Wenn der Vorhang fällt

Acht Männer in Anzug sitzen an einem Konferenztisch. Ein jüngerer, Herr Tagge, hat das Wort:
"Bis diese Anlage ans Netz geht sind wir zu verwundbar! Die Lobbyisten sind stark aufgestellt. Sie sind gefährlicher, als wir wahr haben wollen." - "Für sie im Marketing vielleicht, aber nicht für dieses Projekt.", fällt ihm ein älterer, Herr Motti, ins Wort, doch der Jüngere setzt wieder an: "Die Lobbyisten werden in der Politik weiter Unterstützung finden, so lange..."
Fast unbemerkt schreiten zwei weitere Männer hinein, einer von ihnen in einem schwarzen Anzug, der sich damit deutlich von den anderen absetzt, die alle in grau gekleidet sind. Der gerade eingetretene Geschäftsführer, in grau,  übernimmt das Wort: "Die Politik sollte uns keine Sorgen mehr bereiten. Der Umweltminister hat gerade eine Kursänderung in der Energiepolitik beschlossen. Die alten Verträge mit der Wirtschaft sind alle aufgelöst worden." Der Herr in Schwarz steht hinter ihm und schweigt.
Schockiert reagiert der Leiter des Marketings: "Das ist unmöglich! Wie will der Umweltminister die Märkte kontrollieren, ohne die Bürokratie?" - "Die Stadtverwaltungen entscheiden nun über die Energiepolitik. Interesse wird sie kontrollieren. Das Interesse an unserem Energiekonzept.", sagt der Geschäftsführer zuversichtlich.
"Aber was ist denn mit den Kohlen- und Gaslobbyisten? Wenn sie an eine komplette technische Übersicht unsere Anlage geraten, wäre es möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass sie eine Schwachstelle finden und sie veröffentlichen." Entschlossen tritt der Berater des Geschäftsführers vor: "Die Pläne auf die sie sich beziehen, werden bald wieder in unseren Händen sein." Und auch Motti setzt noch einmal an: "Jeder Vorstoß der Lobbyisten gegen unsere Anlage wäre eine nutzlose Geste, egal welche technischen Daten sie erhalten haben. Diese Anlage ist nun die ultimative Energiequelle im Universum! Und ich sage, wir nutzen sie!"

