Perfect Game: Choice of Character

Wenn ich ganz ehrlich bin, haben mich die Macher von Videospielen einfach schlecht erzogen. Sie haben mir ein Spielzeug gegeben, dass ich dann nicht mehr abgeben wollte. Damals, als ich mit dem Super Nintendo so meine allererste eigene Spielkonsole hatte, da reichte es mir noch vollkommen, dass ich meinen Namen an einen Spielstand oder die immer gleiche Spielfigur tackern durfte. Die Hauptfigur von "Zelda - a Link to the Past"? Jan. Die Hauptfigur von "Secret of Mana"? Jan. Die Hauptfigur von "Secret of Evermore"? Jan. Für eine ordentliche Identifikation reichte das eigentlich schon. Aber auch ich spürte als Teen, dass ich selbst nicht ganz so wirklich eine Rolle spielte. Oder andersherum: Ich spielte nur eine Rolle, deren Text ganz genau vorgeschrieben war.

WWF No Mercy. Ich würde gerne ein "klügeres" Spiel als Referenz für "Choice of Character" anführen. Aber der Moment, in dem ich meine eigene Figur erstellt habe und diese mit Entscheidungen eine Rolle spielte, war im Titel-Kampf-Modus des N64-Wrestling-Spiels. Erschreckenderweise eines der besten seiner Art, welches bis heute aus meiner Sicht nicht so wirklich von einem anderen Wrestling-Titel vom Thron geschubst werden konnte. Aber die genaue Review gehört an eine andere Stelle.

Es war etwas besonderes, dass dieser "Jan" nun gegen Triple H in den Ring stieg und sich die Pfade der Geschichte anders entfalteten, in Abhängigkeit ob ich verlor, gewann oder andere Bedingungen im Match erfüllte. Und wenn dann die ganze Geschichte durchgestanden war und ich selbst den "WWF World Heavy Weight Championship"-Gürtel an der Hüfte hatte, dann war ich schon stolzer, als wenn Mario zum dröllfzigsten Mal eine Prinzessin rettete durch meine Fingerfertigkeit.
Noch besser wurde es dann aber, dass wenn ich dann mit einer anderen Figur die Meisterschaft startete, nicht mehr Triple H da stand und der Gegner war, sondern dieser Jan. Aus dem Spieluniversum wurde mein Universum, in dem meine Freunde um Meisterschaften kämpften, Rivalitäten austrugen und sich eine ganz andere Wertigkeit einstellte, als wenn da mir unbekannte Amerikaner sich gegenüber standen.

Identifikation ist wichtig. Sie bringt uns näher an die Geschichte. Macht unsere Entscheidungen wertiger. In diversen Lektüren zum Drehbuchschreiben habe ich gelesen, dass die Probleme und Konflikte für einen Zuschauer nachvollziehbar und empathisch zu erfassen sein sollten, damit die Spannung wirken kann. Empathisch erfassen bedeutet, dass wir uns in die Charaktere einfüllen können sollen, dass wir an ihren Erfahrungen teilhaben. Und da Videospiele auch gerne verkürzt als "gespielte Filme" bezeichnet wurden, können die Maßstäbe vom Filmdrehbüchern hier sicher auch angewendet werden.

Natürlich fällt es mir leichter, mich mit Figuren zu indentifizieren, die mir ähnlich sind oder aber noch viel besser: Die ich attraktiv finde. Was nicht mal bedeutet, dass die Figur krassen gesellschaftlichen Schönheitsidealen entspricht, sondern mir einfach gefällt. Vielleicht sogar schon für mich eine Geschichte erzählt. Aktuell nutze ich die Editoren der Videospiele zum Beispiel oft, um den Figuren aus meinen Kurzgeschichten Gesichter und Körper zu geben oder aber aus Spaß an der Freude Crossover entstehen zu lassen. So war ich anfangs Sagat aus Street Fighter als ich Saints Row spielte und habe mit Zangief einen russischen Verteidiger in die Bundesliga gebracht, den so wirklich niemand auf der Liste hatte. An dieser Stelle ein Zwinkersmiley.

Das Erstellen einer eigenen Figur scheint inzwischen eigentlich ein geltender Standard zu sein. Skyrim, Fallout, Dragon Age, so ziemlich alle Sportspiele, Call of Duty (Im Multiplayer), Star Wars Battle Front, die MMORPGs natürlich auch so ziemlich alle. Trotzdem finde ich es immer noch erwähnenswert. Denn es gitb Unterschiede. Willkommen in der Meisterklasse des Choice of Character:
Mass Effect.

Was macht dieses Spiel besser? Die Reihe hat eine aufeinander aufbauende Geschichte, ja wenn mensch so will, lebt es davon, nicht nur ein Spiel zu verkaufen, sondern gleich mehrere. Reihen sind keine Seltenheit mehr, aber einige von ihnen stellen sich selbst ein Beinchen. Nachdem ich mit nämlich ein intensives Spiel lang angefangen habe mit meiner Figur zu identifizieren, muss ich in vielen Reihen trotzdem von vorne anfangen. Jedes Jahr muss ich in Fifa meine Karriere von vorne beginnen, kann nicht mal das Design meiner Figur übertragen, obwohl der Editor seit Jahren das selbe alte Schiff ist, mit den gleichen Optionen. Wenn auch ich bei Forza "nur" die Autos individualisieren kann, verstehe ich nicht, weshalb ich von Teil 5 zu Horizon 2 zu Teil 6 meine Designs, Aufkleber etc. nicht mitnehmen kann. Und auch da ist es der selbe Editor.
Mass Effect hat im Prinzip von Spiel 1 -3 einen hybriden Spielstand, der innerhalb des einzelnen Titels funktioniert, aber eben auch in den folgenden Teilen eine Rolle spielt. Ich kann die bereits aufgebaute Beziehung behalten und noch viel wichtiger für mich: Meine alte Spielzeit wird nicht entwertet, nur weil ein Hersteller wieder was verkaufen möchte.

Fazit und Kommentar:
Eigene Figuren bauen bringt uns näher ans Spiel, aber natürlich dürfen Titel auch weiterhin ihre eigenen Geschichten erzählen, mit Charakteren, die nicht ich sind. Trotzdem möchte ich gerne in meinen Spielen eben nicht nur eine Rolle spielen, sondern sie auch interpretieren dürfen, um meine Akzente zu setzen, um daraus mein Bühnenstück zu machen.


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