Slam-Text: Ja, sicher!

Bevor ich anfange, muss ich ankündigen, dass sich Taschendiebe im Publikum befinden.

Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft,
Ja sicher.

Ja, sicher, öffne ich auch meinen Rucksack. Ja, sicher, lege ich alles was sich darin befindet vor ihnen auf dem Boden aus. Ja, sicher, mein Ausweis ist abgelaufen. Ja, sicher weiß ich, dass ich einen neuen beantragen muss. Ja, sicher, ich öffne auch gerne meine Geldbörse.

Ja, sicher, ich verstehe, dass es eine allgemeine Personenkontrolle ist. Aber wenn ich der Einzige hier bin, der hier kontrolliert wird, wirkt es gar nicht so allgemein sondern ziemlich spezifisch. Vorallem, wenn ich bedenke, dass es nicht heute diese eine, sondern seit Juni 2016 schon mehrere Kontrollen waren. Ja sicher, bei den ersten Dreien habe ich noch Verständnis gehabt. Bei den nächsten habe ich fest beschlossen, nicht mehr die eine Farbe zu tragen, wenn Fussball in der verfeindeten Farbe in der Stadt ist. Bei unseren nächsten Treffen dachte ich mir:

Ja, sicher, es gibt Vorurteile zu bekämpfen. Den Kontrollierenden haftet der Ruf an, Menschen mit Zuwanderungshintergrund, also Menschen mit dunklerer Hautfarbe, also gefühlte Ausländer, zu bevorzugen, also, mit Kontrollen. Wenn jetzt also ich kontrolliert werde, dann ist das doch ein klares Zeichen. "Hier! Schaut her! In Zeiten von Flüchtlingsdebatten und Kritik an polizeilicher Schikane an Ausländern, schikanieren wir jetzt auch Deutsche. DAS ist Gerechtigkeit!"

Ja, sicher, subjektiv ist das gerecht, wenn jeder und jede kontrolliert werden könnte. Aber wenn es dich dann am Ende inzwischen 32 mal erwischt hat, wenn du bei deinen Bahnfahrten an bestimmten Bahnhöfen schon eine Kontrolle einplanst, wenn dir im Dortmunder Hauptbahnhof – kein Scherz – ein Polizist zu winkt, weil er dich wiedererkannt hat, dann fühlt sich das weder gerecht noch sicher an. Das fühlt sich spezifisch und zielgerichtet an.

Ja, sicher, ich meide inzwischen die Polizei. Ich gucke weg. Ich laufe schnell. Ich höre weg, wenn sie mich ansprechen. Ja, sicher, genau so sieht dann auch jemand aus, der verdächtig ist. "Verdächtig" und "Verängstigt" sehen für die Polizei einfach gleich aus. Ich gucke weg. Ich laufe schnell. Inzwischen schaue ich auch wütend zur Polizei, zu Sicherheitsleuten. Sie sind schuld, dass ich mich nicht mehr unschuldig fühle. Weil ich schuldig aussehe, während ich unschuldig bin.

Aber,
Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit schafft Sicherheit

Mit einem Polizisten in Köln bin ich privat ins Gespräch geraten, was übrigens viel angenehmer ist als in einer Kontrolle. Er hat mir erzählt, dass die Durchsage an Bahnhöfen auch häufig gemacht wird, um das Bewußtsein der Leute zu schärfen. Häufig gab es tagelang keinen Taschendiebstahl. Aber die häufige Durchsage zeigt ja an, dass gerade jemand hinguckt. Moral entsteht dann, wenn jemand zuschaut. Und dadurch entsteht Sicherheit, weil Taschendiebe sich nicht mehr trauen, etwas zu stehlen, weil sie ja beobachtet werden. So der Plan.

Kennt ihr den Drei-Punkte-Check? Handy, Schlüssel, Geldbörse? Wer von euch hat nach geguckt, als ich am Anfang gesagt habe, es wären Taschendiebe im Raum? Und wer hat sich sofort sicherer gefühlt, weil er wusste, dass eine Autorität hinschaut? Und wer hat einen Nebenmenschen angeschaut und sich gefragt, ob er oder sie vielleicht auch ein Dieb sein könnte?

Sicherheit schafft nicht Sicherheit, Vertrauen schafft Sicherheit.

Kommentare

Vielleicht auch spannend: