Wie du mit diesem einen Tipp einen super erfolgreichen Inhalt im Internet erstellst, berühmt wirst und was dann passiert, wirst du einfach nicht glauben!
Oder:
Wenn ich Überschriften wie die da oben lese, dann raste ich inzwischen vollwertig aus. Da gibt es Blogs, Vlogs und Tutorials von irgendwelchen Internetpersonen, die also erklären, worauf zu achten ist, um einen erfolgreichen Inhalt zu produzieren. Sie garantieren den Erfolg.Begriffe wie SEO, Page-Rank, Algorhitmen, Labels, Follow-Links und all anderer Kram, der hart nach stinkigem BW- oder VW-L-Denglisch klingt, werden einem da in den Bildschirm gekotzt von Leuten, die nun also versuchen mit SEO Geld zu verdienen.
SEO. Search Engine Optimizing. Suchmaschinenoptimierung.
Wenn Menschen mit Dingen Geld verdienen wollen, dann stört mich das nicht besonders. In der Vergangenheit sind dabei ganz brauchbare Dinge passiert, wenn auch in der näheren Vergangenheit mit dem Konzept des Kapitalismus auch ganz schön Scheiße gebaut wurde. Mich fängt das Ganze an dann zu stören, wenn die Menschlichkeit in dem Ganzen verloren geht. Und das tut sie rapide. Dafür eine sehr verkürzte Historie des Internets.
POFF! Das Internet war da. Leute stellen Inhalte in diesen globalzugänglichen Wissensspeicher. Der Zugang zum Netz wird größer, die Bandbreite -haha- der angebotenen und nachgefragten Inhalte auch. Das Internet wird so unübersichtlich, dass erste Anbieter auftauchen, die Inhalte redaktionell katalogisieren, damit gute Inhalte leichter zu finden sind. Vergleichbar mit Telefonbüchern. Da die Datenstruktur des Internets aber von Maschinen gepflegt wird, kommt jemand auf die Idee, das Suchen nicht mehr von Redaktionen, sondern von anderen Maschinen vornehmen zu lassen. Der Mensch erfindet also die Suchmaschine. Diese magische Apparatur
(vgl. Clarke)
"Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden."durchsucht also das gesamte Netz nach Inhalten. Zur Erinnerung: Sie ist geschaffen von Menschen. Die Maschine versteht dabei keine Inhalte, was gemessen an ihrem Job ironisch ist, aber sie erkennt halt Wörter. Und seit einiger Zeit auch Bilder. Und weil sie bestimmte Dinge nicht versteht, muss sie andere Sachen lernen. Zum Beispiel das eine Seite dann wichtig ist, wenn andere wichtige Seiten sie wichtig finden. Das ist so wie früher an der Schule:
Du kannst dich nicht selbst zum coolen Kind erklären, die anderen müssen dich zum coolen Kind erklären. Und je cooler das Kind ist, dass dich cool findet, desto cooler bist du. Dass der unbeliebte komische Vogel in der Ecke dafür viel mehr zu erzählen haben kann, haben selbst amerikanische Schulkomödien begriffen, nicht aber die Suchmaschinen.
Ich wollte aber auf etwas anderes heraus. Aber das Bild behalten wir. Für später.
Die Suchmaschine, entgegen ihrer gefühlten Funktion, präsentiert also auch nicht den besten Inhalt, sondern den Beliebtesten. Manchmal ist das zufälligerweise der selbe, muss es aber nicht. Auch "dank" SEO. Denn wer weiß, welche Wörter die Suchmaschine im Moment besonders triggern, der kann sie halt lenken. Und plötzlich kann eine Seite über Leberwurstbrote bei einer Suche nach dem zweiten Satz der Thermodynamik ein Toptreffer sein, weil irgendjemand begriffen hat, wie man diese Seite erfolgreich so aussehen lässt, als wäre sie Teil der coolen Thermodynamikclique. Das ist dann für den normalen Nutzer irreführend, aber weder kritisch, noch entzieht es zwangsläufig der Menschlichkeit.
