Von einem Haus und einem Einbrecher

Auf der Suche nach einer Geschichte, die ich schreiben könnte, finde ich mich vor einer Tür wieder. Massiv und aus finsterem Holz geschlagen, strotzt sie aus einem Mauerwerk, das ich als meinen Kopf erkenne. Ein Kopf, der, dem Einfluss des Wetters folgend, etwas zerwirkt aussieht.
Ich klopfe zaghaft, um Einlass zu bekommen; will dem unwirtlichen Wetter der Außenwelt entgehen. Die Pforte öffnet sich aber nicht. Ich klopfe immer fester, denn der Wind dreht und ich, ich spüre wie er mir ins Gesicht steht, mir fest entschlossen entgegen schlägt, so dass es mich beinahe niederlegt. Selbst außerhalb des Gemäuers höre ich schon den Hall, den meine Schläge gegen das Gehölz im Inneren verursachen, aber es öffnet sich nicht.
Ich ziehe es in Betracht, in meinen Kopf einzubrechen. Ein niedriges Fenster wird es ja wohl geben oder auch eine Hintertür. Also stelle ich mich einige Schritt zurück, um im kräftigen saueren Regensturm ein Fenster auszumachen, aus dem ein wenig Licht scheint. Ein Funke der Hoffnung im schwachen Wetterlicht, vielleicht sogar jemand, der mich hört, wenn ich rufe. Doch als ich rufe, da hört man mich vielleicht, aber es ändert sich nichts. Und ein Licht brennt auch nicht in meinem Kopf.
So leicht, einfach einen Schlüssel beim Nachbarn oder unter einer Fußmatte zu hinterlegen, so leicht habe ich es mir natürlich nicht gemacht. Sogar vor der Tür zum Keller hängt ein Vorhängeschloss, erkenne ich, das finstere Haus umschleichend. Nur die nähere Betrachtung gibt zu erkennen, dass dieses Schloss sich schon länger den lustvollen Küssen der Regentropfen hingibt und in reinster Liebe und Rost aufgeht. Mir entringt der mächtige Sturm keine Liebesschwüre und so erwäge ich, zu prüfen, ob das Schloss sich seinem Leben mehr oder doch der Liebe verschreibt.
Als es sanft in eine Pfütze gleitet, da erkenne ich, wahre Liebe gibt es noch. Das Schloss und der Regen bleiben auf alle Ewigkeit verbunden. Und verbinden sollte ich auch meine Hand, deren Fleisch beim Schlag auf das Schloss es mir gleich getan hat und aus der Haut gefahren ist.
Keine Fackel hängt und auch kein Lichtschalter lässt sich finden, in einem Keller, den zu besuchen wohl gemieden wird. Am Ende eines kurzen Weges scheint sanftes Licht eine Treppe hinab und einer Motte gleich, zieht es mich an. Ich gleite über den glatten Stein des Gewölbes und begegne kurz der Frage, ob das Schloss vor der Tür Fremde ausschließen oder jemand anderen einschließen sollte.
Jenseits der Treppe, erwartet mich ein Flur, wenig gut beleuchtet und auch nicht von besonderer Eleganz. Eher wenig durchquert und funktional sieht er aus, aber er erwehrt sich nicht des Schmucks, den hier Spinnenweben und alte Zierteppiche bilden. Ob es wohl eine besondere Deutung erlaubt, wenn solch ein Ort sich in einem Kopf befindet, das frage ich mich und beginne, einem menschlichen Reflex folgend, das Gesehene zu beurteilen. Auf den Teppichen erkenne ich prachtvolle Verziehrungen, die frühere Stationen einer Lebensgeschichte bedeuten und erkenne mich selbst in ihnen wieder.
Die frisch erblühte Pflanze der Faszination sieht sich plötzlich im selben Regensturm, der mich draußen erfasst hatte. So war ich zwar in meinem Kopf, aber es änderte nichts an dem Verrat der Gesetze der Moral, hatte ich mir doch unerlaubt Zugang verschafft. Aber die Neugier ist halt eine Gier und treibt weiter an und Strafe findet immer den, der ihr auch bedarf. Also fordere ich den Konflikt mit mir als Hausherren ein wenig heraus und zahle ja auch schon einen Tribut, mit einer Hand die im Schmerz in Flammen steht.
Durch den Gang schlendernt, fühle ich mich fremd in dieser Welt, fühle mich aber auch weltfremd. Schwer in Worte zu fassen, wie sich so etwas erspürt. Der Sturm, die Außenwelt scheinen vergessen und ich erkenne in meiner inneren Unruhe, die Ruhe, mit der ein solcher Ort dann wirkt. Die Notwendigkeit diesen weitestgehend türlosen Flur weiter zu verfolgen schwindet dahin, aber das mitgebrachte Tempo der Außenwelt verbietet mir, noch, ganz zum Halt zu kommen.
In meinem Weg begegnen mir überraschend Klang und Geruch, nur vom Zufall zusammen gebracht, wie sie als Musik und geschmackvolles Essen mir die Sinne umspielen. Wie mit einem Schlüssel aufgezogen, marschiere ich, als braver Spielzeugsoldat, den neuen Wahrnehmungen entgegen. Mir steht der Sinn nach einer warmen Suppe, die mir die Feuchtigkeit aus der Kleidung brennt, einem kühlen Schwarzbier, das mir die Trockenheit aus der Kehle spült und nach Tanzmusik, die mir die Müdigkeit aus den Knochen wirft.
