Luxussport 2000
Seit ein paar Wochen habe ich ein Fahrrad und auch wenn der Mensch im Fahrradladen es „retro“ nennt, es ist alt und für mich ist es eine ziemlich große Sache.
Denn Bewegung macht mir Angst und Sport sowieso.
Denn für Bewegung da muss man sich anstrengen und für Sport eben erst recht.
Nun ist es nicht so, dass ich Angst vor der Anstrengung hätte, ich mag sie nur nicht, aber umgehen mit ihr, das kann ich.
Ich kann sechs Stunden, ohne Pause in Blockseminaren bei schönstem Sonnenschein sitzen, die ganze Zeit gute Laune behalten, mich auf jede Frage melden und voll konzentriert bleiben. Das ist nicht immer super, auf jeden Fall anstrengend und trotzdem machbar.
Ich kann ewig lange Debatten mit Sexismusleugner_innen führen und dabei die ganze Zeit geduldig lächeln, zuhören und meine Argumente immer und immer wieder wiederholen. Das ist eigentlich nie super, auf jeden Fall anstrengend und überraschenderweise machbar.
Was ich nicht kann, ist mit einer Freundin eine halbe Stunde am Rhein entlang spazieren. Das ist nicht super, auf jeden Fall zu anstrengend und deswegen dann auch fast nicht machbar.
Theoretisch wäre ich dazu schon in der Lage, aber es ist einfach so zum Kotzen, wenn du irgendwann merkst, wie du immer weniger Luft bekommst, die Arme und Beine anfangen weh zu tun und du schon wieder stehen bleiben musst. Besonders im Sommer, wo die Sonne, ja bekanntlich, auch in unseren Breitengraden gerne mal scheint und die Temperaturen steigen, ist das noch weniger super, noch anstrengender und ich will es dann auch gar nicht erst machen.
Da ist der Kopf dann schnell nicht mehr bei der Unterhaltung mit der Freundin, den grünen Bäumen, dem glitzernden Wasser oder einfach nur bei der frischen Luft. Das alles ist dann nicht mehr da, es bleibt die Luftnot. Und wenn die nicht kommt, dann die Angst davor. Es hat also gar keinen Sinn rauszugehen, denn entweder machen Luftnot oder die Angst davor das Entspannende am Spaziergang zunichte.
Aber ich hab ja gesagt, dass ich keine Angst vor Anstrengung habe und deswegen hab ich die Angst jetzt langsam so halbwegs Griff. Der Prozess war eher interessant als super, mit Sicherheit anstrengend und trotzdem machbar.
Spazierengehen klappt jetzt also manchmal, noch nicht immer mit Begleitung, denn es ist schwer, bewusst bei sich zu bleiben, wenn noch jemand da ist, aber es klappt. Nur eben nicht unendlich weit und bisher auch nur, wenn ich den Weg kenne. Denn nichts ist fieser als plötzlich irgendwo keine Luft mehr zu bekommen und nicht zu wissen, wie lang es braucht, bis man Zuhause ist.
Aber seit ein paar Wochen habe ich ein Fahrrad und es ist blau und für mich ist es eine ziemlich große Sache. Denn Fahrradfahren ist viel einfach als Laufen und wenn ich nicht mehr kann, höre ich einfach kurz auf zu treten und sitze einfach nur einen Moment da und bewege mich trotzdem weiter fort.
Ich kann die Wege erkunden, die ich mich vorher nicht getraut hab zu gehen, denn mit dem Rad geht das alles viel schneller. Auf dem Gepäckträger kann Proviant mitfahren, so dass ich mich stärken kann, wenn ich mal wirklich nicht mehr kann.
Mir ist jetzt schon klar, dass das für euch nicht ganz so der Wahnsinn ist, wie für mich, aber wahrscheinlich haben auch die meisten von euch kein progredient verlaufende, seltene Herz-Lungenkrankheit, die nur wenige tausend Menschen in Deutschland haben und für die es nicht allzu viele Behandlungsmöglichkeiten gibt. Aber vielleicht habt ihr andere Dinge. Dinge, die euch Angst machen. Dinge, die zu anstrengend sind. Berge, von denen ihr nicht wisst, wie ihr je die Gipfel erreichen sollt. An manchen Tagen ist der Weg zur Bahnhaltestelle so ein Berg für mich, auch wenn die Strecke flach und der Weg nur 500m lang ist.
Aber seit ein paar Wochen habe ich ein Fahrrad und auf dem Oberrohr des Rahmes steht groß und deutlich „Luxuxsport 2000“ und das es ist, was ich mache. Während muskelbepackte Menschen auf ihren Rennrädern an mir vorbeisprinten, während mich durchtrainierte Radelnde in ihren engen Trikots entnervt anschnauben, während sie mich überholen, wenn die Joggerin mit der speziellen Sporthalterung für ihr Iphone an mir vorbei zieht, während der Rentner, der seine halbe Küche auf dem Drahtesel zum Picknick transportiert, warnend klingelt, mache ich Luxussport. Luxussport 2000. Klang wahrscheinlich mal cooler, aber für mich ist es genau das richtige. Luxussport 2000 verlangt nichts von mir. Luxussport 2000 trägt mich, wenn ich nicht mehr kann. Luxussport 2000 vergrößert meinen Radius um ca. eine Million Prozent. Luxussport 2000 bringt mich in drei Minuten, bis zur Bahnhaltstelle, auch wenn der Weg an dem Tag wieder mal einer mehrstündigen Expedition gleicht. Luxusport 2000 ist immer super, manchmal anstrengend und immer machbar.
Hallo mein Name ist Rebecca, ich habe Fahrrad und ich darf hier jetzt auch auf dem Blog schreiben und freue mich, euch alle kennen zu lernen.
Denn Bewegung macht mir Angst und Sport sowieso.
Denn für Bewegung da muss man sich anstrengen und für Sport eben erst recht.
Nun ist es nicht so, dass ich Angst vor der Anstrengung hätte, ich mag sie nur nicht, aber umgehen mit ihr, das kann ich.
Ich kann sechs Stunden, ohne Pause in Blockseminaren bei schönstem Sonnenschein sitzen, die ganze Zeit gute Laune behalten, mich auf jede Frage melden und voll konzentriert bleiben. Das ist nicht immer super, auf jeden Fall anstrengend und trotzdem machbar.
Ich kann ewig lange Debatten mit Sexismusleugner_innen führen und dabei die ganze Zeit geduldig lächeln, zuhören und meine Argumente immer und immer wieder wiederholen. Das ist eigentlich nie super, auf jeden Fall anstrengend und überraschenderweise machbar.
Was ich nicht kann, ist mit einer Freundin eine halbe Stunde am Rhein entlang spazieren. Das ist nicht super, auf jeden Fall zu anstrengend und deswegen dann auch fast nicht machbar.
Theoretisch wäre ich dazu schon in der Lage, aber es ist einfach so zum Kotzen, wenn du irgendwann merkst, wie du immer weniger Luft bekommst, die Arme und Beine anfangen weh zu tun und du schon wieder stehen bleiben musst. Besonders im Sommer, wo die Sonne, ja bekanntlich, auch in unseren Breitengraden gerne mal scheint und die Temperaturen steigen, ist das noch weniger super, noch anstrengender und ich will es dann auch gar nicht erst machen.
Da ist der Kopf dann schnell nicht mehr bei der Unterhaltung mit der Freundin, den grünen Bäumen, dem glitzernden Wasser oder einfach nur bei der frischen Luft. Das alles ist dann nicht mehr da, es bleibt die Luftnot. Und wenn die nicht kommt, dann die Angst davor. Es hat also gar keinen Sinn rauszugehen, denn entweder machen Luftnot oder die Angst davor das Entspannende am Spaziergang zunichte.