Das passiert erst, wenn die Inhaltersteller (mit Hilfe der SEO-Manager) anfangen, ihren Erfolg an den Klicks zu messen, die ihre Seite bekommt. Diese Klicks werden nämlich von einigen Bloggern genutzt, um wiederum selbst Geld aus ihren Inhalten zu machen. Erneut: Kein Vorwurf. Wer arbeitet, soll damit auch verdienen dürfen. Aber Klicks als Maßstab für den Erfolg an zu wenden, so wie es hier betrieben wird, ist lächerlich.
Wer in der realen richtig echten Welt ein Geschäft betreibt, der möchte natürlich auch lieber an einer Straße ansässig sein, an der es viele Klicks gibt. Also Laufkundschaft. Was anderes sind Klicks nämlich nicht. Klicks sind Leute, die deine Seite angesehen haben. Aber das ist vollkommen wertlos, wenn halt alle nur vorbei laufen. Ich möchte den Geschäftsführer sehen, der aufrichtig stolz verkündet: "Wir hatten keine einzige Interaktion im Laden, aber hey: Es sind immerhin 40000 Leute vorbei gelaufen. Manche sogar zweimal!"
Auch hier sind die SEO-Profis vorbereitet. Der Inhalt muss natürlich auch stimmen. Daher empfehlen sie manipulative Strategien, die den Kunden in den Laden zwingen sollen. Zum Beispiel rhetorische Fragen am Ende eines Beitrags, deren Antwort dich nicht interessieren, aber halt Interaktionen sind. Die Beiträge müssen am besten auch Stichpunkte beinhalten und bloß nicht zu lang sein. Niemand hat mehr Zeit. Sei gefälligst ein Drive-In-Schalter mit deinem Blog. Und dann, dann entsteht sie nämlich, die neue Maschine.
SEO-Leute sind CEO-Leute. ContentEngineOptimizer. Leute, die eine Maschine für gleichförmigen Content entwerfen. Nicht mehr lange und es gibt sie, die Generatoren für Blogposts und Videos. Und tatsächlich läuft sie schon wie geschmiert. Denn egal ob die ganzen Mediakraft-Heinies auf Youtube ihre Inhalte, Formate, Veröffentlichungszyklen und Präsentationen gleichschalten, oder auch Blogger nach und nach zu diesen dümmlichen "wirst du niemals glauben"-Überschriften übergehen: Die Maschine durchsucht Inhalt und die Menschen ordnen sich unter. Eine Sache, die wirklich nur der Mensch schaffen kann: Untergeordneter seiner eigenen Erfindung zu sein.
Ich will ehrlich sein, ich habe das auch immer mal wieder versucht. Ich habe mich verlocken lassen, von der scheinbaren Kontrolle über Laufkundschaft und die Hoffnung, dass wenn erstmal mehr Leute an meiner Seite vorbei laufen, irgendwann auch jemand mal interagieren muss. Hat sogar manchmal geklappt. Das ist das Problem. Diese Maschinerie ist ja dankbar. Sie erfüllt den Wunsch. Nicht den, dass mit ihr gefunden wird, was Mensch sucht – Warum auch? Heißt ja nicht Findemaschine -sondern den, dass sich die subjektive Qualität der eigenen Seite lenken lässt. Zum Beispiel, in dem der Betreiber der Maschine bezahlt wird.
Und dann entsteht der verdrehte Apparat, in dem Inhaltersteller so arbeiten, dass ihre Sachen der Maschine gefallen. In dem Youtube-Künstler jedes ihrer Videos mit dem Label "lustig" versehen, um besser platziert zu werden, auch wenn sie über ernste Dinge sprechen und tatsächlich immer mehr Inhalte in der Gleichströmigkeit versinken. Keine Sorge, mir ist auch vollkommen klar, dass es auch ohne diese Strukturen einen Hauptstrom gäbe, einfach weil zu bestimmten Zeiten bestimmte Dinge beliebt sind. Mode, Literatur, Malerei, benenne einen Kulturzweig und es lassen sich immer Trends aufzeichnen. Die Frage ist nur: Woher erwachsen diese Trends? Wenn sie auf natürliche Art aus den Menschen heraus entstehen finde ich das gut, aber wenn es nur noch darum geht, eine mathematische Formel zu bedienen, dann funktioniert das einfach nicht. Dann ist dieser Inhalt genau so seelenlos, wie der Apparat, der ihn bearbeiten soll.
Aber wisst ihr was? Damit diese Überschrift am Anfang nicht ganz gelogen ist, gebe ich euch tatsächlich einen Tipp, der eure Inhalte für euch erfolgreich machen wird:
Macht Inhalte für Menschen!
Und habt Wut gegen die Maschine. Es ist nicht falsch beliebt zu sein, aber wenn ihr etwas zu zeigen oder erzählen habt, ja auch wenn ihr gefallen wollt, dann fragt euch mal, wem ihr gefallen wollt? Google wird dir keine Nachricht schreiben, dass dein Beitrag es im Herzen berührt hat. Bing wird dir keinen Tipp zu deinem Problem geben. Menschen schon. Und wenn du dich um die Menschen die sich für dich und deine Geschichte(n) interessieren auch interessierst, wenn du Bock auf die Leute hast, die auf deinen Kram Bock haben, dann kommt "Erfolg". Dadurch, dass du Bestätigung und Austausch erfährst.
Genau wie in der Schule. Wenn du nicht zu den coolen Kids gehörst, aber sich rumspricht, dass du allen gerne in Mathe hilfst und wenn es nur ist, um die Hausaufgaben ab zu schreiben, dann bekommst du Anerkennung. Vielleicht ist es nicht die gesamte Schule, sicher bekommst du keinen Orden, aber die Menschen um dich herum werden anfangen sich um dich zu bemühen.
Stefan Niggemeier vom Bildblog schert sich nicht um Suchmaschinen-Optimierung, aber leistet Aufklärungsarbeit über falschen Journalismus, weil es wichtig ist. Und Juliane Helmke, eine sehr erfolgreiche Ruhrgebietsbloggerin schreibt auf ihrer Seite in feinster Ruhri-Mundart - Welche keine Suchmaschine versteht - einfach weil sie so ist und wenn sie dann Fan-Post bekommt, dann passiert das nicht, weil sie so schön die Maschine gefüttert hat. Und wenn Mario Wienerroither seine seltsamen musiklosen Musikvideos und sprachlose Reden veröffentlicht, dann optimiert er sicher nicht die Beschreibungen und Tags, bis alle Links der Suchmaschine zu ihm führen.
Aber wenn diese Leute ihre Dinge tun, dann empfehlen wir sie weiter. Wir bekommen sie selbst von unseren Mitmenschen empfohlen. Weil Menschen Dinge im Internet finden, während die Maschinen noch suchen. Weil ein Inhalt mit Herz jede konstruierte Formel an jedem Tag schlägt und überholt!
Rage against the Machine, meine Freunde.
Hey Jan,
AntwortenLöschenEin interessanter Artikel und es freut mich, wenn ich dich mit SEO angefixt habe. Mittlerweile ist Google noch wesentlich weiter und bewertet aktuell über 250 Rankingfaktoren. Ein wichtiger Punkt für deinen Artikel zum Thema "Erkennen von Qualität" ist zum Beispiel der wichtige Faktor "Verweildauer". Wenn viele User lange auf deiner Webseite bleiben, dann erkennt Google das und weiß, dass die User sich den Text durchgelesen haben. Desweiteren wird die Anzahl der besuchten Seiten analysiert, so dass dies auch in der Offline-Welt ein wichtiges Qualitätsmerkmal ist (Stammkunden).
Meiner Meinung nach ist ein guter SEO jemand, der die Mischung und den Drahtseilakt perfekt hinbekommt. Wenn ich auf meiner Webseite die Meta-Angaben ausfülle, dann mache ich zwar SEO, aber es hat auch einen ästhetischen Grund. Ich finde es sieht gut aus und ist für mich auch ein Zeichen, dass sich der Autor um den Inhalt bemüht hat.
Ein schöner und lesenswerter Artikel erfüllt schon so viele Rankingfaktoren, so dass Google immer mehr genau das erfüllt, was du in dem Artikel noch vermisst.
Liebe Grüße und ausführliche Antwort kommt auf meinem Blog die Tage.
Burkhard