Friend in Need #12 - Ertrinken

"Autopilot aktiv" Alex war da unten und ich musste zu ihr. Ich war noch nie einer dieser Beschützer-Typen, keiner dieser "mein schwaches kleines Mädchen"-Kerle, ich glaubte nicht mehr an die "Damsel in Distress", wie es die Sarkessian in ihren Videos erklärte. Aber wenn die Person die du liebst dir so eine sorgenvolle Stimmlage ins Ohr legt, dann triggert das Instinkte.

Und wenn dir dann dieser schmauchige Geruch in die Nase steigt und fehlerhaft ein schwarzer glühender Ring auf einer Wiese prangt, dann fragst du dich nicht mehr, ob du jetzt in veralteten Rollenbildern denkst. Alles ist egal, wenn du nur wissen könntest, dass nichts schlimmes passiert ist.

Ich erwartete gierig, dass der Batwing sich endlich absenkt und ich aus irgendeiner Nebengasse heraus zum Ort der Geschehnisse rennen kann. Meine Finger kratzten an den Rahmen der kugelsicheren Scheiben oder pressten sich gegen die Scheibe, so ganz kann ich es nicht mehr zu ordnen. Ich wollte hier nur unbedingt raus und so schnell es geht zu Alex.

Ich vertraute Batman. Ein Satz, der mir auch heute noch komisch vorkommt, aber Batman war ein Freund. Kein normaler, mit dem ich mich zum Rumhängen traf, dafür war sein Leben einfach zu anders. Ich hatte immer mal wieder Leute, deren Lebenswandel etwas besonderer war, so dass sich mit ihnen Treffen oder mit ihnen reden schwierig war, aber für die kurze Zeit die wir uns kannten, war Batman mein Super-Freund. Superheld und Freund. Aber ich verstand noch nicht die Logik, die Superhelden verwendeten.

Meine Zwangpause und Erinnerungen an die Fertigkeiten von Batman erlaubten mir mich etwas zu beruhigen. Genug, um zu merken, dass der Batwing nun zum zweiten Mal den selben Häuserblock passierte. Einen Parkplatz hatten wir noch nicht gefunden und ich wusste auch nicht, ob so ein Gerät Parkplätze suchen kann. Aber irgendwas musste ich ja tun können, oder? Ich musste doch herausfinden können, was da unten passiert war? Wie geht es Alex? Ist sie verletzt? Sind noch mehr Menschen verletzt? Was hat sie durchmachen müssen? Warum landen wir nicht endlich? Was ist da los? Die Antworten lagen für mich an einem unerreichbaren Ort und das war Qual. Ich drohte zu ertrinken.

Ich fummelte mein Smartphone raus. Wenn ich schon nicht da sein konnte, dann wollte ich wenigstens nochmal anrufen. Kein Netz. Langsam sank ich weiter hinab, den schleichend steigenden Druck auf meine Lungen spürend. "Alle telefonischen Netzwerke sind im Batwing abgeschnitten, damit dieses Gefährt nicht geortet werden kann.", klärte mich die Stimme des Bordcomputers auf, was mir weiter an der Kehle drückte, "Da sie die Bat News-App auf ihrer Apparatur haben, sollten sie diese für Kontakte verwenden." Ich ruderte ein wenig mit den Armen, um wieder an die Oberfläche zu kommen, aber die rettende Luft füllte sich nicht in mir an.

Die letzten Statusaktualisierungen im Raum New York:
"Große Explosion in Nähe der Universität" 

"Superhelden in unmittelbarer Nähe:
Eine Sichtung von Johnny Storm - Fantastic Four"

Flammen. Der Typ mit den Flammen. Ich kannte ihn aus manchen Nachrichten. Er war zwar ein Held, aber auch rücksichtslos. Die Medien kritisierten ihn für die hohen Schadenssummen, die er auslöste. Sollte er etwa? War Alex durch einen seiner Dummheiten verletzt worden? War Alex überhaupt verletzt? Traumatisiert? Was zum Teufel ist hier nur los? Und warum saß ich noch in diesem Scheiß-Flugzeug?

Der Batwing flog nun zum dritten Mal an der selben Stelle vorbei und das weitere Absinken erhöhte den Druck so sehr, dass ich mich beinahe übergeben musste: Batman hatte mich weggeschlossen. Der Batwing würde nicht landen. Wie jeder gute Ertrinkende, gab ich mich nicht der Panik hin. Rotierte mein gesamter Körper. Ich schlug gegen die Wände, windete mich in meinem Sitz, überstreckte mich, um nur irgendwie heraus zu kommen, nur irgendwie Luft zu bekommen oder wenigstens endlich zu sterben, damit der Schmerz aufhört. Aber die Schmerzen wurden schlimmer, ich rammte und stieß gegen Metalstreben und irgendwelche Kanten, ich merkte zwar dass ich mich selbstverletzte, aber der Schmerz in mir war zu groß, als dass ich den Schmerz an mir hätte ernst nehmen können.

Ich musste hier raus. Zu Alex. Aber ich ertrank in den Sorgen. Der Druck zu hoch, meine Augen verdunkelten sich.

Kommentare

Vielleicht auch spannend: