Kommentar: Erotik und Sexismus

Ich habe ein Problem. Und ich habe keine eindeutige Lösung. Daher kann ich euch schon sagen, dieser Beitrag ist mehr Frage, als dass er Antworten bietet.

Ich bin ein Mann. Das ist jetzt nicht der dramatische Teil des Problems, in den letzten Dreißig Jahren hatte ich eine ganz faire Chance mich daran zu gewöhnen. Was aber ein bißchen ein Teil des Problems ist, ist die Tatsache, dass in der jüngeren und älteren Vergangenheit der Menschen, dieser Anlass selbst ein Mann zu sein dafür genutzt wurde, um Frauen zu unterdrücken. Heute sind wir da mindestens so weit, dass wir diesem Prozess einen Namen gegeben haben: Sexismus.
"Sexismus: Haltung, Grundeinstellung, die darin besteht einen Menschen aufgrund seines Geschlechtes zu benachteiligen; insbesondere diskrimierendes Verhalten gegenüber Frauen."
Quelle: Duden - Das Fremdwörterbuch 
Traurig genug eigentlich schon, dass dieser Mist so tief historisch verankert ist, dass die Diskriminierung von Frauen in der Definition fest eingetragen ist. Und scheinbar zu recht. Die Zahl der Belege und Beweise, die sowohl frühe FeministInnen bis hin zu modernen VertreterInnen anführen, findet kein Ende. Was uns ja zumindest klar zeigt, dass auch wenn Menschen sich daran versuchen feministisch zu handeln, die Inhalte und die Gleichberechtigung unsere Gesellschaft noch nicht vollständig durchdrungen haben können.

Gleichzeitig ein Nachweis für Sexismus und beißende Ironie sind ja dann oftmals die Kritiker von Feminismus, die sich nur darauf berufen, dass die FeministInnen sich mal nicht so anstellen sollen und auch ganz schön kleinlich sind. Da habe ich kein Verständnis für. Eher aber schon, wenn es den Menschen schwer fällt klar zu definieren, wo denn jetzt Diskriminierung anfängt, aufhört und ob dazwischen eine Grauzone existiert.

Schon alleine, weil ich selbst mir diese Frage immer wieder stelle. Spätestens immer dann, wenn meine Augen hängen bleiben. An Frauen. An schönen Frauen. Ich sitze jetzt nicht im Park und warte an heißen Tagen, bis junge Mädels sich Sonnen gehen, aber ich schaue mir zum Beispiel sehr gerne die Fotos auf den letzen Seiten des Neon-Magazins an, die als "Erotik" vermerkt sind. Oder auch die so genannten "Suicide Girls" erregen -hihi- meine Aufmerksamkeit.

Aber macht mich das jetzt zu einem vollwertigen Sexisten?
Diskriminiere ich in dem Moment in dem ich mir Bilder angucke, die ja den Anspruch erheben erotisch zu sein, die Frauen die abgebildet werden? Ich finde nicht. Aber die Sicherheit zu finden, dass mensch eine Minderheit nicht diskriminiert, mit deren Problemen er selbst bisher nicht so häufig in Kontakt gekommen ist, ist natürlich schwierig. Ich müsste wahrscheinlich Frauen dazu befragen.

Andererseits machen wir bei der Gleichberechtigung ja immer größere Fortschritte. So taucht seit einiger Zeit immer häufiger der Begriff des "Lookisms" auf, der Diskrimierung aufgrund des Aussehens, die dann aber - wie fortschrittlich - beide Geschlechter betrifft und ihnen abnötigt sich doch bitte in Zukunft entsprechend gesellschaftlicher Vorstellungen von gutem Aussehen zu beugen.

Gerade deshalb mag ich die Suicide Girls so gerne und stöbere gerne durch ihre Bilder auf Instagram. Ich habe auch keine falsche Scheu dort "gefällt mir" an den Fotos der Damen zu klicken, obwohl ich weiß, dass alle meine Abonnenten sehen können, was mir gefällt. Und das ist ja immer die Gefahr, wenn mensch sich bemüht sich gesellschaftlich korrekt zu verhalten: Durch einen anderen entlarvt zu werden, dass es nicht so ist. Claus von Wagner, Kaberettist, sagte in einer Ausgabe der Anstalt: "Moral entsteht, wenn andere zuschauen." und wer sich manche gesellschaftlichen Debatten der Jetztzeit anschaut, der ahnt, dass er damit in den Kern getroffen hat. Warum sonst können wir glauben, "Nichts zu verbergen haben" würde automatisch in Sicherheit münden?

Die Suicide Girls jedenfalls, deren Name gar nicht so bedeutungstief ist wie eine Internetlegende einst behauptete, sind keine jungen Frauen aus der Mitte der Gesellschaft. Oftmals tätowiert, gepierct und nicht den körperlichen Idealmaßen entsprechend. Die ersteren Punkte sind natürlich heute breiter akzeptiert als früher, aber trotzdem fällt immer noch auf, warum diese Frauen sich als "alternative Models" bezeichnen. Die meisten von ihnen sind Exoten, verglichen an dem was Werbung, Medien und Anhänge als Ideal vermitteln. Sie haben Details. Sie sind nicht uniform, wie eben diese Ideale es vormachen.

