine liebevolle kleine Gewittersturmfront, die manchmal nicht merkt, dass sie wenn sie zu impulsiv ist alles hinter sich verwüstet. Zu mindest war das mein Eindruck.
Nun gut, meine Dusche war also kaputt, also sollte ich mich vielleicht beeilen. Julika war zwar als Künstlerin handwerklich durchaus geschickt, aber das wusste sie meist nicht mehr, wenn sie betrunken war. Und da sie bei mir war, musste sie betrunken gewesen sein. Der Gedanke setzte mir ein etwas deprimiertes Gesicht auf.
Ich fummelte an meinem Schlüsselbund meinen Haustürschlüssel raus, oder versuchte es zumindest, als ich in den wunderschönen Sternenhimmel schaute. Es wäre so eine Last, wenn in dieser Nacht noch etwas schlimmes passieren würde.
Als ich in meine Wohnung hineingähnte, war da keine Spur von ihr. "Julika?" Ich machte ein paar Schritt in die Wohnung. Es wirkte ziemlich still und ich bekam Gänsehaut. Alle Lichter waren aus und ich beschloss erstmal in mein Zimmer zu gehen, egal wie es wohl im Bad aussah. Immerhin stand da kein Wasser auf dem Boden, also konnte es so schlimm nicht sein.
Ich warf meine Sachen in die Ecke und atmete tief aus. Ich hatte aus meinen letzten Treffen mit Julika gelernt. Sie musste einfach gleich irgendwoher angeflogen kommen und mich umwerfen. Im Kopf zählte ich ganz leise bis Zehn. Da kam keine Julika angeflogen.
Vielleicht hatte ich zu lange gebraucht, dachte ich und wollte mein Bad anschauen gehen. Wäre meine Dusche wirklich im Eimer, dann wäre es auch mein DVD-Wochenende. Wirklich begeistert war ich nicht.
Ein sonderbares Bild bot sich mir in meinem Bad. Da saß nun also Julika in der Dusche, das Wasser angestellt, drückte auf ihrem Handy rum und machte ein schmolliges Gesicht. Sie hatte all ihre Sachen noch an. Ich musste einfach Lächeln. Wieso wusste ich nicht. Als sie mich ein paar Augenblicke später entdeckte, da legte sie direkt los: "Du bist voll der Doofi. Ich bin voll sauer auf dich. Da kannste dich auch mit nem guten Witz nicht rausretten." Ich musste einfach Lächeln. "Du sitzt in Klamotten in meiner Dusche und sagst mir, ich bin ein Doofi?" - "Ja, du und deine tolle Dusche, ihr seid doof.", schmollte sie ins Bad, mit einem leichten Unterton von Reue. Als hätte sie ihren Fehler erst mit mir bemerkt. Ganz kleinlaut sagte sie: "Deiner doofen Dusche ist es egal ob man zu betrunken ist sich auszuziehen. Die duscht die Sachen einfach nass."
Die Seife die mich traf merkte ich vor lauter Lachen kaum. Es kam von ganzem Herzen und aus voller Lunge, da war kein Platz für die Seife. "Julika, für so was lieb ich dich." Als ich wieder zur Ruhe gekommen war, machte ich ihr ein Angebot: "Ich hohl dir was gaaanz warmes zum Anziehen und mach dir einen Kakao und dann legen wir uns aufs Sofa und schauen einen Film, okay?"
Ich holte uns etwas warmes zum Anziehen. Auf die Idee, dass sie jetzt mit ihren nassen Sachen mich vor Freude anspringen könnte war ich nicht gekommen.

Julika sah in meinem viel zu großen Kapuzenpullover total niedlich aus. Und das wusste sie. "Hihi. Der ist wie eine Höhle für mich." Ihre Arme guckten nichtmal aus den Ärmeln. Selbst ihr Gesicht sah ich nur ganz schemenhaft. Auch ich hatte einen Kapuzenpullover an, meiner war aber bei weitem nicht so "geräumig". Julikas Laune war deutlich aufgeklart. Sie nahm sich den warmen Kakao vom Tisch, als ich ihr etwas erzählen wollte: "Ich hab tatsächlich einen neuen Witz für dich, willst du ihn hören?" - "Ja! Ja! Ja! Aber erst nehme ich den Kakao mit rein."
Sie nahm den Kakao tatsächlich durch die Kopföffnung der Kapuze an und lies ihn in der Kapuze verschwinden. Ich war irritiert, aber atmete für meinen Witz ein. Julika kam mir aber zuvor: "Komm doch auch rein. Es ist schön hier."
Hall. Ihre Stimme hatte Hall. "Wie eine Höhle. Hihi. Das muss du dir anschauen." Wieder Hall. Als wäre sie wirklich in einer Höhle. Das konnte doch nicht - Ihre Beine konnte ich nicht sehen und der Pullover sah einfach wie ein Hügel aus Stoff aus. "Komm schon!" lachte sie hallend heraus.
Langsam näherte ich mich mit meinem Kopf der Kapuze. Ich schaute langsam hinein, doch ehe ich mich versehen konnte, griffen zwei zarte Hände nach mir und zogen mich in die Dunkelheit.
Weich war ich gefallen, wie in Kissen. Beim blinden Griff neben mich, waren es wirklich Kissen. "Eine riesige Kuschelhöhle für uns, toll." pfiff Julika. Eigentlich hätte sich mein Kopf überschlagen müssen, aber ich habe mir genau so was gerade gewünscht. Ein kleiner Junge in mir, der keine Lust auf Arbeit und Stress hatte, sondern sich einfach leicht müde in eine Kissenburg werfen wollte.
Es war so, als würde Julikas Lächeln und ihre funkelnden Augen das Licht von unsichtbaren Fackeln reflektieren und eine zauberhaft schummrige Atmosphäre aufbauen. Ich war zu Hause. Genau hier wollte ich sein. Das ganze Wochenende. Das ganze Leben wenn es geht. Leben in einer Kuschelhöhle. "Julika, du führst mich an ungewöhnliche Orte." stammelte ich nur aus.
Julika lächelte nur, umarmte mich ganz feste und hauchte mir ganz sanft ins Ohr:
"Und jetzt erzähl' mir den Witz, Doofi."


Kommentare

  1. hm. nett zu lesen. Für mich zu sehr 0815 Groschenroman. Bisschen Rosamunde...
    Lg Gman

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