Friend in Need #2 - Hätte jedem passieren können
Ich musste erst ein Foto machen und es
bei Google hochladen, aber die Recherche dort und das Emblem auf
seiner Brust machten es klar: Auf meinem Sofa lag Batman. Oder
zumindest jemand im passenden Kostüm. Seine Verletzungen hatte ich
versorgt, so gut meine Kenntnisse aus dem abgebrochenen
Medizinstudium es erlaubten. Meiner Einschätzung nach, würde er es
auf jeden Fall überstehen. Wenn er wirklich ein Superheld war, dann
sowieso.
Ich konnte keinen Krankenwagen rufen.
Wäre er nur ein Spinner, ja, aber wenn er wirklich Batman ist,
hätten sie seine Maske abgenommen und die Welt hätte gewusst, wer
er ist. Ich konnte seine Maske nicht abnehmen. Ich hätte nicht
gewusst, ob er nur ein Nachahmer oder der Echte ist, solange er
bewußtlos ist. Hätte ich gewußt, wer der echte Batman ist, wäre
ich irgendwann in der Zukunft in Gefahr gekommen.
Ich weiß nicht viel über Helden, aber
spätestens seit dem Bürgerkrieg zwischen den Helden war klar, dass
mit geheimen Identitäten schwierig umzugehen ist. Und Wissen ist
gefährlich. Von wievielen Freunden und Lebensgefährten von Helden
hatte man schon gehört, dass sie getötet wurden? Viele.
In meiner Verzweiflung rief ich bei der
Justice League of America an. Ja, die haben eine Hotline. Ich war
auch überrascht. Mein Gedanke dahinter war recht einfach: Wenn der
JLA ein Batman fehlt – Und sie haben ja nur diesen einen – dann
könnten sie ihn hier wieder einsammeln. "Wer's findet, darf''s
behalten." galt hier nicht. Ich hätte ihn auch nicht behalten
wollen.
Leider hat die JLA eine sehr typische
Hotline und nach zehn Minuten in der Warteschleife hatte ich auch
keinen Bock mehr zu warten. Immerhin war es Batman. Vielleicht.
Ich machte das einzig Richtige: Ich
wollte ihn da behalten, bis er zu sich kommt. Vielleicht hat die JLA
irgendeinen technischen Schnickschnack oder merkt schon, dass denen
was fehlt. Dann klingelte es schon wieder an der Tür. Oh wei,
bestimmt habe ich wieder genug Krach gemacht, das Miss Michaels vor
der Tür steht.
"Alexandra!" Ich war zu
perplex um die Tür zu zu halten und daher sprang mir meine Herzdame
direkt um den Hals. "Uffz." drückte ich noch raus, als sie
mit mir in den Flur stürzte. "Ich bin so froh dich zu sehen, wir müssen ganz dringend reden!", sagte sie und ich fand auch, dass ich einiges zu erzählen hatte, aber während ich damit beschäftigt war
mich an mein schmerzendes Knie zu erinnern, erstarrte und starrte
Alexandra in meine Küche. "Neues Rezept?" Auch wenn ich
viel Humor habe, Alexandra ist schon immer witziger als ich gewesen.
VERDAMMT! In meinem Wohnzimmer lag
Batman, meine Küche in Trümmern – Und der Vermieter wusste noch
nichts seinem Glück – Und Alexandra war hier! Wenn sie Batman
sehen würde, wenn sie die Trümmer sehen würde, wenn sie..."Was
ist hier denn passiert, Steward?"
Wäre ich nicht so sehr mit Weinen
beschäftigt gewesen, da sie genau auf meinem verletzten Knie mit
ihrem wunderschönen Knie rumdrückte, hätte ich vielleicht einen
passablen Konter gehabt, aber so war ich einfach nur erledigt.
"Was würde Batman tun?", ist
eine Frage, die Gerüchten zu Folge helfen soll, schwierige
Situationen zu lösen. Ja, was würde Batman in so einer Situation
tun? Er ächzte. Das würde Batman tun. Er quälte sich im Wohnzimmer
auf dem Sofa und kam scheinbar langsam zu sich. Alexandra schaute
mich mit hochgezogener Augenbraue durch ihre halblangen Haare an.
"Es ist nicht so, wie es
aussieht!", sagte ich und Alexandra und ich fragten mich dann
aber gleichzeitig: "Wie sieht es denn aus?"