"Seien sie nicht zu stolz auf ihr technisches Wunderwerk.", gibt der Berater zu bedenken, "Die Möglichkeit ganze Länder mit Strom zu versorgen ist Nichts, im Vergleich zur Macht des Volkes." - "Ach, verängstigen sie uns doch nicht mit ihrem politischen Gerede, Berater Vader. Ihre traurige Begeisterung für dieses alte Rechtsstaatssystem hat uns auch nicht geholfen die Industriespionage an zu klagen oder irgendjemanden gegen die Lobbyisten auf zu bringen."
Berater Vader stellt sich Motti gegenüber und beginnt ihm langsam aber bestimmt die Krawatte etwas zu richten. Motti röchelt."Genug!", schreitet Geschäftsführer Tarkin ein, "Vader, lassen sie ihn los." - "Wie sie wünschen." - "Vader wird die Anklage wegen Industriespionage gegen die Lobbyisten schon noch gewinnen. Und so bald unsere Anlage einsatzbereit ist, wird Strom aus Kohlen- und Gaskraftwerken Geschichte sein."
Dann nickt Tarkin entschlossen: "Das Meeting ist beendet."
Die Leiter der verschiedenen Abteilungen schreiten aus dem Raum.
"Was war das Vader? Sind sie wahnsinnig?" - "Verzeihen sie, Herr Vorsitzender." - "Sie wissen, dass wir das volle Vertrauen des Umweltministers genießen. Es darf keinerlei Zwischenfälle geben." - "Dessen bin ich mir bewußt, Herr Vorsitzender. Ich will nur sicher sein, dass in unseren Reihen absolute Loyalität zum Projekt herrscht." - "Das mag ja sein, Vader, aber da müssen sie wohl noch etwas an ihren Softskills arbeiten." Kühl und beherrscht nickt Vader seinem Vorgesetzten zu, der hat aber schon vergeben und verziehen: "Es ist Mittagszeit. Begleiten sie mich in die Kantine?" - "Ich würde mich lieber unserem Besuch zu wenden." - "Natürlich."
Einsam schreitet der Berater durch die Anlage. Hier auf dem interstellaren Solarkollektor nennt man ihn auch den "dunklen Fürst". Dabei war er nie adeliger Abstammung gewesen. Ganz im Gegenteil zu seinem Gast, der Vorsitzenden des Rats für Energie und Entwicklung. Sie stand in dem Ruf, mit den Lobbyisten gemeinsame Sache zu machen, vermutlich gegen hohe Zahlungen. Vader war sich ganz sicher, dass sie selbst an entsprechenden Stellen die Interessen der Konzerne vertrat.
"Vorsitzende Organa, es freut mich sie auf unserer Anlage begrüßen zu dürfen." Doch die junge Adlige entgegnet kühl: "Sparen sie sich die netten Worte, Vader. Was sie hier gemacht haben, grenzt ja schon fast an Entführung. Draußen stehen doch bestimmt schon wieder ihre Presseleute und richten ihre Kameras auf mich. Mich auf einer Sitzung des Umweltministers hier her zu laden, so dass ich nicht ablehnen kann ohne mein Gesicht zu verlieren. Das werde ich ihnen nicht vergessen, Vader." - "Es enttäuscht mich sehr, dass sie die Situation so bewerten, Vorstizende Organa. Lassen sie mich ihnen die Anlage zeigen und ihnen darstellen, weshalb sie ihre Meinung zu unserem Projekt vielleicht ändern sollten." - "Als hätte ich eine Wahl."
Vader und Organa gehen die Gänge der modernen Anlage entlang.
"Also Vader, was haben wir zu besprechen?" - "Ich möchte ihnen zeigen, Frau Vorsitzende, weshalb unser Solarkollektor die Zukunft ist und dass sie durchaus daran beteiligt sein können." - "Vader, wir haben dazu alles besprochen. Das gesamte Universum bezieht seinen Strom aus fossilen Ressourcen und so wird es auch bleiben. Egal wie energieeffizient ihr Kraftwerk hier sein mag, wenn auf Solarenergie umgestellt würde, würden Milliarden Wesen ihre Beschäftigung verlieren. Und bei einem so rauen Wirtschaftsklima, würde sich ihr Solarkollektor für den Arbeitsmarkt in einen wahren Todesstern verwandeln." - "Aber auch nur, da sie davon ausgehen, dass wir all diese Arbeitsplätze abschaffen. Bei voller Auslastung einer solchen Station, würden mindestens eine Million Fachkräfte benötigt." - "Das mag sein Vader, aber Fachkräfte bekommen sie nicht von Heute auf Morgen." - "Eine neue saubere Umwelt aber auch nicht. Vielleicht können wir im Zeitalter der Raumbesiedlung inflationär mit unseren Welten umgehen, aber auf vielen von ihnen leben auch Milliarden Wesen, die eine Recht auf eine Heimat haben. Schauen sie zum Beispiel mal hier."
Angekommen an einem großen Schott, fährt ein eiserner Vorhang auf, der einen Planeten im Weltall offenbart.
"Vader, ich wusste ja, dass sie raffiniert sind, aber das?" - "Das ist Alderaan. Ihre Heimat. Ihr Familie lebt dort. Finden sie nicht, dass sie nicht zwischen Industrieabgasen leben sollten?" - "Vader, was bezwecken sie damit?" - "Unsere Station ist inzwischen bereit, durch einen gebündelten Leitstrahl, unsere grüne Energie auf einen Planeten zu senden. Ich will ihnen unsere Technologie demonstrieren und sie können dann ihre Angehörigen fragen, ob sie die Abgase schon vermissen."
Zähneknirschend und die Fäuste ballend, baut sich die Vorsitzende vor Vader auf: "Ich fasse es nicht, dass sie dazu im Stande sind Vader! Sie mussten das Ganze auf die familiäre Ebene bringen! Nehmen sie mich etwa nicht ernst, nur weil ich so jung bin oder weil ich eine Frau bin? Warum mussten sie Alderaan mit ins Spiel bringen?" Vader, schweratmend, antwortet ruhig: "Wissen sie, auch ich habe Familie. Und auch wenn ich nicht mehr mit ihnen im Kontakt bin, aufgrund einer hässlichen Trennung, möchte ich schützen was ich liebe. Es mag vielleicht etwas väterlich von mir klingen, aber auch wenn sie mich jetzt im Moment vielleicht hassen, werden auch sie bald sehen, dass wir die Guten sind."
Ein Techniker in weißem Schutzanzug und Sicherheitshelm tritt ein: "Vader, der Leitstrahl ist bereit für die Demonstration." Der Berater nickt nur. Dann fährt aus einer Konsole ein grüner Knopf auf. Vorsitzende Organa, eingeschnappt und wütend, durchbohrt Vader mit ihren Blicken. In der Hoffnung sie noch für seine Sache gewinnen zu können, stellt er ihr eine Frage:
"Kennen sie die Hip-Hop-Gruppe Freundeskreis? Die haben einmal Folgendes gesungen:
Wenn der Vorhang fällt, sieh' hinter die Kulissen:
Die Guten sind meist böse und die Bösen sind gerissen.
Sie mögen vielleicht glauben, dass sie das Richtige tun, dass sie die Guten sind, aber wenn der Vorhang fällt, wenn das Universum die Möglichkeiten des Solarkollektors sieht, werden auch sie merken, dass sie auf der falschen Seite der Macht stehen."
Und dann drückte Vader den Knopf. Ein hoffnungsvoller grüner Strahl schoss auf Alderaan zu.


Kommentare

  1. Sehr interressant. Tiefgründig, vielschichtig. Und Star Wars!^^ Gefällt mir sehr.

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  2. Dem kann ich mich nur anschließen. ^^

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