Bahnreisende und was man so erleben kann

Puh...was bin ich früher viel Bahn gereist. Da trifft man schon allerhand interessanter Leute und findet Gespräche. Die besten Situationen fand ich übrigens IMMER dann, wenn es keinen Sitzplatz gab und ich mit vielen anderen auf den Gängen gezwängt saß. Zwei dieser Geschichten möchte ich aber noch wirklich hervorheben.

Der Küken-Mann
Dieser Mann um die 30 stand auf dem Gang in einem echt vollen Zug und Bewegung war kaum möglich. Er stand mit leicht krummen Rücken da und hielt die Hände schützend mit gewissem Abstand vor der Brust. Jedes mal, wenn er angerempelt wurde schaute er böse. Irgendwann fragte ich ihn, ob alles in Ordnung sei. Da öffnete er seine graue Jacke ein Stück und die umstehenden Fahrgäste und ich konnten auf ein kleines Küken schauen! Welches wohlig warm eingepackt auf einem Schal in seiner Jacke ruhte. Er erklärte, dass er in der Pharma-Industrie arbeite und das Küken ein Testküken ist. Seine Geschwister sind alle in dieser Woche verstorben und jetzt am Wochenende hätte es einsam unter einer Wärmelampe in einem Glaskasten sitzen müssen. Das hatte er nicht ertragen und so hat er es über das Wochenende mitgenommen und leistet ihm Gesellschaft. Es würde wahrscheinlich auch sterben, aber das solle es nicht alleine. Echt süße Aktion.
Aus heutiger Sicht sehe ich das etwas kritischer: Küken aus Labor an dem Tests durchgeführt werden, welche in einem Glaskasten sitzen müsste...wer weiß was es übertragen kann oder verabreicht bekommen hat etc.... aber nunja. Ich vertraue darauf, dass der Mann wusste was er tut bei so viel Mitgefühl.


Die Dame eines goldenen Zeitalters
Das war wirklich eine sehr schöne Erfahrung. Ich erinnere mich noch daran, dass es kurz vor Weihnachten war. In den Gängen der Züge saßen die Leute in den Winterjacken eingepackt und mit Schals eingemummelt bis unter die Nase. Die meisten hörten Musik über Kopfhörer und schauten auf ihre Handys und Bücher. Und dann gab es da diese Lady. Sie war geschätzte 70-80 Jahre alt, trug einen edlen mandelfarbenen Mantel (nicht umwerfend teuer, aber mit viel Geschmack, der ihr gut stand). Sie saß auf einer übertrieben großen Ledertasche auf dem Boden gegenüber von ein paar Studentinnen. Ich blieb im Gang stehen, denn die Studentinnen waren nicht abgelenkt wie alle anderen, sondern hingen staunend nahezug an den Lippen der Dame. Also blieb ich kurz stehen, da ich die Situation nicht unterbrechen wollte. Die Lady erzählte von der Liebe ihres Lebens aus der Vergangenheit. Es war eine Andernanderreihung romantischer Momente und Anekdoten und sie achtete sehr auf die Details und zeichenete damit wunderschöne Bilder in unseren Köpfen. Immer wieder fragten die Mädels nach mehr Details und wollten alles ganz genau wissen. Ich erinnere mich nicht an die Geschichte, aber an das Gefühl welches die Erzählungen vermittelte. Es war eine Mischung aus warmer untergehender Sonne, Goldregen und liebevoller Zuneigung in allen Details, die auch die Einfachheit der Vergangenheit damals so herrlich darstellte. Selbstverständlich blieb ich nicht nur stehen. Ich setzte mich und lauschte ebenfalls gebannt ihrer Erzählung bis meine Station kam.

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