Batman windete sich, ich konnte aber
sicher sagen, dass er nur wild träumte. Seine Wunden waren immer
noch gut versorgt und verschlimmerten sich nicht. Zum Glück schlief
er, denn Alexandra kam aus dem Lachen nicht mehr so richtig raus.
Ihre Sprüche wechselten regelmäßig die Richtung, gingen entweder
auf meine oder Batmans Richtung. Sie war gerade noch bei: "Und
deshalb fliegen Fledermäuse nicht tags.", als ich meinen
zweiten Check bei Batman beendet hatte.
Ich einem kurzen Moment versuchte ich
mir der Ausmaße dieser Ereignisse klar zu werden – Was ich nicht
schaffte, das kann ich sagen – Aber meine einzige Erkenntnis
war, dass ich sehr dankbar dafür war, Alexandra zu haben. Klar war
da die Sorge, dass auch sie jetzt in Gefahr war, aber ich war mir
ganz ganz sicher: So lange wir das Gesicht hinter der Maske nicht
kannten, könnte uns nichts passieren. Alexandra wurde langsam wieder
ernster, wenn auch immer noch etwas schelmisch: "Willst du ihn
denn behalten?"
Eine ungewöhnlich tiefe Stimme kam mir
zuvor: "Lasst mich nicht alleine." rauchte sie aus tiefster
Kehle raus. Batman redete im Schlaf. Ich hatte Alexandra schon mein
Dilemma erläutert, weshalb ich ihn nicht ausliefern konnte. Genau
wie ich damals, lies auch Alexandra nicht lange den Gedanken zu, dass
er nicht der echte wäre. "Du hast Recht. Du willst dir keinen
Helden zum Feind machen. Im Internet stehen echt wilde Sachen, was er
mit seinen Feinden anstellt." So rum hatte ich das damals gar
nicht gedacht.
Wir entwarfen einen Plan, denn
Alexandra, als die konsequentere – Und sturere - Person von uns,
sah es nicht ein, wegen Batman auf das gemeinsame Abendessen zu
verzichten. Wir bestellten bei Pepe, was ich sonst gekocht hätte. Da
mein Esstisch hinüber war, gingen wir ins Wohnzimmer und konnten so
auch ein Auge auf Batman werfen.
"Mama. Papa. Geht nicht."
rauschte er mit seiner tiefen Stimme raus, während wir aßen. "Wow.
Das klingt aber eher nach Sadman.", sagte Alexandra und schaute
zum ersten Mal heute tatsächlich ein wenig besorgt. Ein Enigma,
diese Frau. Meine Küche stürzt ein, sie bleibt cool; Batman träumt
schlecht, sie ist betroffen. Ich fragte mich nur, wie es weiter gehen
soll. "Ich denke, wir sollten weiter versuchen die JLA
anzurufen.", sagte ich laut und schaute, wie Alexandra auf
diesen Vorschlag reagiert.
"Das bringt nichts.", sprach
mir der kernige Ton ins Ohr. "Die Hotline ist eine Katastrophe."
Vor Schreck hatte ich meine Pasta wieder ausgespuckt. Aber nicht ob
der Stimme, sondern einfach, weil er wach war. Alexandra war auch ein
wenig erstarrt und ich fragte mich, was ich wohl in seiner Situation
wollen würde. "Auch eine Portion Pasta mit scharfer Sauce und
Thunfisch?" Batman nahm neben mir Platz und auch durch seine
schwarze Maske erkannte ich, wie er seine Augenbraue hochzog. "Batman
taucht bei dir auf und du bietest ihm Pasta an?" Ich zuckte mit
den Schultern, kam mir selbst unglaublich plausibel vor und fragte
nur: "Ist das ein Ja, oder ein Nein?"
Ich bin mir nicht sicher, ob Batman von
meinem Angebot oder dem Sturz einfach verwirrt war oder ob er sich
einfach aufrichtig freute, eingeladen worden zu sein, aber Batman
blieb bei uns zum Essen. Entgegen meiner Vorstellung vom dunklen
Ritter von Gotham, war er ganz gesprächig. So sehr, dass er mit
vollem Mund sprach.
