Ideendämmerung: Die Brille
„Die sind abgeschlossen.“
Ich war mir ganz sicher, dass das mein erstes wirkliches Verbrechen war. Wobei ich mir wirklich nicht sicher war, an wem. Marius schien sich mit solchen Sachen besser aus zu kennen, als ihm lieb war. Er beobachtete nach und nach den Eingangsflur der Wohnung und setzte ganz leise einen Fuß in die Wohnung hinein. Selbst sein tickendes Herz wurde leiser, was ich von meinem überhaupt nicht behaupten konnte. Als er beim Umsehen meinen Blick bemerkte, da erklärte er nur knapp: „Ziegler.“
Ich versuchte mich kurz an ihn zu erinnern, wurde aber von Marius unterbrochen, als er mich in die Wohnung zog. Er schob die Tür leise zu und lies das Schloss ganz leise einrasten. „Die Luft ist rein, trotzdem sollten wir keine Zeit verschwenden.“ Zielsicher sprang Marius in eines der Zimmer, doch ich machte einen kleine Zeitsprung.
Ich erinnerte mich, wie ich Ignis Seele greifen wollte und es nicht konnte. Wie dieser fremde Freund mir entschwand. Hier waren große Teil seiner Seele. Überall waren sie. Unter wackeligen Regalen, auf Ablagen, im Weinregal, unter dem Sofa, zwischen den Töpfen im Küchenschrank und natürlich in Schränken. Mein gelöschtes Gedächtnis machte es mir leicht zu sagen: „Ich habe noch nie so viele Bücher gesehen.“ Alles was mein Kopf mir unscharf als Büchersammlung entgegen warf wirkte dagegen nur wie ein kleiner Wühltisch mit Mängelexemplaren. Und auf dem ging es nicht so wissenschaftlich zu wie hier. Archäologie, Geologie, Thermik, alles über Gezeiten, Atlanten. Ignis hätte mir nach Absurdistan bestimmt viele Fragen beantworten können.
Für Marius fand ich schon gar nicht mehr statt, als ich in dem ankam, was ich eine Arbeitszimmer nennen würde. Den Tisch vom Foto hatte ich schnell identifiziert, aber die Brille war nicht zu sehen. Marius war schon damit beschäftigt jedes Buch einzeln aus dem Regal zu ziehen, als ich versuchen wollte die Schubladen am Schreibtisch zu öffnen. „Die sind abgeschlossen.“, gab er mir knapp entgegen und lies mich wissen, dass ich ihn gerade Zeit kostete.
Zwei Dinge sind mir bewusst geworden:
Skepsis ist, wenn eine klare Ansammlung von Fakten und Verhaltensmustern eine Frage anstelle einer Antwort hinterlässt. Marius schien die Brille ja schon dringender haben zu wollen als ich, warum war das so?
Intuition ist, wenn man entgegen einer klaren Ansammlung von Fakten und Verhaltensmustern eine Antwort auf eine ungestellte Frage bekommt. Als ich Marius zum Trotz die unterste Schublade des Schreibtisches ziehe, da fällt unter ihr ein kleines Schächtelchen ab.
Als ich ein Kind war, da habe ich Schlüssel zu Tagebüchern oder Schubladen in Streichholzschachteln unter Tischen und Regalen versteckt. Die Streichholzschachtel wurde mit Doppelseitigem Klebeband befestigt und dann der bewegliche Teil mit einem Schlüssel gefüttert. Einfach und effektiv. Ich weiß nicht mehr wie oft mir dieser Trick geholfen hat, aber ich bin mir sicher, er würde sich auch heute noch lohnen.
Direkt in der untersten Schublade fand ich die Brille von dem Foto. Es war kein besonderer Moment. Es ertönte keine spannende Musik bevor die Brille auf meiner Nase, saß und ich hielt auch nicht die Luft an. Die Welt blieb nicht einen Moment stehen und auch die Zeit nicht.
Ein neonnarbender Faden lag auf dem Boden. Ein Faden gewebt aus Wörtern. Marius war durch diese Brille nicht zu sehen, aber ein Faden aus Wörtern. Es war keine unsichtbare Tinte am Boden und auch keine optische Täuschung. Der Faden war stofflich und ich konnte ihn aufheben. Ich versuchte die Wörter zu lesen, die dort lagen, wo gerade eben noch Marius stand. „Ich ziehe die Bücher aus dem Regal und schaue ob die Brille irgendwo dahinter liegt. Hoffentlich finde ich sie vor dem Fremden, dann brauche ich ihn nicht erschießen. Einfach mit der Pistole im Hemd bedrohen und dann schnell zurück zu Ziegler. Nur so kann ich den Zwischenfall mit dem Uhrmacher wieder gut machen. Ich drehe mich um und schaue lieber noch einmal nach ihm. Verdammt, er hat die Brille vor mir gefunden. Also muss ich...“
Als ich die Brille absetzte, schaute ich tief in den Lauf einer Pistole.
Bei so vielen Büchern ist man wenigstens für die Fombikalypse gerüstet. xD
AntwortenLöschenEtwas kurz der Abschnitt. Gemein von Dir Deine Leser so zappeln zu lassen.
*gespannt ist wie es weiter geht*
Nicht nur kurz, sondern auch reichlich Fehler. Da mus ich nochmal in die Korrektur.
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