Und damit tue ich doch auch (m)einen Teil, Sexismus und Diskriminierung zu bekämpfen, oder? Ich stehe für ein entspannteres individuelles Körperverhältnis ein, ein Thema, welches im Feminismus riesengroß ist. Und wenn dann Frauen von sich aus entscheiden, sich für erotische Kunst fotografieren zu lassen, darf ich das doch auch schön finden, oder? Immerhin kann mensch alle Bilder nur sehen, wer ein Abo kauft und davon werden wiederum die Models bezahlt, so dass es dann ja im besten Fall nicht mal mehr Ausbeutung ist, sondern simple freie Berufswahl. Ebenfalls ein Thema des Feminismus.

Aber trotzdem komme ich zu keiner Antwort auf die Frage, ob das denn jetzt auch wirklich okay so ist oder ob ich nicht doch Sexist bin und Frauen diskriminiere. Natürlich kann ich, um einer Lösung näher zu kommen, mich fragen, ob mich es stören würde, wenn Frauen sich erotische Fotos von Männern anschauen - Die Antwort wäre Nein - Aber ich weiß auch, dass das Umdrehen einer sexistischen Handlung nicht den Sexismus aufhebt. Wie der Volksmund so schön sagt: "Wenn du und ich das gleiche tun, ist es noch lange nicht das selbe." Schon gar nicht, weil Männer auch keine so alte Vorgeschichte der Unterdrückung haben. 

Aber ein bißchen Annähern kann ich mich einer Antwort damit schon, denn dieser Ansatz erinnert mich daran, was Erotik eigentlich bedeutet.
"Erotik: a) den geistig-seelischen Bereich einbeziehende sinnliche Liebe; Liebes-, Geschlechts-Leben; b) verhüllende Sexualität"
Quelle: Duden - Fremdwörterbuch
Erotik ist eine Auslebung der eigenen Gefühlswelt und der Sexualität. Und wenn junge Frauen sich im Rahmen dieser gerne sinnlich fotografieren lassen und ich mir solche Bilder geistig-angesprochen anschaue, dann klingt das für mich zumindest nach einer verhältnismäßig fairen Sache. Sie dürfen halt nur nicht dazu gezwungen werden. Erst dann, wenn es gesellschaftlich verlangt wird, wird es zu Sexismus. Oder?
Ich müsste wahrscheinlich Frauen dazu befragen.

Bonusrunde:
In einer Gesellschaft, die sich zunehmend und vernünftigerweise auch für Homosexualität öffnet, verändert sich die Frage nach der Rolle vom Geschlecht in der Erotik sowieso. Denn was mich erotisch anspricht, als heterosexuellen Mann, kann ja genauso gut auch einer bisexuellen oder homosexuellen Frau gefallen. Entsprechend natürlich auch andersherum.
Erotik ist eine Kunstform und kann damit gar keinen gezielten Empfänger haben. Kein Kunstwerk wurde so geschaffen, dass es nur bestimmte Bevölkerungsgruppen genießen können und andere wieder nicht. Angesprochen werden kann jeder, der es sehen kann. Und hoffentlich erreichen wir diesen Punkt in unserem Umgang mit Erotik auch bald, in dem jeder/m gefallen darf, was ihm/ihr gefallen möchte.

Kommentare

  1. Anonym22.7.15

    Frau hier. Ja, Feminismus und Sexismus kann verwirrend sein und manchmal muss man auch als Frau lange überlegen, warum ein "nett gemeintes" Kommentar eines männlichen Kollegen einem eigentlich den ganzen Tag im Kopf rumgeht und dabei weh tut.

    Das Zauberwort ist ganz oft "Consent", also das Einverständnis: Das ist in in deinem Text leider nicht erwähnt aber es ist ein Lösungsansatz für das, was mir als dein Problem erscheint.

    Wenn junge Frauen in den Park gehen und du starrst ihnen hinterher (tust du nicht, habe ich verstanden, ist nur ein Beispiel), dann ist das scheiße, weil die Mädels dir nicht ihr Einverständnis gegeben haben. Sie sind da um spazieren zu gehen, oder Freunde zu treffen und wollen nicht von dir begafft werden.

    Wenn sich Frauen dagegen erotisch fotografieren lassen, oder selbst fotografieren und das auf Plattformen bereitstellen, die dazu da sind, damit andere das angucken (also keine gehackten Privatfotos, sondern wirklich freiwillige Zurschaustellung), dann geben sie damit ihr Einverständnis dazu, dass du sie anguckst. Also brauchst du da auch kein schlechtes Gewissen zu haben.

    Also, um deine Frage zu beantworten: Wenn Consent da ist, ist es okay.

    Der Absatz unter der Definition von Erotik erhält übrigens meine volle Zustimmung.

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    1. Danke für deinen tollen ausführlichen Kommentar. Das hilft zum einen mir wirklich weiter und die Ergänzung um "Consent" finde ich sehr wichtig. Denn in der Klarheit, in der du es formulierst, ist es eindeutig und fehlte ganz dringend in diesem Zusammenhang!

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  2. Anonym22.7.15

    Ich funde es gut wieviel Gedanken Du Dir zu diesem Thema gemacht hast. Aber ein so reflektierter Mensch wie Du
    ist gar nicht das Problem der Feministn, sondern Millionen von Menschen die unsere Gesellschaft darstellen.

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  3. Über eine Nachricht bei Facebook wurde ich auf diese tolle Illustration aufmerksam gemacht, die "Consent" und anhängende Themen/Inhalte auch nochmal gut erklärt. Hier einmal der Link zum Überkopieren in den Browser:

    http://everydayfeminism.com/wp-content/uploads/2015/04/emp_v_obj-final.png

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