Wer ich früher einmal war

Blubb.
Ich stoße mich mit einem Fuß von der sandigen Mondlandschaft unter mir. Sorgsam untersuche ich die Krater und das Gestein auf Spuren von fremden Leben. Das All um mich herum wabert und zieht immer wieder an mir. Es drückt mich ein wenig zur Seite, drückt mich dann aber auch wieder zurück. 
Mein Sauerstoff reicht noch für eine halbe Ewigkeit. Wissenschaftliche Geräte habe ich keine, nur meine Neugierde habe ich dabei. Auf der Suche nach Pflanzen auf dem Mond braucht man auch nicht viel mehr. Ich bin der erste Gärtner auf dem Mond. Wenn ich nur endlich beweisen kann, dass das Züchten von Pflanzen auf dem Mond möglich ist, dann könnte ich mit der wirklichen Arbeit anfangen.
Das All wabert weiter um mich herum und wiegt mich sanft auf meiner Suche, als plötzlich etwas an meiner Schulter zieht.
"Du bist jetzt lang genug im Wasser." Ich nehme Schnorchel und Taucherbrille ab und konstatiere: "Aber meine Untersuchungen hier sind noch nicht abgeschlossen." - "Das stimmt", antwortet mein Vater "aber wenn du jetzt nicht aus dem Meer kommst, dann müssen Mama und ich ganz alleine Eis essen gehen. Kannst du das verantworten?" Ich fasse mir in meinen imaginären Bart, reibe ihn mir und stelle dann, nach sorgfältigem abwägen aller Möglichkeiten fest: "Nein. Das ist ja ein Notfall."
Das Eis war natürlich nur ein Köder, damit meine Mutter mich mit Sonnencreme einreiben kann. Ich halte das für Unsinn. "Astronauten bekommen keinen Sonnenbrand.", bin ich mir ganz sicher, meine Mutter reagierte aber mit elterlicher Unumstößlichkeit: "Weil sie sich vor ihren Mondspaziergängen immer eincremen." Ich glaube es zwar nicht, aber genau wie bei einem echten Astronauten, hat im Zweifelsfall die Regierung recht.
Das ich nicht auf dem Mond, sondern in der Türkei oder vielleicht auch in Griechenland bin, das weiß ich ganz genau, aber solange ich ins Meer kann, ist mir alles andere eigentlich egal. Und wenn ich nicht ins Meer kann, dann muss der Pool herhalten.
Blubb.
Mein Körper wird so schwach nach unten gezogen, dass ich immer nur kurz den Boden berühre. Steige ich zu weit auf, dann tauche ich wieder hinab, nur um die Schwerelosigkeit zu erfahren. Die Grenzenlosigkeit des Raumes ist eine Illusion, die ich nicht auflösen kann und will. Jedes Gefühl überwiegt jeden Gedanken. Alle Fragen zum Weltall und zu Astronauten sind schon lange gestellt, mein Wissen über Raumfahrt übertrifft das meiner Eltern. 
In meiner Euphorie frage ich einen Geschäftsmann in der Türkei, nachdem er gefragt hat was ich mal werden möchte, ob die Türkei ein Raumfahrtprogramm hat und ob ich da mitmachen darf. Er lacht nur, empfiehlt meinen Eltern aber, mit mir nach Pamukkale in Denizli zu fahren. Näher an den Mond kann man in der Türkei nicht kommen.
Viele Jahre später wird mein Vater einmal sagen, dass ich den ganzen Tag lang den Mund nicht mehr zu bekommen habe. Ich werde überall erzählen, dass es in der Türkei auch ein bißchen Mond gibt. Und es ist nicht nur etwas Mond, sondern auch noch Wasser.
Blubb.
Ich stoße mich mit einem Fuss von der Mondlandschaft unter mir und suche nach einer geeigneten Stelle um all diese schönen Pflanzen zu züchten, die unsere Heimat Erde hergibt.
Blubb.
Ich stoße mich mit einem Fuss von dem Fantasiegewölbe in meinem Kopf ab, schwebe ein wenig frei im Raum und lande wieder auf dem Mond in meinem Kopf. Mit einer Gießkanne in der Hand schwebe ich umher, auf dass wir einmal einen grünen lebendigen Mond haben werden.


Fotoquelle:  Hier

Kommentare

  1. Danke.
    Das ist so wirklich passiert und hat mich doch mehr geprägt, als gedacht.

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