Dunkelheit

Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich sie nicht gesucht habe. Aber es gibt sie nicht.
Immer scheint unter einem Türschlitz etwas Licht hindurch. In den finstersten Kellern, mit morastigen Wänden, moosbehangenden Decken und sumpfigen Böden schimmert immer noch etwas Licht. Durch poröses Deckenwerk. Durch eingeschlagene Kellerfenster. Durch ein Schlüsselloch.
In der Stadt, da gibt es keine Nacht, denn die Straßen und die Reklamen glühen sanft aber beständig. Auf dem Land, da gibt es keine Nacht, denn der Mond und seine Sterne weisen dir den Weg ganz selbst, oder sie werfen ihren Schein zwischen Seen und Wolken hin und zurück.
Wenn es in der Nacht schon keine Dunkelheit gibt, wo dann?
Keine Augenbinde, kein Blinder, erfassen das Gefühl einer Finsternis, in der weder Wissen, noch Gespür, dir etwas Preis geben. Die nächste Tür kann Ewigkeiten entfernt oder dir im Nacken stehen. Es gibt keinen Ziel für deinen Weg, es gibt nur noch weg.
Auch führt man alles zusammen; Keller, Nacht, Augenbinde; es fehlt in der Zusammenstellung die Natürlichkeit der Finsternis. Gäbe es sie, würde sie synthetisch schmecken.
Wo also gibt es diese Finsternis zu finden, für einen Menschen, ohne sich aufs Schädlichste in die Tiefen des Meeres werfen zu müssen?
In der Seele.
Haut und Fleisch sind nicht dicht genug, um das Licht aus der Seele auszusperren, aber Gedanken, sind sie dicht gewoben, um dunkel gefärbt, können das dichteste Gewebe spinnen, dass dem Menschen bekannt ist. Jeden Faden kannst du mit einer Schere durchtrennen, aber ein Gedanke, ist er gewoben, hält stand.
Die Dunkelheit ist ein gefährlicher Ort, sie lockt uns mit Neugier, sie fordert unseren Mut heraus. Sind wird dort angekommen, wird unser Wissen zum Spielball und Angst zu unserem Antrieb. Ein leichtes ihr zu entkommen, wenn man sehen kann.
Das Leben, es bietet nicht jedem den gleichen Stoff und so webt auch jeder seine eigenen Gedanken. Manche farbenfroh, manche zweckmäßig und andere so düster, wie die Welt auf die sie blicken.
Wer den Ort der Finsternis in seiner Seele gefunden hat, der flüchtet. Wer auf sie vorbereitet war, der geht die Schritte zurück, die ihn dorthin gebracht haben. Aber wer von dem dunklen Tuch, welches sich plötzlich über das Leben wirft überrascht wird, der rennt und rennt und rennt, aber wer keinen Ausweg kennt, der bleibt und bleibt und bleibt den dunklen Gedanken erhalten.
Ein leichtes also in dieser Welt zur Aufgabe zu kommen, aber zu einer Aufgabe komme auch ich nun. Die Finsternis zu suchen ist nicht schwer, sie zu überwinden aber sehr. Dem, der keine finsteren Gedanken webt, kann er doch so vieles sehen, entgeht oft der Blick für das Licht. Denn dieses gilt es zu bringen. Von sich aus bricht kein Mauerwerk. Ein Kellerfenster will eingeschlagen werden.
Wer in der Finsternis eingeschlossen lebt, der sucht nicht den Schlüssel seines Kellers, er kann vor lauter finsterem Stoff den Ausgang nicht finden.

Sei Schlüsselloch.

Mehr, als matt in die Finsternis zu strahlen, brauchst du nicht tun.

Kommentare

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: