Slamrückblick #1
Meine persönliche Saison 2011/2012 läuft nun schon was länger, der Rückblick hat auf sich warten lassen. Verzeihung?
20.10.2011 Eröffnung der Weststadthalle in Essen
oder: "Und nichts kritisches!"
Als Auftakt gab es direkt ein besonderes Leckerchen für mich. Das Jugendamt der Stadt Essen hat mich eingeladen im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung der neuen Weststadthalle (der erfahrene Leser weiß, dass hier relativ kurz darauf auch mein eigener Slam startete) Zehn Minuten Programm zu füllen.
Dabei lief die Anfrage angenehm unbürokratisch ab, quasi so zwischen Tür und Angel. Als ich dann gefragt habe, wie das Publikum so aufgestellt sein könnte, um eine Textauswahl zu treffen, gab es eine Antwort mit Anweisung: "Der Oberbürgermeister wird da sein und auch andere hohe Tiere. Was unverbindliches wäre gut. Und nichts kritisches!"
Im Warten auf den Termin war ich vollkommen unsicher, was ich lesen soll, habe die Frage dann am selben Tag noch per Facebook diskutiert. Und das hat geholfen. Mit meinen zwei humorversuchten Gedichten "Enten im Herzen" und "Keine schillernde Persönlichkeit" bin ich dann am Nachmittag äußerst nervös auf die Bühne gegangen.
Es ist eine Sache, wenn man vor einem Publikum auftritt, welches in diesem Moment nicht auf Bühnenliteratur vorbereitet ist, aber es ist nochmal eine ganz andere, wenn es dann auch noch ca. 400 Personen sind und man noch nie vor so vielen gelesen hat.
Dank dem Zuspruch meiner Freundin ging ich dann aber halbwegs entspannt auf die Bühne und hatte Glück, das Publikum doch gut bedienen zu können.
Im anschließenden Kurzinterview mit der Moderatorin, Sharon Mellnich von Radio Essen, durfte ich dann noch den eigenen Slam bewerben und unser Oberbürgermeister tönte dann, als ich erklärt hatte worum es so geht, dass man sowas doch auch problemlos im Ratssaal im Rathaus veranstalten könnte. "So was vor hunderten Zeugen zu versprechen ist natürlich strategisch unklug.", rutschte es mir raus, aber inzwischen bin ich ganz froh darüber, denn auf diese Sache werde ich den OB gerne nochmal ansprechen.
oder: Geisterspiel
Zum Slamassel kann man ja guten Gewissens immer gehen, da bekommt man immer einen schönen Abend. Diesmal vor einer unendlich langen Pause, mit unwahrscheinlich vielen Slammern und leider mit wenigem, aber begeistertem Publikum. Die bekannten Slammer, brachten in gewohnter Qualität bekannte Slamtexte ohne besondere erwähnenswerte Ausreißer nach unten.
Die (mir) unbekannten allerdings, die weckten meine Aufmerksamkeit:
Erst war da Sean Bü, der auf der Bühne auch gerne 2Seiten genannt wird, der die Slambühne nutzte um seine Hiphoptalente unter Beweis zu stellen. Rapper auf Slams finde ich persönlich ja immer schwierig, aus mehreren Gründen:
Zum einen gibt es beim Slam ja meist die Regel, dass Gesang im Vortrag nur kurz erlaubt ist; wer sein ganzes Stück singt, wird disqualifiziert. So noch nie gesehen, wird aber immer als Regel betont. Die Grenze zwischen Sprechgesang und Gesang ist dabei unwahrscheinlich eng und die Tatsache, dass ein stark betonter lyrischer Vortrag auch dem Rap sehr nahe kommen kann, hilft da auch nicht gerade besonders, um eine Trennung zu machen.
Manch einer von diesen Rappern und auch den Rapperinnen, die haben da ja schon mal eine CD oder geben auch schon Konzerte, da wirkt es ein wenig so, als wäre der Auftritt auf der Slambühne nur Marketingmittel. Dafür muss man allerdings nicht unbedingt Rapper sein, Singer-Songwriter, die zeitgleich SlammerInnen sind können so was auch ganz gut. Das ist keine Kritik an Einzelpersonen, ich kann es verstehen, wenn man aus seiner Berufung einen Beruf machen möchte, wer möchte das den nicht? Komisch aussehen tut es aber trotzdem irgendwie und je nachdem, wie man sich präsentiert, wirft es halt ein schlechtes Licht auf einen selbst.
Aber, so muss es nicht sein und das hat Sean Bü gezeigt. Und das, obwohl er "Double-Time-Rap" macht, also Sprechgesang, bei erhöhtem Tempo. Das obwohl ruht darauf, dass ich diese Art von Rap, sei sie technisch noch so beeindruckend, einfach nicht mag. Irgendwie erinnert es mich dann an Scatman John.
Zum einen hat 2Seiten es aber geschafft, dabei noch verständlich zu bleiben, zum anderen hat er aber auch tolle sprachliche Konstruktionen aufgebaut. Zugegeben, inhaltlich vermochte er es nicht mit jedem Text an diesem Abend zu überzeugen, da manches für mich weder eine Geschichte noch eine erzählerische Abfolge ergab, das schmälert aber nicht die starke Performance.
Und er sollte auch nicht der Einzige mit einer starken Performance bleiben.
Eigentlich aus den U.S.A. stammend, betrat Melissa Rose die Bühne, bewaffnet mit englischsprachiger Lyrik und Prosa. Und sie sollte (zu recht) allen Behauptungen über Slambühnen trotzen. Ergänzend dazu, dass man dem deutschen Publikum das Englische nicht unbedingt immer zu traut, trat sie auch noch mit äußerst ernsten Texten an, die ja in dem Ruf stehen geschmälerte Siegeschancen zu haben.
Blowcake! Melissa Rose hat an diesem Abend gewonnen und nicht nur den Slam, sondern auch so einige Herzen. Da lag durchaus Funkeln in den Augen uns anderer Künstler, denn wir bekamen hier gerade allerfeinste Qualität geboten. Jeder von uns hätte/würde und sollte sich gerne einen Liter von dem Herzblut das Melissa auf die Bühne brachte einspritzen.
Lobenswert seien noch Cristofer mit F und Claas Neumann zu erwähnen. Erster brachte auch sehr gute Lyrik auf die Bühne, konnte an diesem Abend aber gegen Sensationen wie Melissa oder auch den bisher in diesem Bericht ausgesparten, aber wie immer starken, Sushi da Slamfish nicht bestehen. Zweiterer, moderiert auch mit Sushi in Essen in der Heldenbar und war diesmal als Rückendeckung, Springer und Hilfskraft zum Slam gekommen. Lobenswert: Essener Slams stehen zusammen.
Leider, wie bereits erwähnt, haben das alles aber nicht all zu viele zu sehen bekommen. Moderator Devin erlaubte sogar uns Künstlern mit ab zu stimmen.
Ich hoffe, dem Slam im Emo Essen-Rüttenscheid geht es inzwischen wieder besser, aber zu diesem Zeitpunkt waren die Besucherzahlen äußerst rückläufig. Ursache: unbekannt.
Der Organisator, Jürgen Humburg, auch wenn er kein Poet ist, setzt nämlich auch viel Herzblut, aber noch viel mehr Fleiß in diese Veranstaltung. Ihr ahnt es schon, liebe Essener, ich will euch auch da hin schicken. Probiert es wirklich, es ist eine tolle Veranstaltung in einem großartigen Haus!
oder: Bestes Malzbier
oder: Rainer Holl ist alle Slammer
Ja, die Zwischenüberschrift stimmt und ich bin so dreist und platziere Produkte: Es ist Feldschlösschen Malzbier. Königlich.
Ilja, zuvor in diesen Rückblicken als Slammer im Einsatz, durfte nun zum allerersten Mal moderieren, hatte mich auch eingeladen für diesen Abend als Kombatant eingeladen. Um es kurz zu machen: Guter Job, bei dem er sich äußerst amüsant im Kopf und Kragen geredet hat.
Hier und da hatte sich im Starterfeld die eine oder andere Paralelle zum Slamassel eingeschlichen, Melissa Rose sei da besonders zu nennen, mit der ich auf dem Hinweg zum Slam zauberhaft defekte Gespräche im Zug geführt habe. Ich bin immer noch peinlich berührt, wenn ich an meine verzweifelten Künstlergesprächsversuche erinnere. Aber auch Axel Stiller und Ruby Tuesday, die ich zuvor nicht erwähnt hatte, und der in diesen Rückblicken allgegenwärtige Johannes Floehr waren da.
Aber auch hier waren es die Unbekannten, also mir, die besonder in Erinnerung geblieben sind.
Kandidat 1: Hank Zerbolesch, unglaublich gute Performance zu ungewöhnlichen Geschichten. Die Performance hat mir vor allem durch die dezente Töne gefallen, aber auch durch extrem präzise Betonungen. Da war alles wo es hin gehörte. Absolutes Spitzenniveau.
Kandidat 2: Rainer Holl. Wurde gerade von den Dortmunder Kollegen immer wieder erwähnt und gelobt. Für mich war er bis zu diesem Abend sagenumwoben geblieben. Sogar so sagen umwoben, dass immer wenn mir jemand etwas über einen Slammer erzählte, den ich nicht kannte, ich nach ein paar Tagen diese Geschichten, Eigenschaften und Texte, die mir alle framd waren, immer Rainer Holl zu ordnete. Mit Hilfe von Youtube und anderen modernen Recherchemethoden diesen Mythos zu zerschmeißen kamm mir aber nicht in den Sinn. Rainer Holl ist alle Slammer.
An diesem Abend konnte er in meinem Gedächtnis aber auch er selbst werden, was an seinem sensationellen Textgespür lag. Auch hier war die Performance auf den Punkt, aber die Texte waren vor allem authentisch. Und als er im Finale das Publikum blind machte, da die Protagonistin in seiner Geschichte taub-stumm ist und dann mit einfachsten Mitteln gedämpfte Stimmen und andere passende Effekte platzierte, da hatte ich schon fast ein wenig ein schlechtes Gewissen, hier heute überhaupt angetreten zu sein.
Gewonnen hat dann am Ende aber Johannes Floehr und das vollkommen zu recht und vielleicht sogar mit meiner Rückendeckung. Ich hatte mir von ihm nämlich einen seiner Texte gewünscht und er war tatsächlich so nett ihn zu lesen. Danke dafür.
Und: Jetzt sind wir quitt, denn in der Werkstatt hatte er mal einen Text von mir ausgewählt, der mich am damaligen Abend gewinne lies. Und somit auch für folgendes qualifizierte:
oder: Kleines Finale mal anders
für das Siegertextelesen in der Werkstatt in Gelsenkirchen. Leider für mich eine Stresstermin, da ich eigentlich zu der Zeit in Oer-Erkenschwick auf einem Seminar war, aber mein Kumpel Zeppi war so nett mich hier ab zu werfen.
Nach dem sich exzellentes Personal angekündigt hatte und ich ein echt umkämpftes Finale erwartet hatte, kamen dann nur drei derer, die für dieses Finale qualifiziert waren. Dunja Ulrich durfte dann als absolute Heimspielerin in dieses Jahresfinale einsteigen, wo gegen aber keine von uns protestierte. Warum auch?
Die Vier Finalisten waren nun also Andro, Maschi, Dunja und meine Wenigkeit. Es war dank Dunja eine weihnachtliche, danke Maschi eine lustige und dank Andro eine lokalpatriotische Runde.
Ich hoffe, dass das Publikum zufrieden war, denn ich persönlich fand zwar die Künstler gut, aber Dea hätte mehr Rückhalt von ihren Künstlern verdient gehabt. Weniger mag zwar in der Redewendung mehr sein, aber manchmal halt auch echt nur da.
Maschi wurde dann der Bueranische Stadtteilmeister und ich, basierend auf einer Radiomeldung, die Zeppi und ich zuvor gehört hatten, wurde Bueransicher Vize-Weltmeister im Poetry Slam. Besonders schön waren tolle Preise und eine gewohnt tolle Stimmung.
oder: Ja, schon wieder
Es ist halt direkt vor der Haustür. Und auch mit den Startplätzen ist man hier immer sehr dankbar. Also war ich wieder dabei. Und nicht nur ich, sondern auch wieder Sushi, vorallem aber auch deutlich mehr Publikum, auch wenn wir einiges selbst mitgebracht haben.
Auf der Bühne besonders auffällig und besonders gut: Kornelius Friz und Klaus Urban. Klaus Urban hatte ich mit meinem Jahresrückblick ja bereits erwähnt, der strahlende Sieger in Krefeld und auch jetzt sollte er es wieder auf die Eins schaffen.
Kornelius Friz hatte ich auf der WestStadtStory als Teilnehmer gesehen, ein junger sympathischer Kerl, der von Leipzig aus die Slamwelt erobern wollte und will. War er bei uns auf dem Slam ganz gut weg gekommen, mit ordentlichen Texten und guter Performance, war er hier beim Slamassel in absoluter Bestform. Bei uns hätte er so auch auf die Plätze kommen können, hier ist er heute Zweiter geworden.
Ich für meinen Teil wurde Dritter, möglicherweise einem Experiment wegen. Da ich irgendwie das ganze Jahr schon schreibblockiert bin, bekomme ich kaum mehr einen geraden Satz aufs Papier. Auch mit denen in diesem Rückblick bin ich eigentlich unglücklich, aber es ist ein Versuch die Blockade zu brechen. Im Januar war es also auch schon, was ich aber leider/ zum Glück aber nicht war, ist ideenblockiert. Einen Text, der die Motivation beim Schreiben und meinen typischen "erhobenen Zeigefinger" beeinhaltet, der ging mir schon seit einigen Tagen im Kopf umher, aber halt nicht aufs Papier. Da ich mit Klaus, Kornelius und Sushi als Startern einen möglichen Platz im Finale schon aufgegeben hatte, setzte ich also alles auf eine Karte und versuchte mich am Freistil.
Ich selbst war nicht sonderlich glücklich mit dem Text, auch wenn sie ein gewisser Fluß nach dem ersten Satz entwickelte, aber das Publikum war doch ganz zufrieden, vielleicht aber auch nur mit genug Freunden gefüllt. So oder so, wurde ich mit einem dritten Platz an dem Abend zu mehr Freistil ermutigt.
oder: Ein alberner Versuch
Michael Ballack hat ja mal gesagt: "Niemand verliert ungerne." und ganz ähnlich ist es ja beim Poetry Slam.
In der Hoffnung, durch ein Gespräch mit dem ansässigen Moderator, getränkt, mich im C@fe 42 für das Saisonfinale qualifizieren zu können, da ich schon Lust hätte mal wieder in eben einem solchen zu stehen, meldete ich mich irgendwann als ich den Meyer getroffen hatte mündlich an.
Am Tag des Slams erfuhr ich dann, dass Michael El Goehre auch teilnehmen wird. Killer.
Man weiß zwar schon oft vorher, dass man ausscheiden wird, aber diesmal war es so klar wie selten zu vor. Goehre ist ein großartiger Humorist, macht Geschichten über Metal und Metaler, erklärt uns "nicht true-en" die schwarze Welt und Seele dieser Musik, garniert mit zig großartigen Anekdoten und witzigen Situationen. Ein Profi erster Güte.
Cristofer mit F war auch wieder am Start und so habe ich meine Qualifikation abgeschrieben, denn ohne wertvolles neues Textmaterial, war gegen die Beiden kein Ankommen. Trat auch genau so ein, Goehre auf die Eins, Cristofer auf die Zwei.
Wenn man sieht, dass ich hier mal mit Siegesambitionen gestartet bin, könnte man jetzt ja für mich hoffen, dass ich wenigstens Dritter geworden wäre. Muss man aber nicht. Bin ich auch nicht. Zu recht.
Bei uns Bühnenkünstlern wiederholen sich einige Themen ja ganz massiv, oft den medialen Diskussionen geschuldet, oft aber auch unserem Alltag. Facebook, deutsche Bahn, FDP, Vegetarismus und Internet im Allgemeinen sind da nur einige prominente Beispiele. Oft helfen diese Themen aber auch, das Publikum zu gewinnen, da sie ja wissen, wovon gereder wird.
Nina Anin hat es aber auch anders geschafft. Ohne fetzige Performance und auch ohne lyrisches Feuerwerk, hat sie, mit sprachlich eigenwilligen und leisen Geschichten es tief in die Aufmerksamkeit des Publikums geschafft. Immer mit Noten ihrer Herkunft und Einladung in ihre Gefühlswelt, aber so schön subtil in beiden Fällen, dass man sich weder belehrt noch eingelullt fühlte. Äußerst bemerkenswert.
Auf meiner Seite war es nicht besonders sinnvoll mich hier qualifizieren zu wollen, habe ich das tr(e)ue Gelsenkichener Publikum doch falsch eingeschätzt. Treu aber nicht gegenüber den eigenen Leuten, sondern den Positionen. So wurde ich, wie immer, Vierter im C@fe42. Aber, immerhin konnte ich mich trotzdem ins Finale mogeln, da ich den Meyer fragte, ob ich nicht als Co-Moderator nochmal zu besuchen kommen soll. Also, doch im Finale und nach dem ich einige tolle Texte an diesem Abend hören konnte, sollte Herr Ballack rechtbehalten:
"Niemand verliert ungern.", an so einem Abend.
oder: Viele Köche
Das erste Mal auf diesen Slam aufmerksam geworden bin ich durch Chris Wawrzyniak, tätig in den Flottmannhallen in Herne, den ich auf einer Veranstaltung in Essen kennenlernen durfte. Schon da hatte ich gesagt, dass ich mal rumkomme, mich aber nicht all zu intensiv darum bemüht, ohne besonderen Grund.
Zum zweiten Mal dann, als Torsten Sträter (s. Tierheimcharity Slam) mich angefragt hatte, ob ich nicht kommen wollen würde, es gäbe ja noch Startplätze und er moderiert das Ganze. Was mich überraschte, denn eigentlich ist der Sprechreiz Revier von Sebastian 23, aber der konnte wohl einfach nicht. Wie das halt so manchmal im Leben ist.
Torsten Sträter, ihr seht, in diesem Abschnitt kommen viele Namen auf euch zu, konnte eigentlich auch nicht, wie sich dann später herausstellte. Tatsächlich moderierte den abend dann nämlich Dennis Seyfarth, der für den Sträter einsprang, als dieser dann doch nicht konnte. Also nicht so ganz konnte, er gab dann das Opferlamm um das Publikum aufzuwärmen und musste dann zu einem anderen Auftritt.
Ergebnis dieser Gesamtsituation war aber ein sensationelles Starterfeld von 14 Künstlern, da sich sowohl über Wawrzyniak, 23, Sträter als auch Seyfarth Künstler hatten aquirieren lassen. Ein Künstler wurde sogar zu Bühnenhilfpersonal umgeschult, um nicht noch mehr Starter zu haben.
Das Feld war Klasse, zwischen bekannten Wegbegleitern bis hin zu vollkommen Fremden war alles dabei. Auf Sushi, Felix Krull und Maschi brauch ich da gerade nicht eingehen, alles im gewohnten Niveau.
Mit dem ersten Starter, Sebastian Hahn, möchte ich direkt mal auf ein klasse Publikum eingehen. In Herne gibt es auch eine Jurywertung, allerdings mit Sieben Jurymitgliedern, was der Größe des Publikums geschuldet ist. Es waren viele und definitiv über Hundert. Meist ist es jetzt ja so, dass bei dem ersten Künstler eines Abends, da Mensch ja noch nicht weiß, was noch so kommen könnte, eher verhalten bewertet, um die Verhältnismäßigkeit waren zu können. Bei Sebastian Hahn, dem sympathischen Bremer, hat das Publikum aber gezeigt, dass man auch einfach ohne Einschränkungen begeistert sein kann und hat ihn sehr fair und sehr gut bewertet, so dass er auch von Startplatz Eins aus lange Zeit Chancen für das Finale hatte. Und das vollkommen zu Recht, denn seine humorige Geschichte über sich als Nerd im roten Pullover, die in einem sehr langen Satz daher kommt, ist ein äußerst guter und starker Text.
Jürgen Schumacher, ein Einheimischer, hatte mich ein wenig enttäuscht. Er hat eine starke Performance, auch wenn man ihm anmerkt, dass er mit dem Slammen noch ein wenig fremdelt, aber besonders schade finde ich, dass er scheinbar auf der Bühne nicht all zu viele Texte zur Auswahl hat. Bei uns auf der Weststadtstory und auch hier in Herne startete er mit einem identischen Textfeld, konnte sich aber nicht so weit durchsetzen wie bei uns.
Beatrice Wypchol sollte besonders auffallen. Einer Perfektionisten bei der Bühnenarbeit zu sehen zu können, war zum einen sehr lehrreich, aber auch sehr unterhaltsam. Ohne humorvollen Inhalt, mit Moral und Philosophie bewaffnet, unternahm sie eine starke lyrische Reise. Lyrische Texte, bilderreiche Gedichte gelten beim Slam als absolutes Mädchenfachgebiet und oft gewinnt man den Eindruck, sich daran sattgehört zu haben. Beatrice hat aber ihre Texte so sorgfältig ausgearbeitet in Betonung, Aufbau und Inhalt, dass sie jeglichen Klischees der (manchmal so genannten) Mädchenlyrik entgeht.
Ein älterer Herr, so um die 80, fiel an diesem Abend besonders auf, denn manchmal gehört zu einem guten Auftritt einfach nur man selbst zu sein und ein paar nette Ideen zu haben. Leider will mir sein Namen nicht mehr einfallen, aber mit Heinz-Erhadtschen-Gedichtstil und seiner wirklich niedlichen Art zog er direkt in die Herzen des Publikums ein. Und die Idee, regelkonform, da nicht verboten, eine entscheidene Pointe seines Textes von seiner Frau aus dem Publikum einwerfen zu lassen, ist einfach genial gewesen. Sollte jemandem der Name bekannt sein, bitte bescheid geben, ich will ihn dringend nachreichen.
Ich selbst habe, nach dem Felix mit einem ersten Text in den Wettbewerb ging, mich von Enten und Schiller entfernt und mich auch auf etwas ernstes eingelassen. Später sagte man mir, dass es nicht das richtige Publikum für dieses Thema sei, aber das war mir egal. Ich war vorallem zufrieden, da meine Performance besser wurde. Ich bewegte mich mehr, war lebhafter und schrie das Publikum an und war nach meinen Sechs Minuten äußerst zufrieden. Jede Publikumsbewertung und Platzierung war heute vollkommen zweitrangig.
Besonders Lob gilt dann am Ende nochmal dem Moderator, Dennis Seyfarth, der sympathisch und humorvoll durch den Abend führte, bei perfekte Publikumseinbindung. Als sich Protest gegenüber des Finalmoduses aus dem Publikum äußerte, federte er die Situation ab und änderte einfach den Modus. Sehr souverän und zuschauernah.