"Umd damm ift mir daf Feil
geriffen. Ift vorher noff nie paffiert.", erklärte er den
Einsturz in meine Küffe. Küche. "Ift mir auf fehr peinliff.",
beteuerte er mit bedrückter Mine. "Ist doch nicht schlimm,
hätte jedem passieren können!", untermauerte ich und hätten
Alexandra und Batman nicht losgelacht, hätte ich meinen Scherz auch
nicht bemerkt. Batman stopfte ganz schön beim Essen. So richtig
appetitlich sah das nicht aus, aber da er in seiner vollen Montur am
Esstisch saß, hatte die Situation schon ihre maximale Skurrilität
erreicht. Wobei: "Batman, Alexandra, wollt ihr auch ein Bier?"
Alexandra, die zuletzt überraschend still war, nickte mir bloß zu
und Batman zögerte. "Eigentlich bin ich im Dienst.",
markierte er, aber als ich mit den Augen rollte, nickte er. "Na
gut. Eins."
"Na gut. Eins." ist ein
internationales Passwort. Es ist wie "Rächer, sammeln!"
nur das dann nicht die Truppe um Captain America zusammen kommt,
sondern ein auserwähltes Team aus Bieren. Der einzige Captain, der
dieses Team manchmal anführte, war Captain Morgan. Gemischt mit
Cola.
Wir saßen inzwischen auf dem Sofa,
wobei unsere Haltung kaum als Sitzen zu erkennen war. Alexandra
lehnte auf mir und schlief auch schon so halb, Batman hielt sich da
besser. Er hatte die Fernbedinung für sich beansprucht. Als ich ihn
daran erinnert, dass es immer noch mein Fernseher sei, sagte er nur:
"Ich bin Batman!" mit besonders tiefer und bedrohlicher
Stimme. Alexandra rülpste dann "Ich bin Batman!", wir alle
lachten ein paar Minuten.
Er durfte sie trotzdem behalten, auch
wenn Alexandra das bessere Argument hatte, aber er wollte schauen,
"ob die von der JLA mich wenigstens vermissen."
Zu erst wirkte es seltsam auf mich,
aber Batman wollte gerne mal im Fernsehen vorkommen. Er stieß mir
mit dem Ellbogen in die Seite: "Glaub mir Steward, Held sein ist
manchmal echt undankbar. Man sollte meinen, dass so ein Batman 'ne
wichtige Sache ist, aber meinste, die versuchen dich mal anzurufen,
wenn du ein Held bist? Meinste die sagen mal im Fernsehen, dass du
verschwunden bist? Nee. Du bist ja ein Held. Du kommst schon alleine
klar. Immerhin hast du schon diverse Feinde besiegt und so viele
tödliche Situationen überlebt, da wirste dich wohl auch selber
retten können." Dann schlug er rhetorisch mit der Faust auf den
Tisch: "Aber wenn du dann die Kellertreppe herunter gefallen
bist und den Rücken verdreht hast, dann kommt keiner und rettet dich!"
Alexandra hatte so Recht: Sadman. "Weiß
du, Batman, ich bin da jeden Tag. Ich bin nicht mal ein Held, ich bin
nur ein Pizzabote. Mich würde wirklich niemand vermissen,
wenn ich weg wäre." Alexandra schlug mir ungebremst in den
Magen, "Stimmt nicht!", so dass die Pasta nochmal ein
bißchen im Hals anklopfte. Batman taumelte auch schon im Sitzen ein
wenig: "Ich habe eine Rüstung extra gegen solche Angriffe."
Und ich war mir nicht sicher, ob er scherzte.
Als uns das Bier ausging, beschlossen
wir, dass es klüger wäre, wenn Batman jetzt nicht mehr nach Hause
geht. Die New Yorker Straßen sind nachts ein gefährliches Pflaster.
Ein Mann in Latexoptik sollte da vielleicht nicht alleine unterwegs
sein. Das wirkte für uns damals sehr plausibeln, weil auch Batman
ein wenig vergessen hatte, dass er Batman ist. Obwohl er es auch noch
ein paar mal am Abend gerülpst hat.
Da mein Sofa auch mein Bett war,
mussten wir ein wenig die Schlafplätze koordinieren. Batman war ohne
seine Rüstung zwar etwas schmaler, aber zu dritt würden wir
trotzdem nicht ins Bett passen. Torkelnd erklärte mein
Übernachtungsgast, dass er auch am Tisch schlafen könnte, er hätte
da eine antike Technik in einem Kloster gelernt. Dann setzte er sich
an den Esstisch, schloß die Augen, musste aufstoßen und schlug mit
dem Kopf auf den Tisch auf. Er schnarchte sofort. Alles in einer
fließenden Bewegung. Ich legte mich zu Alexandra ins Bett, hoffte,
dass es in der Nacht nicht in die Küche regnet und blieb noch ein
wenig wach, mit Blick auf den dunklen Ritter an meinem Esstisch.
