Two-Face

Ich bin mir nicht sicher, ob dein zuckendes zögerliches Grinsen von der Freude kommt oder weil der Wind in dein hautloses Gesicht einfährt. Den Punkt, an dem mir von deinem Anblick noch übel wird, den habe ich schon lange überwunden. Die eitertriefenden Muskeln, die deine Mimik in Bewegung halten, lassen mir schon lange nicht mehr die Magensäure hochkommen. Und auch wenn immer noch Asche aus deinem verkohlten Gesicht rieselt, so kennst nur du den Schmerz. 
Dann stellt sich Mitleid ein. Mitleid für Kreatur, die sich selbst schon zu sehr bemitleidet. Für eine Kreatur, die zwar in jedem einen Schuldigen sucht, sich selbst aber für eine Gerechtigkeit hält, dabei aber genau so willkürlich ist, wie der Regen, der auf sie herab fällt. 
Helfen möchte ich dir nicht unbedingt, aber die Herkunft deiner Wunden weckt meine Neugier.
Der einzige Weg, meine Neugier zu stillen, ist für dich, deine gepresste Faust von oben gerade steif durch meine Wangenknochen zu pressen und mich so für Verbrechen zu bestrafen die keiner alleine begangen hat. Mich für Verbrechen zu bestrafen, weil sie keiner verhindert hat. Mich für Verbrechen zu bestrafen, die du begangen hast, damit ich weiß, wie du dich fühlst.
An einem anderen Tag bist du anders.
Du stehst mit dem Antlitz eines weißen Ritters im Sonnenschein und gibst so selbst den Rastlosen ein zu hause in deiner Hoffnung. Dein Lächeln und deine Grübchen erzählen die besseren Geschichten, die keine Fantasie zuvor zu erfassen vermochte, in denen keiner mehr am Boden liegen muss. Du bist ein gelehrsamer Anwalt, der sich niemals das Recht nehmen würde, auch nur ein Urteil zu sprechen. Lediglich greifst du denen - wenn es nur mit einem Witz oder einer Anekdote ist - unter die Arme, denen längst jede zugestreckte Hand verwehrt blieb. Dann bist du vielleicht nicht gut, aber es ist gut mit dir zu sein. Und dann, dann ist von meinem Mitleid nichts mehr zu sehen. Dann bin ich neidisch. Neidisch, auf eine Leichtigkeit, die du nur von denen erworben hast, die dich umgeben. Neidisch, darauf, dass die Menschen dich als gerecht empfinden, aber übersehen, dass du die Gerechtigkeit nicht kennst. Neidisch, weil du dich verändern kannst, so wie der Wind sich dreht.
Ob dein zögerliches zerbrechliches Grinsen von der Freude kommt, weil du weiß, dass du an einem anderen Tag anders bist oder ein aufrichtiges ist, dass weiß du selber nicht. Denn alles was du tust, ist eine Münze.
Keine Münze mit der man bezahlt, sondern eine Münze, die entscheidet wer bezahlt. Eine Münze, mit der man nicht rechnen kann. Eine Münze, die dich verliert. Eine Münze, auf der sich Kopf, manchmal wie Zahl anfühlt.
Und die Münze fliegt.
Heute hattest du einen guten, heute hattest du einen schlechten Tag. Morgen tust du nur das, was dir die Münze sagt. Heute liege ich am Boden, heute fliege ich davon, manchmal kann ich nachts nicht schlafen, weil ich nicht weiß, was für ein Tag morgen kommt.
So ist es dir nur recht. Denn man sieht immer nur eine Hälfte von deinem Gesicht, du drehst dich immer, dass man nur sieht, was du uns sehen lassen willst. Wir sollen Angst vor dir haben und dich gleichzeitig lieben. Wir sollen bei dir sein wollen und dabei vor dir Weglaufen. Wir müssen für und gegen dich sein, weil du ein zweigesichtiges Monster bist.
Ein zweigesichtiges Monster, dass nicht einmal selber zeigt, was für ein Tag es heute ist, nein, du lässt es die Leute im Gesicht tragen. Manchen schenkst du dein Lächeln und anderen verbrennst du die Haut. Aber du weißt es selber nicht, nur die Münze mit ihrem kranken Spiel.
Gerne würde ich dich immer lieben, aber Stadt, das verlangen, wäre zu viel.

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