Am Ende gefiel er, meiner Freundin, als Moderator so gut, dass sie mir sagte, ich solle doch auch bei ihm in Düsseldorf mal mein Glück versuchen.
Der Abend hatte gezeigt, viele Köche müssen nicht jeden Brei verderben. Nach Herne komme ich wieder.
16.02.2012 Papp a la Papp in Krefeld
oder: "Ach, Künstler nennt man das jetzt?"
Der Herr Floehr hat ja in seinem Wohnort durchaus ein Händchen für tolle Slams. Im Theater hinten links war es schön schön, aber auch im Jules Papp, in der Krefelder Innenstadt, sollte es sehr schön werden.
Entgegen dem französisch anmutenden Namen, steht man hier in einer urigen Kneipe, die aber modern geführt wird, quasi auf einem Karton. Viel größer ist die Bühne kaum, so dass Herr Floehr auch dann und wann von neben der Bühne moderieren musste.
Der Ton war leider nicht ganz perfekt ausgesteuert, das Publikum aber schon, denn man hat hier offensichtlich gerne gute Laune. Kneipe und Slam funktioniert hier gut zusammen, man merkte auch, dass das anwesende Personal Lust auf die Veranstaltung hat. Nun, bis auf die beiden Damen an der Kasse vielleicht.
Das Jules Papp war ausverkauft, wie man uns schon am Eingang versicherte, was jetzt nicht unüberschaubare Menschenmassen meint. Um mir/uns Einlass zu gewähren, verwies ich darauf, dass ich einer der teilnehmenden Künstler sei. Vielleicht war es zu arrogant von mir, diesen scheinbar hochtrabenden Begriff zu verwenden, aber mit einem lachenden "Ach, Künstler nennt man das jetzt?" wurde uns dann auch der Zutritt gestattet. Vielleicht muss Herr Floehr da nochmal etwas nachschulen. Entweder das Personal, dass Slam ja schon auch Kunst ist oder mich, dass das was ich da machen, ja wohl mal keine Kunst ist.
Im Starterfeld fanden sich fast nur Bekannte, wie immer Maschi, aber auch Ilja, Sarah Latza und Boris Zeyer. Anke Fuchs sah ich zum ersten Mal auf der Bühne und war zwar von schöner Lyrik angetan, aber unschlüssig, ob ich dem Text auch vollkommen folgen konnte. Das deutete aber auf starke inhaltliche Tiefe hin, nicht auf Verfehlungen ihrerseits.
Im eigentlichen Verlauf des Slams gab es wenige Überraschungen: Ich versuchte mich erneut am Freistil (erfolglos), Ilja versuchte ein kleines Comeback nach kleiner Pause (weniger erfolglos), Maschi startete mit Humor (ziemlich erfolgreich).
Was es aber für mich gab, dass war ein Ärgernis und da zu noch ein überraschendes:
Boris Zeyer, den ich hier schon für einen starken persönlichen Text gelobt und auch mit diesem Text in Erinnerung hatte, startete hier mit einem Text, in dem es inhaltlich nur darum ging, übergewichtige Menschen zu denunzieren. Weder eine Moral noch eine besondere Stimmung spiegelte der Text wieder, in meinem Gefühl war es einfach eine fünfminütige Beleidigung gegen Menschen, vorallem Mütter und Kinder, mit höherem Körpergewicht und auch schwierigerem sozialen Stand. Der Masse (böses dem, der böses denkt) des Publikums gefiel der Text aber auch noch, was mich noch mehr enttäuschte. Wäre hier wenigstens mit Stilmitteln oder starker Performance gearbeitet worden, hätte ich das verstehen können, aber so ging mir dieses Verstädnis ab. Ich befürchte, dass sich Boris hier vom Humor hat verleiten lassen, denn Humor steht in dem Ruf bessere Siegeschancen zu haben. Leider hat er sich, sollte es so sein, vielleicht ein wenig zu weit mitziehen lassen.
