Noah

Meine Frau hatte sich inzwischen abgelöst von mir um draußen nach "Oma" und "Opa" zu schauen und ich warf ihr noch einen Blick hinterher als sie zur Tür raus ging.
Am Tresen angekommen, sah ich mich ein wenig im Raum um. Die meisten waren mir bekannt und die Personen die ich nicht kannte waren meist nur die Lebensgefährten von Anwesenden. Alle trugen Schwarz und man sah, wie sie sich sichtlich unwohl fühlten. Mir war bewusst das alle Augen regelmäßig zu mir schauten und keiner so recht wusste wie er mich ansprechen könnte. Ich war Noahs bester Freund, zwischen uns hätte nicht einmal mehr Luft gepasst. Er wusste alles über mich und war mir damit einen großen Schritt voraus. Einen Schritt, den er mir immer erklärte und mir immer zeigte wie ich ihn gehen konnte.

Der Pastor trat zu mir. Er war nach der Zeremonie auf dem Friedhof mit ins Gasthaus gekommen. Obwohl Noah konfessionslos war, hatten wir beschlossen ihn auf einem christlichen Friedhof beerdigen zu lassen. Erstens gab es hier eh kaum andere Möglichkeiten und wir wollten ihn ehrlich gesagt auch immer noch körperlich in unserer Nähe wissen, so komisch es auch klingen mag. Irgendwo in unserer Gedankenwelt war seine Seele für uns noch an seinen Körper gebunden. Und je näher also sein Körper bei uns war, desto näher waren wir ihm in unseren Gedanken.
Natürlich war das vollkommener Unsinn, aber es fühlte sich emotional so richtig an, dass ich gerne auf Logik und Rationalität verzichtete, ja sogar gerne egoistisch war. Seine Eltern waren damit einverstanden. Sie waren genau entgegen gesetzter Ansicht: Je weiter sie die Leiche, den leblosen Rest ihrer Liebe von sich weg wussten, desto besser kämen sie damit klar. Ob es nun wirklich so wäre, würde sich noch heraus stellen müssen.
In jedem Fall waren sie noch am Grab. Herr Winters hatte mich weggeschickt, wie hätte ich ihm nur wiedersprechen können. Ich habe „nur“ meinen besten Freund verloren, er seinen einzigen Sohn. Ich glaube er hatte sich an Noahs Stelle gewünscht.
Der Pastor sah mir zu, wie ich so in meinen Gedanken mitfühlte und mich sortierte. Immerhin war der Papiergeschmack weg. „Denken sie an die Trauerrede?“ Oh ja, an die dachte ich. Ununterbrochen. Ich sollte sie vorbereiten und mir wurde immer schlecht wenn ich das Wort nur hörte. Nach dem wir die Trauerfeier „gebucht“ hatten, ein weiteres Wort bei dem mir in diesem Zusammenhang immer komisch wurde, hatte Sarah mir auch schon gesagt dass ich als bester Freund wohl zu den anderen sprechen sollte. Ich verstand nicht recht wieso. Ich wusste nicht wieso ich immer über Tote sprechen sollte.

Kommentare

  1. Da wird der Imperator sich aber freuen, dass es was neues von Noah gibt.
    Ich hab' mir die anderen Auszüge auch mal durchgelesen, es is wirklich toll geschrieben und erinnert mich sogar an 2 Beerdigungen in den letzten Jahren. Ich musste immer das Lächeln unterdrücken, weil ich immer vor Augen hatte, wie absurd es für den/die Verstorbene/n gewesen wäre, wenn ein ganzer Haufen Trauerklöße rumsteht und sich selbst bemitleidet.

    Ja, Beerdigungen sind egoistisch. Aber nötig, um loszulassen. Die Trauerfeier danach ist dann, meiner Erfahrung nach, der Anlass, an dem man lächeln und über alte Zeiten mit dem/der Verstorbenen lachen kann.
    Beerdigungen sind für die Hinterbliebenen, die Trauerfeier für den Verstorbenen. Kommt mir jedenfalls so vor...


    Alles in allem aber eine schöne Geschichte, von ein paar Rechtschreib-/Tippfehlern mal abgesehen auch toll zu lesen. Vor allem die Vergleiche und Bilder sind toll, zB "Bilderbuchseiten in meinem Kaffee" hat mir besonders gut gefallen.

    Ich schließ' mich dem Imperator an: Mehr! :D

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