Das Werk lieben lernen

Es ist ein abgedroschenes Klischee, dass Künstler*innen die etwas erschaffen dadurch ihre Kunst wie ihre Kinder sehen. Was damit oft gesagt werden soll, dass wir lieben sollten, was wir da tun, weil es das Lieben braucht. Manchmal soll es auch ausdrücken, dass viel Energie und Zeit und auch Schmerz darein gegangen sind, die eigene Kunst zur Welt zu bringen. Es ist ein Prozess, dass wollen wir sichtbar wissen. Aber was dann nicht immer gelingt, weil wir über den Part nicht immer nachdenken, dass es auch wichtig sein kann, die eigene Kunst dann weiter lieben zu wollen, auch nachdem sie dann in der Welt ist und wir gar nicht mehr so viel Kontrolle über sie haben - Wie eben bei einem Kind. Die können wir nämlich dann auch noch beeinflussen, aber die sind irgendwie schon ein eigener Menschen, aber unsere Kinder zu lieben, ist eben auch in großen Teilen eine Entscheidung.

Meine Beobachtung und Erfahrung mit anderen - vorallem startenden - Künstler*innen ist, dass oft etwas frisch erschaffendes auch schnell bei den Leuten selbst in der Gunst abfällt. Gerade am Anfang ist da ein Gefühl von: Ich habe einen neuen Auftritt, ich brauche neues Material. Ein Gedanke, der vielleicht auch nicht ganz falsch ist, denn eine Band die nur drei Songs hat, wird kein ganzes Konzert spielen können. Wenn wir zu wenige Optionen haben, kann es schnell sein, dass wir bewegungsunfähig werden oder dann das berühmte Pony mit nur einem Trick werden. Und der eine Trick, den sehen vielleicht jeden Tag dann andere Leute, aber wir sehen den selben Trick jeden Tag. Wir sehen wenn er schlecht klappt, wenn er schlecht ankommt, wenn er super geklappt hat, wenn es uns egal war. Aber wir sehen ihn unzählige mal. Wie ein Kind das lernt.

Ein Kind, dass macht auch häufig und ständig das selbe. Es will auch dringend die Zahl der Tricks die es kann erhöhen, sobald es auch nur die Chance und Sicherheit bekommt zu lernen. Wenn ganz neue Skills erworben werden, fallen manche andere Fertigkeiten wieder zurück und auch wenn uns unser Kind langweilt oder nervt, dass es jetzt zum 40igsten Mal das selbe Bilderbuch mit uns anschauen will, wir werden es dabei immer irgendwie lieben sollen. Das muss nicht immer mit brennenden Euphorie und vollem Herzen sein, aber im besten Fall wird es nie in Frage gestellt. Und da hängen eben Entscheidungen dran. Ja, dieser Artikel ist sehr von meiner Elternschaft geprägt. Und ja, liebe Eltern, hier könnt ihr es zugeben, dass Kinder manchmal nerven und stören und im Weg sind und heftig Ressourcen kosten. So wie es eben mit dem Machen und "groß ziehen" von Kunst auch ist.

Was kann ich tun, um meine Kunst zu lieben? Zum einen mich fragen, was es bedeutet zu lieben? Ich selbst bin da sehr geprägt von den Lehren und Worten von bell hooks aus dem Buch "all about love" und sehe, dass es wenn ich meine Kunst lieben will, es meine Aufgabe ist, dass sie die Chance hat über ihre bisherigen Grenzen hinaus sich zu entwickeln und ich das auch tun muss. Das bedeutet zum Beispiel für mich eben auch bestimmte Werke unbedingt und ganz oft an verschiedenen Orten zu machen, denn so sammele ich Erfahrungen mit meiner Kunst, die es möglich machen sich zu entwickeln. Ich kann entscheiden immer wieder Energie in meine Kunst zu investieren. Auch alte Texte darf ich nochmal lesen, überarbeiten, anpassen und proben. Die Choreografie, die ich für dieses eine Stück gelertn habe, kriege ich die eigentlich noch zusammen? Wie würde ich die selbe Sache mit dem Wissen und Erfahrungen von heute machen?

Eine weitere Praktik die es lohnt zu üben, seinen vergangenen Versionen zu verzeihen und dankbar zu sein. Wenn wir Material sammeln und erschaffen um eben kein Ein-Trick-Pony zu sein, dann entstehen eben auch Sachen, die wir nicht mögen, die nicht gut altern, ein Witz der nach kurzer Zeit schon nicht mehr funktioniert. Wir lernen was dazu, gucken darauf und fragen uns, was wir uns dabei denn bitte gedacht haben und werden streng mit uns. Diese Strenge übe ich abzulegen. Ich schaue auf alte Texte, die ich nicht clever, nicht gut gemacht, schief oder überholt finde und ärgere mich darüber nicht mehr. Denn ohne diesen Text, wäre ich nicht bei meinen aktuellsten Werken angekommen. Diese eine sehr mittelmäßige Sache die ich gemacht habe, die war wichtig, damit ich auch diese eine sehr großartige Sache machen konnte. Denn die Erfahrung wächst und spielt in alles ein. Ein geflügeltes Wort in meinem Umfeld - obwohl es vielleicht nur ich sage - ist, das wir bestimmte Fehler nur genau ein mal machen. Aber wenn wir sie eben nicht machen, können wir sie in Zukunft nicht erkennen und verhindern.

Sicher gibt es noch einige Wege das eigene Werk lieben zu lernen. Genauso wie es viele Arten gibt seine Menschen, seine Kinder, sich selbst zu lieben. Das hängt von vielem ab, was ich aus meinem Blickwinkel hier nicht für euch beantworten kann. Wobei ich mir aber auch bei euch sicher bin, dass es eine Entscheidung ist. Und wer sagt "ich kann meine Sachen nicht lieben", sollte dringend erforschen, was ihn/sie/them davon abhält.


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