Boris, wenn du das lesen solltest, mich ärgert ja am meisten, dass ich schon gesehen habe, dass du auf dieses Niveau nicht runter musst. Mach da bitte nicht weiter, es steht dir einfach nicht gut.
Ansonsten hatten wir hier aber einen guten Abend, an dem ich auch lernen durfte, das es Charakterzwillinge gibt und noch eine tolle Rückfahrt im Iljamobil hatte.
01.03.2012 Heldenslam in Essen
oder: Heavy Metal
Nach all der Zeit zum allerersten Mal in der Heldenbar, bei dem Essener Slam auf der Bühne zu stehen war ein komisches Gefühl. Ich war aber allerbester Laune und clownte die meiste Zeit mit den anderen Slammern und Slammerinnen rum.
Das Feld war sehr gemischt, das Publikum ebenfalls, eine perfekte Basis für einen guten Abend.
Beatrice Wypchol, die einem ihrer Texte die schuld daran gab, dass sie zu letzt fast alles gewann, startete ohne ihn und um es kurz zu sagen: Es lag nicht an diesem Text, dass sie ständig gewann. Sie ist einfach äußerst talentiert.
Jürgen Schuhmacher, bereits zuvor erwähnt, startete wiedr mit den bereits zu vor erwähnten Texten, leider gab es auch heute nichts neues von ihm zu hören.
Sean Bü, 2Seiten, steuerte wieder Rap bei, wobei ich ihn noch besser fand, als beim letzten Mal. Irgendwie war das der Vortragsfluss sauberer, der Nachdruck in der Stimme größer.
Auffällig an diesem Abend: Politisch ist schwierig. Nicht, dass es am Desinteresse des Publikums gescheitert wäre, nein, viel eher an dem hohen Bewußtsein. So kam ein Text über Herrn Wulff einfach zu spät und der Text über "Glatzenland", einen Safaripark, in dem man Nazis in ihrem natürlich Umfeld von Kneipen beobachten kann war auch nicht mehr ganz zeitgemäß. Gerade über zweiteren Text habe ich mich wieder etwas geärgert, da die Darstellung so verkürzt war. Nazis sind halt nicht mehr nur Glatzen in Bomberjacken. Aber das Publikum war da scheinbar mit mir einer Meinung, denn der Text wurde mit einer äußerst geringen Wertung besehen.
Das Publikum war eh eine starke Kraft mit großer Dynamik, so wurden Künstler mit dem Ruf "Heavy Metal!" aus ihren Verhasplern gerettet und noch während der Wertung zwischen den Zuschauern laut die Punktevergabe diskutiert. So hat es aber auch Spaß gemacht und die Interaktion mit dem Publikum war groß.
Claas und Sushi hatten sich dieses Publikum aber auch wohl antrainiert, denn auch hier war das Zusammenspiel perfekt. Eine sehr dankbare Bühne, die immer wieder mit offenen Armen empfängt, so wurde mir gesagt, ich könnte jeder Zeit rumkommen und dann schon irgendwie mitmachen.
Und auch hier gilt: Gerne.
Rückblickend hatte ich wieder eine tolle Zeit auf den Bühnen, merke aber auch, wie mein eigener Slam mich stärker in der Heimat hält. Eigentlich möchte ich wieder mehr auf Bühnen stehen, aber mensch ist ja noch jung und das Jahr auch, wer weiß, was da noch so kommt.
Und eh die Schreibblockade nicht gebrochen ist und ich neues Material mitbringen, brauche ich zu den meisten Slams auch noch nicht wieder hin.
Angesichts dieser knackigen Zusammenfassungen kann ich gar nicht verstehen, warum du unter Schreibblockade leidest?
AntwortenLöschenVielleicht liegt es ja einfach am zu vollen Terminplan, Umzug, eigener Slam, Arbeit und Privates sind nun mal nichts, was man nebenbei erledigt.
Gönn Dir mal ne Auszeit und setz dich nicht zu sehr unter Druck, sowas hilft mir in der Regel.