Aber ich hab ja gesagt, dass ich keine Angst vor Anstrengung habe und deswegen hab ich die Angst jetzt langsam so halbwegs Griff. Der Prozess war eher interessant als super, mit Sicherheit anstrengend und trotzdem machbar.
Spazierengehen klappt jetzt also manchmal, noch nicht immer mit Begleitung, denn es ist schwer, bewusst bei sich zu bleiben, wenn noch jemand da ist, aber es klappt. Nur eben nicht unendlich weit und bisher auch nur, wenn ich den Weg kenne. Denn nichts ist fieser als plötzlich irgendwo keine Luft mehr zu bekommen und nicht zu wissen, wie lang es braucht, bis man Zuhause ist.
Aber seit ein paar Wochen habe ich ein Fahrrad und es ist blau und für mich ist es eine ziemlich große Sache. Denn Fahrradfahren ist viel einfach als Laufen und wenn ich nicht mehr kann, höre ich einfach kurz auf zu treten und sitze einfach nur einen Moment da und bewege mich trotzdem weiter fort.
Ich kann die Wege erkunden, die ich mich vorher nicht getraut hab zu gehen, denn mit dem Rad geht das alles viel schneller. Auf dem Gepäckträger kann Proviant mitfahren, so dass ich mich stärken kann, wenn ich mal wirklich nicht mehr kann.
Mir ist jetzt schon klar, dass das für euch nicht ganz so der Wahnsinn ist, wie für mich, aber wahrscheinlich haben auch die meisten von euch kein progredient verlaufende, seltene Herz-Lungenkrankheit, die nur wenige tausend Menschen in Deutschland haben und für die es nicht allzu viele Behandlungsmöglichkeiten gibt. Aber vielleicht habt ihr andere Dinge. Dinge, die euch Angst machen. Dinge, die zu anstrengend sind. Berge, von denen ihr nicht wisst, wie ihr je die Gipfel erreichen sollt. An manchen Tagen ist der Weg zur Bahnhaltestelle so ein Berg für mich, auch wenn die Strecke flach und der Weg nur 500m lang ist.
Aber seit ein paar Wochen habe ich ein Fahrrad und auf dem Oberrohr des Rahmes steht groß und deutlich „Luxuxsport 2000“ und das es ist, was ich mache. Während muskelbepackte Menschen auf ihren Rennrädern an mir vorbeisprinten, während mich durchtrainierte Radelnde in ihren engen Trikots entnervt anschnauben, während sie mich überholen, wenn die Joggerin mit der speziellen Sporthalterung für ihr Iphone an mir vorbei zieht, während der Rentner, der seine halbe Küche auf dem Drahtesel zum Picknick transportiert, warnend klingelt, mache ich Luxussport. Luxussport 2000. Klang wahrscheinlich mal cooler, aber für mich ist es genau das richtige. Luxussport 2000 verlangt nichts von mir. Luxussport 2000 trägt mich, wenn ich nicht mehr kann. Luxussport 2000 vergrößert meinen Radius um ca. eine Million Prozent. Luxussport 2000 bringt mich in drei Minuten, bis zur Bahnhaltstelle, auch wenn der Weg an dem Tag wieder mal einer mehrstündigen Expedition gleicht. Luxusport 2000 ist immer super, manchmal anstrengend und immer machbar.
Hallo mein Name ist Rebecca, ich habe Fahrrad und ich darf hier jetzt auch auf dem Blog schreiben und freue mich, euch alle kennen zu lernen.
Hallo Rebecca, schön dass du dabei bist!
AntwortenLöschenRichtig guter Beitrag!
AntwortenLöschenSchön, dass Du dabei bist :)
Danke für deinen ersten Beitrag! Und besonders dankbar bin ich dafür, dass du mir die Augen geweitet hast. Ich stehe gerade an einer anderen Stelle, wo ich unfassbar viel Sport mache und mich trotz meiner 31 Jahre in körperliche Topform bringen will. Dass Sport dabei so schwierig sein kann und eben nicht an Faulheit scheitert, hatte ich nicht in meiner Wahrnehmung. Danke sehr!
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