Es war dann nicht nur der ausgeliehende
Pyjama mit den Entchen drauf. Ein Typ im Schlafanzug, mit Batmanmaske
auf, der in einem Krater stehend Rührei zu bereitete und fröhlich
"One more time" von Daft Punk im Radio mitpfiff: Das
überforderte mich beim Wachwerden auf mehreren Ebenen. Vorallem, auf
der realen. Ich war wach geworden und die Sache mit dem Dach und
Batman war doch kein Traum.
"Ich habe auch schon Kaffee
gemacht. Alexandra ist schon zur Uni.", meinte er, in einer
tiefen, aber fröhlichen Stimme, zeigte auf meinen noch intakten
Küchentresen und setzte wieder in sein Lied ein. "Frühstück
ist auch gleich fertig. Wenn du den Tisch decken könntest, wäre das
echt lieb von dir." Ich fühlte mich an meine Kindheit und
gähnte nur halbwach: "Klar, Mama." Batman lächelte mich
an und so wie meine Mutter es auch getan hätte, war es ein
herzliches Lächeln.
"Sag mal Batman, findest du die
Situation nicht auch seltsam?", fragte ich ihn direkt raus. Wir
saßen beim Frühstück zusammen und hatten im Hintergrund
House-Musik laufen, weil er "in der richtigen Laune dafür" war. Batman stopfte nicht mehr so wie am Vortag, aß auch erst seinen
Happen auf, bevor er antwortete: "Ehrlich gesagt. Doch. Sehr
sogar." Ich kniff ein wenig die Lippen zusammen, da Lächeln und
Zweifeln um mein Gesicht kämpften. "Aber nicht, weil ich Batman
bin und du ein Bürger, wenn du das meinst." Genau das meinte
ich aber. "Ich finde es seltsam, weil es mir ewig nicht mehr so
gut ging." Ich kannte ihn jetzt nicht so gut, aber dass er kein
gutgelaunter Sunny-Boy wie Johny Storm war, war auch mir klar. "Ich
weiß nicht genau, was passiert ist, Steward, aber ich konnte gestern
mal richtig abschalten." Ich dachte, dass es Batman als Held
egal ist, aber ich sagte ihm: "Ich fand den Abend auch toll."
Batman schmunzelte schelmisch: "Hey,
wir hatten kein Date oder sowas. Aber es freut mich. Und genau das
ist es, Steward! Ich freue mich. Das ist ewig nicht mehr passiert.
Ich könnte mich nicht dran erinnern." - "Das ist schade.",
rutschte mir im Reflex raus, aber Batman nahm es auf: "Ja. Das
ist es. Ein Bekannter von mir hat immer gefragt, warum denn so ernst?
Aber ich habe mich immer gegen die Frage gewehrt. Heute früh wurde
ich wach und fühlte mich..." Heldische rhetorische Pause.
"Leichter. Als hätte ich nur einen Abend mit Freunden
gebraucht. Wir Helden haben es auch nicht immer einfach, manchmal
brauchen wir auch einen Freund, der in der Not hilft." - "Wie
in dem Sprichwort?", hakte ich ein.
"A friend in need, is a friend
indeed.", sprachen Batman und ich parallel. Dann hellte der
dunkle Ritter noch ein wenig auf und reichte mir seine Hand. "Steward
Fin, möchtest du mein Freund in der Not sein?"
Und das war es. Ich gab Batman meine
Telefonnummer, auch wenn er meinte, er hätte sie auch so heraus
finden können. Außerdem wüsste er ja wo ich wohne, so ein Loch im
Dach ist ja nicht leicht zu übersehen. Batman und ich waren also
sowas wie Freunde und für mich fing eine wilde Reise an, die mich
nie wieder der normale Bürger sein lassen würde, der ich mal war.
Ich war mal ein normaler Bürger wie
du, aber dann habe ich einen Batman in die Küche bekommen. Mein Name
ist Steward Fin und dies ist meine Geschichte, die Geschichte vom
besten Freund der Superhelden.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.