Die einfachsten Grundbedürfnisse als schwersten Antrieb, stürze ich, fast schon mehr als dass ich laufe, in einen Raum, in dem gelebt wird. Was gerne ein Wohnzimmer genannt wird, verstehe ich gerade mehr als Lebensraum, denn nur auf das Wohnen ließe sich dieser Raum nicht kürzen. Zerworfene Zeitschriften, dampfender Tee und gefüllte Suppentassen laden ein zum Mitleben und Platz nehmen, zum Mitnehmen und Abheben.
Mehr von der süßen Ohnmacht des Blutverlustes gezogen, falle ich in eine Sitzgelegenheit, die ich dann aber auch gerne nutze, mir selbst mich noch ein mal von Innen zu betrachten. Ich befürchte schnell ein Traumbild, in dem was sich mir hier bietet, den entgegen ihrem Namen ist die Ohnmacht sehr mächtig, gerade wenn es um die Täuschung ihres Trägers geht. Verbessert meine Fantasie nur diesen Ort, da er reizvoller ist, als weiter im Sturm vor den Türen zu stehen oder bietet sich mir hier wirklich ein passabler Ort, eine Zuflucht, wenn auch ich mich hier immer noch fremd fühle?
Ein Fremdheitsgefühl, das erfreuliche Vorsicht und Nachsicht mit sich bringt, das muss man ihm zu Gute halten. So bemüht sich mein Körper stets, nichts Zerbrechliches zu brechen, keine Bluttropfen zu tropfen und beim Beschreiten eines Teppichs die Ecken nicht umzuklappen.
Ob Zuflucht oder Traum, die Frage findet keinerlei Antwort, verquast erscheint mir bloß, dass ja auch Träume Zuflucht sein können. Darin finde ich aber keine Zufriedenheit, welche dieser Ort so verdient macht, denn er bemüht sich sehr, mir den Frieden nahe zu bringen.
All den Spuren eines Lebens zum Trotz, deutet nur wenig, auf einen Bewohner. In diesem Heim wird gelebt, aber es ist nicht sonderlich belebt. Da ist keine Miniatur zu finden, die den frischen kindlichen Geist zum Spielen einlädt. Kein farbenfrohes Bild wirkt als Zerwürfnis und da starrt auch kein aufsteigendes Kaminfeuer nach mir. Gespenstigkeit beginnt endlich für mich einen Sinn zu ergeben, wobei sie entgegen den wilden Vermutungen von der Heimlichkeit und nicht der Unheimlichkeit lebt.
Und heimlich ist es hier in jeder Hinsicht. Keine Wachhunde versuchen mich aus diesem Gebilde zu verscheuchen und es ist auch kein Hausherr hier, der mir droht. Es ist, als würde dieser Ort nur bestehen, um nicht im Regen zu stehen.
Meine Gedanken dünnen weiter aus, als ich mit fader roter Fingerfarbe ein trauriges Bild von diesem Haus male. Ein Haus, das mit ein bisschen Liebe, ein bisschen lebe. Ein schützendes Dach und ein festes Fundament, zwischen denen man dann, mit etwas Freude, so etwas fände, wie einen Freunde.
Langsam komme ich wieder zu mir und zurück von dieser sonderbaren Reise. Auf der Suche nach einer Geschichte, die ich schreiben könnte, finde ich mich vor einer Tür wieder.
Massiv und aus finsterem Holz geschlagen, strotzt sie aus einem Mauerwerk, das ich als mein Leben erkenne. Ein Leben das, dem Einfluss der Zeit folgend, etwas zerwirkt aussieht.

Kommentare

  1. Gefällt mir!
    Ich mag Geschichten, deren Anfang gleichzeitig das Ende ist. Der ewige Kreislauf!
    Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Schriftstellerei befasst kennt das. Ich habe auch eine Tresortür im Kopf und dummerweise die Kombination vergessen, die das Tor öffnet. Hoffen wir mal das mir das Passwort wieder einfällt. ;)

    Kleine Anmerkung:
    "Ein schützendes Dach und ein festes Fundament, zwischen denen man dann, mit etwas Freude, so etwas fände, wie einen Freunde."
    Müsste es am Ende nicht einfach Freund heißen?

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  2. Das ist etwas, was ich spontan einen Pseudoreim nenne. Es klingt gestelzt, aber so taucht in der Geschichte ein Reim auf, der den Lese- und damit eventuell auch den Inhaltsfluss verändert. oder auch nicht.

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  3. Sehr ähnlich dem vorangegangenen Text. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich ihn mag. Beides irgendwie. Ich mag die Analogien, die Gefühle. Und trotzdem hätte ich gerne eine Geschichten-Geschichte. Oder etwas, was weniger direkt Nachdenken ist. Die Sicht muss nicht so negativ sein, es ist ein schönes Haus.

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