Peter Pan

Ach Peter Pan.
Jetzt stehst du da auf den Planken des Schiffes, den Piratenkapitän vor dir, spielerisch ihm entgegen säbelnd. Albern hüpfst du umher, tanzt, aber nur so ein bißchen, zum Spaß eine Waffe tragend und glaubst nun, du würdest kämpfen. Fuchtelst ein wenig hier und ein wenig dort mit deinem Holzschwert. Neckst den Kapitän, ziehst ihn erst auf und dann ihm die Hosen runter. Was für ein Schelm du bist, Peter Pan.
Doch du hegst keinen Groll, nein, du spinnst hier nur des Abenteuers wegen rum. Suchst immer wieder die selbe Gefahr, immer wieder aufs Neue. Schleichst dich auf das Schiff oder befreist dich aus der Gefangenschaft oder rettest deine Freunde, weil ein Peter Pan das so macht. Und doch ist der Pirat nie besiegt. Feierst du mit deinen verlorenen Jungs den Triumph über den Kapitän, so steht er doch immer wieder auf und sammelt seine Männer. Nie warst du im Stande den Kapitän zu besiegen, nie dachte er nur über Rückzug nach, so ein großer Held bist du.
Und wenn du auf den Planken stehst und das Krokodil unter dir ticken hörst, da weißt du genau, dass diese Uhr einem anderen schlägt, dass dieser Feind nicht deiner ist. Du musst dich nur fragen, wie du Kapitän und Krokodil zusammen führst. Natürlich würde das Krokodil auch nach dir schnappen, wenn es das könnte, aber so bald du nur an etwas schönes denkst und dich frei machst, fliegst du einfach allen davon. Kapitän und Krokodil bleiben sich selbst überlassen.
Und doch kehrst du wieder zurück. Ungeachtet deiner unzähligen spektakulären Fluchten, stehst du wieder auf den Planken und fuchtelst wieder mit dem Stück Holz umher, das du dein Schwert nennst. Rennst immer wieder zurück zu dem Erwachsenen, rennst zurück zur fliehenden tickenden Zeit, um mit ihnen zu kämpfen, ihnen aber nie zu schaden. Hat dein stumpfes Schwert auch nur einmal einen Körper gestreift?
Aber hatte der Kapitän dich nicht schon an seinem Haken, oder das Ticken dein Herz ins Rasen gebracht? Natürlich bedrohen dich beide nur, aber du bereitest ihnen doch nicht mal Angst. Niemand flieht vor dir, jeder sucht mit dir den Kampf, aber du tanzt ein wenig und fliegst davon.
Wenn du den Kampf dann nicht beendest, zeugt es für dich von Moral. Zeig uns deine Heldenhaftigkeit, Peter Pan. Tanz für uns, Peter. Erzähl uns nochmal, wie gut du bist, wie rein dein Herz ist, wie frei von jeder Last. Und doch so übervoll von Mut, voller Tatendrang, es immer gleich zu versuchen und nie etwas zu beenden.
Lässt dich von deinen verlorenen Jungs in deinen Worten besingen und feiern; jeder wäre gerne Peter Pan, wenn auch nur für einen Tag. So flink, so gescheit, so frei. So formlos, so glücklich, so hohl.
Obwohl dein Weg so richtig ist, so voller Tugend, hat der Kapitän trotzdem immer eine Crew. Eine die ihn fürchtet und trotzdem hörig ist. Wo du auf Freundschaft setzt, gilt hier Unterwerfung, vor einem strengen Vater, der fordert, aber auch Brot und Rum auf die Tische bringt, wo es bei dir vermutlich nur Geschichten gibt.
Ach Peter Pan.
Flieg doch noch ein wenig umher. Erobere deine Welt mit deinem stumpfen Schwert und erzähle uns davon. Lebe jeden Tag wie den davor und nenn uns dann erwachsen, weil wir ja keine Fantasie mehr haben.
Aber, Peter, sei uns doch einfach nicht böse, wenn wir dich dann über die Planken unseres Schiffes jagen, weil wir keine Zeit haben für dich Pirat zu spielen. Denn auch du hörst das tickende Krokodil, aber wir wissen, dass dich fressen wird, wenn wir nicht mehr sind.

Kommentare

  1. Yeah, mal wieder ein geschriebener, solider, schöner Text! =)

    Ich mag hinterfragende/skeptische Blicke auf sogenannte Helden; spätestens seit Sascha mir "Hagen von Tronje" von Hohlbein in die Hand gedrückt hat. Was für ein Held ist doch Siegfried, mit seinem magischen Imba-Schwert und seiner Unverwundbarkeit! So ausgestattet wäre wohl auch der kleinste Wicht mutig und heroisch. Oder halt einfach ein egomanisches Arschloch.
    In Peter Pans Fall sind das magische Schwert und die Unverwundbarkeit natürlich mit der Fähigkeit zu fliegen und dem Mangel an Sorgen des Alltags (vgl. Brot und Rum auf den Tisch bringen) gleich zu setzen.

    Cool. Mehr davon =) Übrigens war die Länge des Textes auch genau richtig. Kürze und Würze und so ;D

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